Samstag, 8. Januar 2011

Noctambule: Anyas dreiste Lüge

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

"Nun, Madame Frechdachs… Was treibt Euch nach Marseille, wenn man in Paris gelebt hat?" verlangte Amanda zu erfahren. Sie verabscheute die aufkommende Sonne und spannte ein kleines Schirmchen auf. Auch Miriam hatte ihre Haut unter einem verspielten Schirm geschützt, nur Anya genoss die Frühlingsstrahlen und ihre blonden Haare glänzten in der Sonne.

Der kleine Schubs von Miriam weckte sie allerdings. Hastig spannte sie ihren Schirm auf. Amanda war diese kleine Geste nicht entgangen.
"Ich bin mit meinem Bruder hier her gezogen. Armand Sartous. Er war der Meinung, dass mir die Abwechslung hier gut tut, nachdem mein Mann verstarb." Anyas Stimme hatte einen samtigen Klang, freundlich und hell, aber nicht aufdringlich. Amanda war angetan von der Ausdrucksweise, aber viel mehr amüsiert über die rosigen Wangen, die sie nun bekam. Welche junge Witwe bekam rote Ohren, wenn sie von ihrem verstorbenen Gatten sprach? Ihre Braue schoss hoch.
"Ein schlimmes Schicksal für eine junge Frau!" erklärte sie vehement, auch wenn sie selbst innerlich gejubelt hatte damals. Anya senkte ihren Blick auf ihre Finger. Nun, das konnte man verschieden deuten.
Amanda erkannte glasklar eine gewisse Unsicherheit, die sie zu verbergen suchte. Empfand dieses junge Ding womöglich gar keine Trauer? Sehr spannend!
"Was entriss Euch Euren Gemahl, Madame?" Ihre Stimme blieb rau, daran konnte nicht einmal tägliche warme Milch etwas ändern. Aber in ihr schwang Mitgefühl mit. Miriam ergriff Anyas Hand und drückte sie. Amanda Dubrés schmunzelte über Miriams Versuch, Trost zu spenden. Diese junge Göre hatte gar keine Ahnung, was in einer jungen Witwe vorging!
"Er starb an einem Fieber." hauchte Anya und schluckte. Madame Dubrés nickte betrübt. Offenbar hatte die Kleine Anstand genug, über den wenig heldenhaften Tod zu trauern. Aber irgendwas steckte doch noch dahinter, darauf könnte sie ihr Vermögen verwetten!

"Schrecklich. Ihr habt in Euren jungen Jahren schon viel erleiden müssen, Madame. Aber erzählt mir doch bitte etwas von Eurem Bruder. Armand Sartous, sagtet Ihr? Dieser Name.. ich kann ihn gerade nicht unterbringen." Sie zermarterte sich tatsächlich den Kopf. Ganz, ganz tief in ihrem Gedächtnis musste doch etwas zu finden sein. Sie könnte schwören, diesen Namen vor vielen Jahren bereits gehört zu haben.
Vielleicht kannte sie den Vater der beiden? Als sie ihren Blick wieder auf Anya richtete, war sie verblüfft über die großen Augen, die sie gerade ansahen. Täuschte sie sich oder hatte sich die Gesichtsfarbe vertieft?
"Er lebte sehr lange zurückgezogen in einem Vorort. In Montmartre genau gesagt. Er ist.. einige Jahre älter als ich." stammelte Anya. Amanda schmunzelte. Sie hatte eine feine Nase für Skandale. Und hier witterte sie mehr als einen. Sie könnte schwören, dass ihr gerade eine äußerst unzureichende Geschichte aufgetischt wurde. Ihr Blick lag gnadenlos fest auf Anya und brachte diese mehr und mehr aus dem Konzept.
"Ich bin sehr gerührt über Eure tiefe Geschwisterliebe, ma chere. Erzählt mir doch, welchen Geschäften er wohl nachgeht?" Amanda bohrte weiter und Anyas Augen sanken auf ihren Schoß. Sie schluckte heftig. Amanda hätte beinahe ein zufriedenes Schnurren ausgestoßen. Sie konnte Anyas Unbehagen förmlich riechen. Und warum sollte jemand Unbehagen empfinden, wenn er nichts zu verbergen hatte?
"Armand macht irgendwas mit Geldgeschäften. Das hat Papa erzählt. Ich habe nicht so richtig hingehört. Aber irgendwie kann man Geld mit Geld verdienen. Nicht wahr Anya? Ich glaube, du hast auch noch nie richtig hingehört oder?" unterstützte Miriam ihre Freundin nun. Anya nickte sofort.
"ich verstehe nicht viel davon." gestand sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Amanda lehnte sich zurück und winkte lässig jemandem zu, den die Kutsche gerade passierte. Sie hatte gar nicht genau hingesehen, wer sie da gegrüßt hatte. Anya hingegen interessierte sie mächtig. Sie könnte schwören, dass hier etwas Hochinteressantes zugange war. Und Amanda Dubrés liebte spannende Geheimnisse. Sie beugte sich mit funkelndem Blick nach vorne und starrte Anya lange an.
Die beiden Mädchen verstummten.
"Junge Witwen müssen nichts von Geld verstehen. Macht Euch keine Gedanken. Für so was gibt es Brüder und später andere Männer. Ich werde einen für Euch finden." Sie tätschelte mit einem Grinsen Anyas Hand und plumpste zufrieden zurück.

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