Montag, 5. November 2012

Noctambule III: Schreie in der Nacht

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Die Minuten verstrichen, doch nichts geschah. Miriams heftiger, lauter Atem übertönte sogar das Prasseln des Kaminfeuers. Sergej glaubte, dass sie stärker zu schwitzen begann, doch sicher war er sich nicht. Dann plötzlich riss sie ihre Augen auf und starrte Sergej mit blankem Entsetzen an. Er wusste genau, dass sie in diesem Augenblick das Gefühl haben musste, als ob flüssige Lava durch ihre Adern floss.


Ihr Schrei ließ alle im Haus zusammenzucken und unruhig werden. Sogar Armand und Anya, die beide keine Erinnerung mehr an ihre eigene Verwandlung hatten, runzelten die Stirn und sahen sich zweifelnd an. Hatten sie denn wirklich das Selbe durchmachen müssen? Armand trommelte nervös mit den Fingern auf seinem Oberschenkel. Seine Gedanken wanderten zurück nach Kaffa wo Sergej vor mehreren hundert Jahren verzweifelt versucht hatte, eine jungen Frau namens Siri mit einer Verwandlung vor dem sicheren Tod zu retten. Damals hatte sein Freund sogar in Kauf genommen, selbst an der Pest zu erkranken, doch der Kampf war verloren gewesen. Armand war nicht sicher, ob er nun seinem Freund beistehen würde, wenn er bei ihm war oder lieber darauf warten sollte, dass er gerufen würde.
Als ob Anya diesen inneren Kampf bei ihm spürte, legte sie beruhigend ihre Hand auf seine Finger und lächelte ihn beruhigend an.
"Er wird dich rufen, Armand. Er sagte mir, dass ich ebenso geschrien habe." Armand nickte. Auch George hatte mächtig gelitten, doch das hatte ihn damals kaum berührt.
Sergej hielt Miriam unablässig fest, während ihr Körper sich krümmte und zuckte, sie sich aufbäumte und ihre Finger schmerzhaft in seine Muskeln grub. Stunden vergingen, in denen sie vor Erschöpfung einschlief und schreiend vor Schmerzen erwachte.
Den Tränen der Verzweiflung nah sah Sergej im Morgengrauen endlich Veränderungen. Miriams Blässe veränderte sich von dem krankhaften grau in Porzellanweiß, wobei die Ringe unter den Augen ebenso verschwanden wie die Blutergüsse und Schrammen, die Yanis ihr zugefügt hatte. Ober- und Unterkiefer veränderten sich kaum merklich, doch verliehen sie Miriam eine neue, schmalere Gesichtsform. Unter der Haut arbeiteten die Muskeln heftig, während sie sich veränderten, stärker und länger wurden.
Auch ihre Organe veränderten sich, neue entstanden in rasantem Tempo, verschoben die alten und bildeten neue Verbindungen zueinander und dem Gehirn. Irgendwann packten ihre Finger plötzlich den Ring, der auf ihren Schoß gefallen waren und hielten ihn mit unbewusster Kraft fest.
Miriam beruhigte sich deutlich und fiel in einen tiefen, erholsamen Schlaf. Sergej spürte jeden einzelnen Muskel schmerzhaft, doch er hielt sie weiterhin fest in seinen Armen und verweigerte jede Schlafattacke. Er konnte sich nicht satt sehen an der neuen Schönheit, die sie nun ausstrahlte.
Mit dem ersten Zwitschern der Vögel draußen am Ufer schlug Miriam die Augen auf und starrte Sergej fragend an, der vor Erleichterung tief aufseufzte. Miriams erste Bewegung war, die Hand zu heben und mit zitternden Fingern seine Wange zu berühren. In ihren Augen stand die Angst vor dem einsetzenden Schmerz bei der kleinsten Berührung der Finger, doch sie wich nun ungläubigem Staunen.
Sergej lächelte, griff nach dem schmalen Handgelenk seiner Frau und begann langsam den blutigen Verband zu lösen. Die Haut, die darunter zum Vorschein kam, war makellos glatt ohne eine Spur von Narben oder Kratzern. Sprachlos starrte Miriam ihr Handgelenk an und in ihren Augen begannen Tränen zu glitzern. Sergej strich über ihre Stirn und beugte sich über sie, um sie sanft zu küssen.
"Willkommen in meinem Leben, mein Engel." hauchte er glücklich.

1 Kommentar:

  1. Die Verwandlung war wohl offensichtlich grausam. Doch die Gewissheit, dass dies aus dem Gedächtnis gelöscht wird, macht es doch sehr erträglich.

    Nun hat Sergej also endlich wieder eine "gesunde" Miriam.

    Nun bin ich ja gespannt, wie sich die Kleine damit zurechtfindet, nun Teil dieser Welt zu sein. Ihr Leben war auch vorher schon massig auf den Kopf gestellt, insofern ist dies nur ein weiterer Umbruch.

    Jetzt also kann es nach dieser Nacht aufgehen zum Landgut von Miriam und sie können endlich versuchen ihr Leben wieder in den Griff zu ekommen und zu soetwas wie Normalität zurückzukehren, wenn man das von einer Gruppe um Vampire und ein junges Mädchen sowie einen Butler behaupten kann.

    Nur befürchte ich irgendwie immer noch, dass sowohl Yanis, als auch die Sanghieri da noch den ein und anderen Ärger verursachen werden.

    LG
    Joe

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