Sonntag, 2. Januar 2011

Noctambule: Rückblick - Vampir vs. Vampir

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

George riss sich von dem Bild los und war mit einem Satz am Schrank, den er so heftig aufriss, dass der Schrank kurz schwankte. Der Duft von Adaliz umfing ihn sofort. Der Schrank war voll bis oben hin mit der typischen Kleidung von Adaliz. Hemden, Hosen, Stiefel, sogar Kleider besaß sie. Georges Blick flog zu dem kleinen Frisiertisch mit dem Spiegel. In der Bürste waren einige rote, lange Haare verwickelt.


Sprachlos starrte er auf die Bürste. Adaliz hatte hier in diesem Haus gelebt! Und Armand hatte ihm das verschwiegen! Warum verschwieg er das, wenn er doch genau wusste, dass George sie vermisste? Was hatte Armand zu verheimlichen? Und wo, zum Donnerwetter, war sie?
Als er Schritte auf dem Flur hörte, ruckte sein Kopf mit einem wütenden Fauchen herum. Er zögerte keine Sekunde sondern schoss hinaus und rannte Armand förmlich über den Haufen. Armand taumelte und stolperte gegen die Wand. George hatte die Überraschung auf seiner Seite. Armand hatte in diesem Haus mit keinem Angriff gerechnet. Wütend holte George aus und donnerte Armand die Faust gegen das Kinn.
Armands Kopf flog zur Seite und für einen Moment sah er Sternchen. Aber seine Sinne reagierten in geübter Schnelligkeit. Georges zweiten Schlag Richtung Magengrube sah er kommen und blockte ihn ab. Gleichzeitig riss er seine Faust hoch und drosch sie George gegen die Schläfe. Er setzte seinem taumelnden Angreifer sofort nach, packte George am Kragen und presste ihn an die Wand.
"Was soll das?" knurrte er ihn an. George ächzte und bleckte wutentbrannt seine Zähne. Er war kein Kämpfer. Er hatte sich bei Prügeleien in den Kneipen stets im Hintergrund gehalten und versucht, so schnell wie möglich die Kneipe zu verlassen. Die Sorge um seine Kleidung war meist sogar noch größer als die um seine Gesundheit.
Aber nun verlieh ihm seine Wut neue Kräfte. Armand hatte ihn an der Kehle gepackt und schob ihn so an der Wand hoch, dass er den Boden unter den Füßen verloren hatte. Die große Hand Armand presste ihm die Kehle zu und der Luftmangel würde ihm bald die Sinne rauben. In seiner Verzweiflung hob er gleichzeitig beide Hände und drosch Armand die Handflächen auf die Ohren.
Die Wirkung setzte sofort ein. Armand ließ ihn los und taumelte orientierungslos nach hinten. Ihm war schwindlig und die Augen tränten heftig. Er hörte George auf den Boden krachen und griff sich stöhnend an die Schläfen.
"Was zum.." weiter kam er nicht. George hätte seinen Vorteil jetzt wunderbar ausnutzen können, wenn er wenigstens ein bisschen Kampferfahrung hätte. Aber das Wissen fehlte ihm und seine Wut hinderte ihn am Nachdenken. So rammte er Armand nur die Faust mit aller Kraft in den Bauch, was genügte, um Armand keuchend zusammenknicken zu lassen. Aber das hochschnellende Knie von George ahnte er im Voraus. Blitzschnell packte er das Bein, riss es hoch und verdrehte es so, dass George aufschreiend zu Boden ging. Jetzt flackerte maßlose Wut in seinen Augen.
Armand gab George keine zweite Chance. Er warf sich auf ihn, rollte ihn auf den Rücken und umschloss seinen Kopf mit beiden Händen. Die Daumen pressten sich auf Georges Augen, die Spitzen der Mittelfinger pressten sich in die Mulde hinter den Ohren. George verzerrte bereits schmerzerfüllt das Gesicht und versuchte Armand zurückzudrücken, aber die Arme Armands waren deutlich länger als Georges. Zwar erhöhten Armands Finger den Druck nicht, aber George erkannte, dass er überhaupt keine Chance mehr hatte. Er traute seinem Feind nun zu, ihm jeden Moment die Augen aus den Höhlen zu quetschen. Aufschreiend gab er auf.

"Hör auf!! Lass los, verdammt!" brüllte George in Todesangst. Der Schmerz der beiden Druckpunkte hinter den Ohren machte ihn wahnsinnig und die Angst um seine Augen verschlimmerte nur alles.
"Ich denke nicht daran! Was sollte das? Warum greifst du mich an?" Armands dunkle Stimme knurrte so bösartig, dass George sicherheitshalber völlig regungslos liegen blieb. Nur seine Hände umklammerten noch immer hilflos die Handgelenke Armands.
"Lass uns reden! REDEN! Lass mich los!" George wimmerte vor Schmerzen. Armand zögerte noch einen Moment, dann packte er George am Kragen und riss ihn auf die Füße. Wortlos zerrte er George in das Zimmer von Adaliz und warf ihn dort auf das Bett. Dann lehnte er sich direkt neben das Bild von Adaliz an die Wand.
Der Schmerz hatte sofort nachgelassen und dennoch blieb George stöhnend auf dem Bett liegen und versuchte sich zu sammeln, ehe er sich halb aufrichtete und Armand hasserfüllt anstarrte. Armand schüttelte seine Rüschen zurecht und zupfte seine Weste wieder gerade. Er schien sich mehr darauf zu konzentrieren, den Staub vom edlen Stoff zu wischen, als George zu beachten. Tatsächlich aber war er hochaufmerksam und als George sich endlich aufrichtete, hob er den Kopf leicht und warf ihm einen bohrenden Blick zu.
"Das ist IHR Zimmer!! Sie wohnt hier! Wo ist Adaliz, verdammt noch mal?" Armand sah sich um, als würde er erst jetzt realisieren, wo sie sich befanden. Kurz blähten sich seine Nasenflügel, dann senkte er seinen Blick wieder zu George.
"Du hast recht, das war ihr Zimmer." antwortete er langsam und in seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck, den George nicht deuten konnte.
"Sie hat sich in Luft aufgelöst." Armand fand dieses Wortspiel relativ passend. "Sie ist verschwunden, mehr kann ich dir nicht sagen. Ich bezweifle, dass du sie wieder sehen wirst." George schoss vom Bett herunter, was Armand aufmerksam den Kopf heben ließ. Einen weiteren Angriff seitens George würde er nicht mehr tolerieren. In seinen Augen lag eine dunkle Drohung. George näherte sich ihm nicht, er musste sich am Bettpfosten abstützen, denn ihm war schwindlig.
"Du hast sie umgebracht, hab ich Recht? Du hast sie aus Eifersucht umgebracht!" George spie die Worte aus und starrte ihn voller Abscheu an. Armand betrachtete George lange. Langsam verschränkte er seine Arme vor der Brust.
"Du solltest eher froh sein, ihr entkommen zu sein. Mit ihrer Falschheit und Hinterlist hätte sie dich ruiniert, ausgenutzt und schließlich weggeworfen wie ein Stück Müll." erwiderte er gelassen und wieder einmal ging er nicht auf Georges Vorwurf ein. George richtete sich langsam auf und streckte seine Glieder. Während er sich die schmerzenden Glieder rieb, rührte sich Armand nicht von der Stelle. Er wirkte frisch und unverletzt, was aber eher an seinem Stolz lag. Nie im Leben hätte er zugelassen, zu zeigen, wie empfindlich George ihn an verschiedenen Stellen getroffen hatte.
"Wenn du sie so gut kennst, warum suchst du sie nicht? Warum kommt sie nicht zurück? Wieso hat sie ihre Sachen hier zurückgelassen? Was ist passiert, wenn du sie nicht umgebracht hast?" George hatte sich soweit beruhigt, dass seine Stimme nun fester klang und er wieder klarer denken konnte. Ihm war deutlich anzusehen, dass er von seiner Überzeugung nicht abzuweichen gedachte, bis Armand alles aufgeklärt hatte oder Adaliz persönlich auftauchen würde.
Wieder betrachtete Armand ihn eine ganze Weile nachdenklich, bevor er antwortete. Und dieses Mal stieß er sich von der Wand ab, um sich George direkt gegenüber zu stellen.
"Alles, was ich dir sagen kann ist, dass ich dich bewusstlos und nackt im Park fand. Ich hatte die Wahl, dich mitzunehmen oder zu töten. Ich hätte dich töten sollen." endete er mit einem lauernden Lächeln und legte den Kopf nachdenklich schief, als erwäge er, diese Verfehlung zu verbessern und seine Tat nachzuholen. George richtete sich gerade auf und in seinem Gesicht lag Unbehagen. Ihm war völlig klar, dass er Armand nicht gewachsen war.
"Du hast nicht einmal nach ihr gesucht? So gleichgültig ist sie dir? Sie hat hier gelebt und du lässt sie einfach verschwinden? Willst du mir das wirklich weis machen? Für wie blöd hältst du mich?!" George raffte sich zu einer aufrechteren Position auf und bereitete sich auf einen Angriff Armands vor, von dem er hoffte, dass er ausbleiben würde. Er wusste zu wenig von diesem großen Mann. Allerdings begann es erneut in ihm zu brodeln. Er war absolut sicher, dass Armand ihm die Wahrheit verschwieg.

Armands Augen lagen bösartig funkelnd auf Georges bleichem Gesicht. Er hätte George eine Lüge auftischen sollen. Vielleicht, dass George sie getötet hatte und er nur Armand sein eigenes Überleben verdankte. Aber er wusste, dass so eine Lüge eher Adaliz' üblem Charakter entsprochen hätte, nicht seinem. Er begann jedoch zu ahnen, dass er einem gefährlichen Feind das Leben gerettet hatte. George würde ihm solange zusetzen, bis Armand entweder nachgeben oder ihn töten würde. Und selbst wenn dies nicht eintreten sollte, traute er dem Burschen zu, dass er versuchen würde, ihn zu bekämpfen wo immer es ging.
"Du weißt nichts über mich. Und genauso wenig über Adaliz." er musterte George äußerlich ruhig. Innerlich tobte der Zwiespalt in ihm.
"Du willst die Wahrheit wissen? Gut, du sollst sie hören!"

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