Mittwoch, 14. November 2012

Noctambule III: Zeit zu verhandeln

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Die Ereignisse überschlugen sich. Der letzte Schritt Alessios löste in dem Mann direkt hinter ihm den Angriff aus. Seine schnelle Bewegung auf Armand zu wurde durch einen ohrenbetäubenden Knall jäh gebremst. Der Mann flog zurück in die Gruppe und riss zwei Männer mit sich. Sowohl Alessio als auch Armand zuckten heftig zusammen, doch Armand nutzte die Schrecksekunde schneller, packte Alessio am Hals und donnerte seine Faust heftig gegen die Schläfe seines Gegners.


Alessio wäre zusammengesackt, hätte Armand ihn nicht sofort an sich herangerissen. Mit einer fließenden Bewegung drehte er Alessio dabei so, dass er mit dem Rücken an Armands Brust lehnte, schlang seinen Arm um dessen Hals und drückte ihm die Luft ab, denn er spürte, dass Alessio bereits versuchte, seine Kräfte zu mobilisieren.
Über den Köpfen der Männer bildete sich eine kleine Rauchwolke, die vom Wind aufgewirbelt und zerstreut wurde. Verwirrung breitete sich in der Gruppe aus. Der Mann, der gleich zwei seiner Kameraden mitgerissen hatte, lag blutüberströmt und mit zerfetztem Brustkorb am Boden. Die beiden Gestürzten rappelten sich hastig auf, die anderen schwankten zwischen Angriff und Unsicherheit, denn immerhin war ihr Anführer nun in der Gewalt Armands und irgendwer schoss offensichtlich aus dem Haus.
"Wagt euch nicht, auch nur zu zucken!" donnerte über Armand die Stimme von Maurice. Armand ließ sich seine Verblüffung nicht anmerken, sondern konzentrierte sich auf seinen Gefangenen, der röchelnd versuchte, aus der Umklammerung zu entkommen.
"Es mag zwar dunkel sein, aber wir treffen trotzdem, wie ihr seht!" verkündete die grimmige Stimme. Armand vermutete, dass Maurice sich entgegen dem eigentlichen Befehl, sich in der Abstellkammer zu verstecken, auf den Dachboden gekrochen sein musste. Niemand hatte bemerkt, dass sich ein Gewehrlauf aus einer der kleinen Lücken in den Dachziegeln geschoben hatte, doch nun entdeckten einige Männer den Lauf und suchten hastig nach weiteren.
Armand hatte bisher nicht gewusst, dass Maurice ein Gewehr besaß. Er würde das zu gegebener Zeit klären, doch war er sicher, dass es keine weiteren Waffen im Haus gab. Er zog sein Messer aus dem Gürtel und setzte es an den Hals seines Opfers, das sofort still hielt.
"Dafür wirst du sterben, Sartous!" krächzte Alessio wütend, doch Armand achtete nicht auf ihn. Stattdessen fixierte er die unruhige Gruppe vor sich, die nun angespannt auf ihn starrte aber nicht wagte, anzugreifen.
"Hört mir gut zu, Männer." befahl Armand nun ruhig. "Ich werde mit eurem Oberhaupt nun in das Haus gehen. Denkt nicht darüber nach, uns anzugreifen oder das Haus anzuzünden, verstanden? Ihr würdet euer Oberhaupt nur gefährden." verkündete er ruhig. Alessio keuchte, schwieg aber verunsichert. Die Männer blickten sich ratlos an, Armand aber suchte den Blick Enricos und hielt ihn fest.
"Ich habe nicht vor, einen von euch zu verletzen. Auch nicht Alessio. Aber ich werde ihn sofort töten, wenn ich auch nur einen Laut von euch höre!" Enricos Kehlkopf hüpfte vor Anspannung. Er nickte langsam und blickte zu Alessio, der langsam die Hände aus Armands Arm löste und sich entspannte.
"Ich übernehme die Verantwortung. Wir werden hier draußen warten und uns ein wenig zurückziehen. Ich bitte dich nur, dich an dein Wort zu halten. Niemand von uns will kämpfen oder sterben. Doch wenn du Alessio auch nur ein Haar krümmst ohne von uns einen Grund geliefert zu bekommen, dann töten wir euch alle… und ich dich ganz zum Schluss." erklärte Enrico ruhig. Armand lächelte anerkennend und zeigte ein knappes Nicken.
Mühelos zerrte er den wesentlich kleineren und schwächeren Mann in seinem Arm rückwärts zum Haus und drückte sich durch die Tür ins Innere. Sergej war bereits da, schloss die Tür und folgte Armand ins Wohnzimmer, wo Alessio in einen der Sessel gestoßen wurde. Sofort stand Sergej hinter ihm, ebenfalls ein Messer in der Hand, das gefährlich dicht neben Alessios Augen aufblitzte.
Aber der junge Mann hatte nicht vor, seine Gegner erneut herauszufordern. Atemlos von dem Schock und den Versuchen sich zu befreien kämpfte er seinen fast überschäumenden Zorn herunter, wie ein kleiner Junge den dümmsten Fehler gemacht zu haben, der einem nur einfallen kann. Keuchend setzte er sich richtig hin und starrte in die Runde. Er erkannte sofort Anya, auch wenn sie ihre langen Haare eingebüßt hatte. Die zweite Frau war ihm völlig fremd, doch offenbar war sie unsicher und ängstlich und kein nennenswerter Gegner. Allerdings spielte das keine große Rolle, denn Armand alleine hätte schon genügt, um sich unterlegen zu fühlen.
Feindselig starrte er den großen Mann an, der sich einen Stuhl heranzog, ihn umdrehte, sich ihm gegenüber rittlings niederließ und die Arme auf der Lehne verschränkte.
"Wir sollten uns jetzt erst einmal alle beruhigen und dann vernünftig miteinander reden, Signore." begann Armand das Gespräch und nutzte bewusst die respektvolle Anrede, um Alessio ein wenig zu besänftigen. Anya erkannte allerdings schmunzelnd, dass er diesen Respekt mit seiner Art zu sitzen gleich wieder reduzierte. Sie griff nach einem Becher und dem Wasserkrug, füllte den Becher und reichte ihn Alessio, der skeptisch danach griff.
"Klares, reines Wasser. Etwas anderes haben wir leider nicht." meinte sie mit dem Anflug eines Lächelns und zog sich wieder neben Armand zurück. Armand wehrte ihr Angebot mit einem knappen Kopfschütteln ab und sah zu, wie Alessio sich mit einigen Schlucken erfrischte. Dann schnaufte er tief durch und starrte Armand feindselig an.
"Was glaubst du, nun gewonnen zu haben?" fragte er knapp. Armand zuckte mit den Schultern. Er erkannte die Jugend und Unerfahrenheit seines Gegenübers und fühlte sich allmählich sicherer. Wenn man anfing zu reden, war die akute Gefahr bereits vorbei und es gab eine gute Chance, in Verhandlungen zu treten. Das würde er nutzen, ohne zu wissen, was er herausschlagen konnte. Aber es gab viel zu besprechen und das würde er auch nutzen. Zumal er wusste, dass mit Enrico draußen ein besonnener Mann den Rest der Truppe im Zaum hielt.

1 Kommentar:

  1. "Niemand von uns will kämpfen oder sterben.".. Achso? Dann verpisst euch doch und nehmt euren wildgewordenen Juniorchef wieder mit!

    Das war brilliant und Maurice macht sich einmal mehr als Lebensretter unentbehrlich. Es ist einfach eine unglaubliche Loyalität, die dieser Mann da beweist.

    Das kann Armand ihm nie zurückzahlen.

    Doch was nun? Die Verhandlungen gestalten sich recht einfach. Es gibt zahlreiche Optionen. Und alle enden sie mit Tod und Verderben. Vor allm auch für Alessio.
    Von dieser Sekunde an, gibt es eigentlich kaum noch eine Möglichkeit für ihn, frei und unverletzt aus der Sache herauszukommen.

    Will er diesen Preis wirklich bezahlen?

    LG
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.