Dienstag, 27. November 2012

Noctambule III: Der Zettel

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Das Leben auf dem Land in luxuriöser Umgebung gefiel den vier Freunden mit jedem Tag besser. Maurice blühte auf, nachdem er sich endlich wieder wie ein Butler kleiden und benehmen durfte und sofort riss er das Zepter des Hauses an sich.

Die Köchin, die aus dem naheliegenden Dorf eingestellt worden war, wie es seit Jahrzehnten üblich war, wurde von ihm sofort in ihr Reich verwiesen mit dem Hinweis, dass sämtliche Einkäufe von ihm bereits vor dem Kauf abgesegnet werden mussten.
Jocelyn erhielt ebenfalls ihre Aufgaben.
Sie fungierte als Kammerzofe bei Anya und Miriam, was ihr einen enormen Spaß bereitete. Allerdings handelte es sich immer nur um das Ankleiden und Frisieren, das Ausziehen übernahmen Sergej und Armand und beide bestanden mit lüsternem Grinsen darauf, was Jocelyn mit einigem Schaudern und Kichern kommentierte.
Mit Erlaubnis von Miriam widmete sie sich erneut dem Fangen und Einlegen von Fischen, im Dorf wurden Unmengen von Essig und Kräutern gekauft, die es dort getrocknet zu ergattern gab, denn auf dem Gut wurden Dinge wie Kräutergärten oder Gemüsepflanzungen stark vernachlässigt.
Miriam erklärte Caspar dass sie nach dem schweren Schicksalsschlag und dem anschließenden Dreivierteljahr unter fremden Dächern nun einfach nur Erholung wünschte und weder Gäste einladen noch Besuche im Dorf abstatten wollte. Caspar hatte tiefstes Verständnis für ihre Sehnsucht nach Ruhe. Was ihn allerdings verblüffte war, dass sie niemals das Haus verlassen wollte. Mehrfach bot er ihr die Pferde auf dem Gut für Ausritte an, doch sie lehnte dankend ab und er entdeckte weder sie noch die Freunde oder ihren Gemahl im hinteren Garten.
Die Tage wurden länger und wärmer. Caspar war es gewohnt, dass in dieser Zeit die Damen mit kleinen Schirmchen durch die Gärten flanierten oder sich dort Tee servieren ließen. Er entdeckte die kleine Jocelyn öfter als die Herrschaften selbst und eine leise Frage, warum sich niemand blicken ließ, wurde mit einem gleichgültigen Schulterzucken kommentiert.
"Das sind alles Langeweiler! Gehen so gut wie nie aus! Was meinste, weswegen die so blass sind! Krieg ich jetzt bitte den Zucker?" Seine Rüge über ihre Redeweise nahm sie mit einem bezaubernden Lächeln und Augenaufschlag hin und so beließ er es dabei. Sie mochte Recht haben. In der Stadt herrschte das Nachtleben vor, Theater und Gesellschaften wurden bis in die tiefe Nacht ausgedehnt und die Tage oft bis weit in den Mittag hinein verschlafen. Caspar entschied für sich, dass die Herrschaften wohl Probleme damit hatten, sich umzustellen.
Sergej bat nach einiger Zeit den Verwalter und dessen Sohn zu sich in das Arbeitszimmer und ließ sich die Bücher zeigen. Über mehrere Stunden hinweg steckten die Männer die Köpfe zusammen und Sergej ließ sich die Wirtschaft des Gutes erklären. Caspar und auch sein Sohn waren hellauf begeistert von der Erfahrung und Klugheit des Hausherren. Sie respektierten sofort dessen Autorität und freuten sich sogar über sein Lob, was die genaue und ehrliche Buchführung betraf.
Dass Sergej offensichtlich nicht vor hatte, sich an Miriams Gut zu bereichern, sondern darauf bedacht war, ihr eine gute Apanage zu sichern, führte schließlich zu regelrechten Sympathieausbrüchen. Bald waren die Gespräche um neue Ideen erweitert und die Fragen Sergejs brachten Vater und Sohn auf revolutionäre Gedanken.
Da es ein Klavier im Haus gab, das der Comte damals unter großem Aufwand hatte herbringen lassen, nahm Anya ihre Übungen wieder auf. Und wieder verbrachte Armand viel Zeit damit, Anya beim Üben und Spielen zuzusehen, während dieses Mal sein Sohn in seinen Armen lag und schlief oder aber auf dem Schoß saß und spielte.
Am Liebsten war es Armand allerdings, wenn der Kleine schlief und er sich voll auf Anya konzentrieren konnte. Ihre blonden Haare hatten deutlich an Länge gewonnen. Zwar würde es noch sehr lange dauern, bis sie wieder ihre herrliche Fülle und Länge erreichen würden, die er so sehr geliebt hatte, doch auch jetzt schon umrahmten sie das Gesicht Anyas wie flüssiges Gold in der Abendsonne.
Miriam zuliebe hatten sie ihre Schlafgewohnheiten verändert und waren bereits am späten Nachmittag auf den Beinen. So begegneten sie hin und wieder dem Personal oder dem Verwalter und die Nächte nutzten sie, um in weiten Kreisen auf die Jagd zu gehen.
Armand und Anya suchten bei ihrer Jagd immer den Westen auf und schauten jedes Mal in der Mühle nach einer Nachricht.
Doch der Zettel, der an der Tür hing und dem Leser verkündete, dass die ehemaligen Bewohner auf eine Nachricht warteten, blieb unberührt. So verging Woche um Woche, in der Anya immer wieder von Alpträumen heimgesucht wurde, in denen sie Armand wieder im Keller des Sanghierihauses sah, schrecklich gefoltert und hilflos angekettet. Jedes Mal wurde sie von Armand sanft aus diesen Träumen geholt, indem er sie an sich zog, streichelte und beruhigend flüsterte.
Am Ende der sechsten Woche band sich Anya erneut den Trageschal um, setzte den inzwischen stark gewachsenen Raoul hinein und hauchte einen Kuss auf seine Stirn, bevor sie mit Armand in die Nacht hinaus huschte. Armand und Anya mussten sich bereits beim Tragen abwechseln. Anya, weil sie das Gewicht des Jungen inzwischen bei ihren schnellen Läufen durch die Nacht als anstrengend empfand, Armand weil Raoul nach einiger zeit lautstark krähend nach seiner Mutter verlangte. So legten sie hin und wieder eine kurze Rast ein.
Auch in dieser Nacht suchten sie die Mühle auf, doch nur, um dort den Tag zu verbringen und in der nächsten Nacht weiter zu ziehen. Sie wollten zu viele Todesfälle und Vermisstenanzeigen in der Umgebung vermeiden und mussten bereits Aix-en-Provence aufsuchen, denn dort in der Stadt fielen Vermisste lange nicht so stark auf wie auf dem Land.
Als sie sich der Mühle näherten, schlug Anyas Herz laut. Nicht nur, weil sie wieder einmal Angst vor einer Nachricht an der Tür hatte, sondern diesmal auch, weil sie mit Armand endlich mal wieder eine ungestörte Nacht verbringen konnte, alleine und ohne leise sein zu müssen. Sie verlangsamten ihr Tempo und Armand legte lächelnd seinen Arm um Anya, mit einem leisen Glitzern in den Augen zu ihr hinab sehend.
"Das wird ein langer Tag für dich, meine Kleine." raunte er in ihr Ohr. Wieder einmal spürte Anya die Gänsehaut, die seine dunkle Stimme bei ihr auslöste. Sie blickte zu ihm auf und nickte.
"Und für dich." erwiderte sie keck. Armand stieß ein kleines Lachen aus und stimmte ihr schmunzelnd zu. Als er seinen Blick zu der dunklen Silhouette der Mühle hob, stutzte er kurz. Doch Anya hatte es bemerkt und blickte ängstlich nach vorne. Undeutlich konnte sie in der Dunkelheit den hellen Fleck von Armands Nachricht an der Tür erkennen. Doch sie hätte schwören können, dass ein kleinerer Zettel daneben hing.

1 Kommentar:

  1. UFF... Sechs Wochen? Hatte es damals nicht geheißen, er solle sich 10 Tage in er Umgebung aufhalten?

    Da haben sich die Herrschaften Sanghieri aber mächtig Zeit gelassen. Und ich denke damit sollte Armands Wort auch nichtm ehr so bindend sein. Wenn die Sanghieri ihres nicht erfüllen steht er wohl auch nicht mehr im gleichen Maße in der Schuld.

    Nun bin ich aber gespannt, was da nun die Nachricht besagt. Irgendwie mag ich ja nicht glauben, dass das gute Nachrichten sind.

    Schön aber zu sehen, dass wenigstens Miriam und Sergej sich langsam wieder einleben. Er macht sich "beliebt" und so können sie dort auch ihre Eigenheiten ausleben.
    Sie können das wohl noch eine Weile strapazieren. Und danach einfach wieder sich dem JetSet zuwenden. :D Mal sehen, wann auffällt, dass Miriam nicht altert :D

    Liebe Grüße
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.