Donnerstag, 1. November 2012

Noctambule III: Angekommen

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Der junge Bauernsohn wusste nicht einmal mehr genau, ob er wirklich noch auf dem richtigen Weg war. In Gedanken war er wohl tausendmal die Beschreibung des Abbés durchgegangen, aber die vagen Worte klärten sich nicht wirklich. Zumindest die Richtung stimmte und auch die grobe Beschreibung des Weges konnte zutreffen. Dennoch war sich Yanis darüber im Klaren, dass wohl jeder Wanderweg durch das Gebirge ähnliche Szenarien bieten konnte. Doch das war ihm einerlei. Und wenn er gar mehrere Monate zu Fuß unterwegs sein würde, irgendwann hätte er sein Ziel erreicht und konnte sich ausruhen. Und bis dahin würde er einfach weiter gehen.


Yanis war bereits kaum noch wieder zu erkennen. Sein Gesicht war schmutzig und ausgemergelt wie der Rest seines Körpers, denn außer etwas inzwischen hartem Brot und geräuchertem Fleisch hatte er nicht mehr viel im Gepäck und um diese Jahreszeit gab der Wald wahrlich noch nicht viel an Früchten her außer einigen Bucheckern oder Kastanien und auch die waren hier oben in den Nadelwäldern natürlich nicht mehr zu finden.
Die Wanderung hatte Yanis‘ ohnehin schon mageren Körper dürr werden lassen, aber sein verbissener Wille und etliche Gebete hielten ihn aufrecht.
Seine Kleidung war nicht nur schmutzig sondern an vielen Stellen inzwischen zerrissen oder löchrig durch Stürze oder dornenreiches Gestrüpp. In seinem jungen Gesicht spross ein flaumiger Bartansatz in der typischen Unregelmäßigkeit, die von der endenden Pubertät zeugte.
Dass er so ungepflegt war, wies er ohne Zaudern der Grausamkeit seiner Brüder zu, die ihn so brutal verstoßen hatten ohne ihm die Möglichkeit zu geben, Proviant, Geld, Wechselkleidung und Seife mitzunehmen. Einzig seine festen Schuhe hielten bisher und zeigten keinerlei Schwäche.
Doch war er froh, sich unterwegs einen dicken Umhang mit Kapuze gestohlen zu haben, den er nun enger um sich zog. Ein kühler Wind war aufgekommen und in der Ferne hörte er das Grollen eines Gewitters, von dem er hoffte, dass es von ihm fortziehen würde. Gerade waren seine Kleider vom letzten Regenguss wieder getrocknet und er hatte aufgehört, erbärmlich zu frieren, nachdem die Kleidung ihn wieder wärmen konnte. Yanis spürte jeden einzelnen Muskel in seinem dünnen Körper und die Armbrust auf seinem Rücken hatte längst seine Schultern wund gerieben.
Da er in Gedanken versunken vor sich hin stapfte, entging ihm die Veränderung der Natur, bis sich vor ihm eine Schlucht öffnete, in der kaum noch Vegetation zu sehen war. Steil und eng ragten die schroffen Felswände zu beiden Seiten auf und trugen das Grollen des Donners lauter denn je zu ihm heran. Jetzt, nachdem der Wald sich zurückgezogen hatte, konnte Yanis erkennen, dass das Gewitter genau auf ihn zukam und dass aus dem fernen Wetterleuchten bereits klare Blitze geworden waren, die in unregelmäßigen Abständen über den Himmel zuckten.
Müde und erschöpft gönnte er sich eine kurze Pause und stützte sich schwer auf seinen Wanderstab. Die Augen zu Schlitzen verengt, betrachtete er die Schlucht und suchte nach der Weiterführung des Pfades. Der Wind schien durch die Schlucht deutlich stärker hindurch zu fegen, als er ihn im Wald wahrgenommen hatte und verursachte immer wieder ein gespenstisches Pfeifen.
Irgendwo in der Ferne hoben einige Wölfe ihr melancholisch anmutendes Geheul an, das sich mehrfach an den Wänden der Schlucht brach. Yanis' Augen hatten sich längst an die Dunkelheit im Wald gewöhnt und wurden nun von den Blitzen geblendet. Als er das Gesicht zum Himmel hob, trafen die ersten Regentropfen mit erschreckender Kälte sein Gesicht. Seufzend erwog Yanis, das Gewitter im Schutz des Waldes abzuwarten, als er im letzten Moment etwas entdeckte, was sein Herz höher schlagen ließ. Konzentriert wandte er sich wieder der Schlucht zu und starrte auf das gegenüberliegende obere Ende der schmalen Passage.
Im aufzuckenden Licht der Blitze erkannte Yanis zwei hohe Türme, die mit wehrhaft dicken Mauern verbunden waren. Ein seliges Lächeln huschte über das Gesicht des jungen Mannes, als er fast unbewusst einen Fuß vor den anderen zu setzen begann. Dort war es, genau den Beschreibungen des Abbé entsprechend, das Kloster mitten in den Bergen und nur schwer zu Fuß erreichbar.
Wie zur Begrüßung erfasste der stürmische Wind nun die Glocke in einem der Türme und brachte sie zum Klingen. Hell, lockend und mit mehrfachem Echo rollte der Klang auf Yanis zu und forderte ein neues Lächeln in seinem Gesicht heraus. Doch Yanis' Augen blieben kalt und ohne Freude. Er hatte das Kloster gefunden. Hier würde er alles lernen können, was ihm in seinem Kampf gegen die Geister des Teufels helfen sollte. Regen, Blitz und Donner konnten ihm nun nichts mehr anhaben. Yanis war angekommen.

1 Kommentar:

  1. Der kleine Bastard hat es also tatsächlich gefunden!

    Der Abbe hätte nicht so präzise sein sollen :D

    Nun bin ich ja gespannt, was ihn drot erwartet. Ist dies tatsächlich die Schmiede der Vampirjäger? Und wenn dem so ist, warum ist noch nie eine Familie auf die Idee gekommen, dort in einem unachtsamen Augenblick mal mit 15 Mann einzufallen?
    Vielleicht wissen die Vampire einfach nicht davon... Sie sollten mal besser auf das hören, was die Menschen sich so zuflüstern.

    Inzwischen bin ich noch sicherer, dass wir Yanis in der Geschichte noch mal wiedersehen werden. Fragt sich, an welcher Stelle.

    LG
    Joe

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