Sonntag, 11. November 2012

Noctambule III: Ich bin eine Mutter

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Anyas erster Gedanke war: nicht schon wieder! Ihr Blickwechsel mit Miriam bestätigte ihr, dass diese genau das gleiche dachte und sich mit Schaudern an den letzten unerwünschten Besuch von Vampiren erinnerte. Auch Sergej erhob sich und lockerte mit einer kurzen Bewegung seine Schultern.
"Wisst ihr, wer?" fragte Anya bang.
"Ich erkenne den einen. Wie hieß er noch?" Armand warf einen fragenden Blick zu Sergej, der erst nickte und dann mit den Schultern zuckte.


"Du meinst den Kerl, den Fabrizio dabei hatte und der uns geholfen hat?" Armand nickte und schaute lauschend auf die vordere Fensterfront. Maurice stand nun hastig auf und begann, den Tisch abzuräumen, was bei Jocelyn einen verständnislosen Blick auslöste. Er bemerkte den Blick und murmelte entschuldigend:
"Man empfängt Gäste nicht in unaufgeräumten Räumen." Jocelyn wollte gerade aufstehen und Maurice helfen, doch Anya hatte genug gehört und kombiniert, dass dort Männer der Sanghieri anrückten. Sie hielt Jocelyn auf und drückte ihr Raoul in den Arm.
"Jocelyn und Maurice! Geht mit Raoul in die Abstellkammer, verriegelt von innen und kommt nicht heraus, bevor Armand oder ich euch rufen!" befahl sie und bezog Maurice mit Blicken in den Befehl ein. Der Butler zögerte kurz, stellte dann aber die Teller wieder zurück auf den Tisch, um Jocelyn zu folgen, die stumm genickt hatte und nun schon das Wohnzimmer verließ. Sergej blickte nun zu Miriam und Anya, ein tiefes Seufzen ausstoßend.
"Ihr beide haltet euch im Hintergrund, habt ihr verstanden? Frauen tun sie nichts, sofern sie ein wenig Anstand haben und ihr würdet uns nur im Kampf stören." Anya schob trotzig das Kinn vor, doch nun wandte auch Armand den Kopf und blickte mahnend zu ihr herunter.
"Aber wir sind genauso ausgestoßen wie ihr!" widersprach Miriam nun trotzig. Anya hielt Armands Blick nur kurz stand, dann senkte sie den Kopf leicht und murmelte:
"Er hat Recht, Miriam. Sie dürfen nicht noch das Gefühl haben, sich auch noch um uns kümmern zu müssen." stieß sie gepresst aus. Miriam drängte sich unruhig an Sergej.
"Aber ich habe Angst um dich, Sergej!" stieß sie mit hoher, kläglicher Stimme aus. Sergej schaute zu ihr herunter und tätschelte lächelnd ihren Arm.
"Das musst du nicht. Sorg nur einfach dafür, dass ich keine Angst um dich haben muss, ja?" Miriam blieb an ihn gedrängt, als würde sie fest an ihm kleben und atmete keuchend aus. Sie spürte die Gegenwart der anderen ebenso deutlich wie die beiden Männer und ihr war klar, dass dort draußen eine Überzahl stand, denen keiner von ihnen gewachsen war.
Armand schnaufte tief und starrte seinen Freund lange an, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Ihm war anzusehen, dass seine Gedanken rasten. Dieses Mal gab es keinen Erdstall, auch wenn er jetzt sofort mit Anya und Miriam mitgegangen wäre, getreu seinem Schwur, den er feierlich abgelegt hatte. Doch nun saßen sie fest, einer Überzahl ausgesetzt, der sie nichts entgegenzusetzen hatten.
Für Armand stand fest, dass Anya und Raoul unbedingt geschützt werden mussten. Sogar Sergej und Miriam standen hinter seiner Familie zurück, von Maurice und Jocelyn ganz zu schweigen, die er zwar schätzte, aber ohne nachzudenken hergegeben hätte. Aber auch Sergej wirkte mehr als ratlos. Auch wenn er sein Leben für Miriam hergegeben hätte, so war die Überzahl so groß, dass der Rest von denen, die Armand und Sergej mitnehmen würden, noch immer eine Gefahr für die Frauen darstellten.
"Werden wir denn nie Ruhe vor denen haben?" fragte er seufzend. Armand schüttelte kaum merklich den Kopf. Seine Kiefermuskeln arbeiteten heftig, was seine innere Anspannung widerspiegelte. Da er Anyas besorgten Blick zu spüren schien, wandte er den Kopf zu ihr und blickte sie mit tiefer Unruhe an. Vor wenigen Minuten noch schien das friedliche Leben zum Greifen nah zu sein. Jetzt ging es bereits wieder um Leben und Tod. Erst vor wenigen Monaten hatte er sich so unendlich hilflos gefühlt und auch damals waren die Sanghieri die Auslöser gewesen. Eine Stimme durchschnitt die Stille und sie klang dumpf von draußen herein.
"Armand Sartous! Wir wissen, dass du da bist! Du, deine Frau und das Kind! Komm heraus, bevor wir hinein kommen müssen!" Armand bewegte keinen Muskel seines Körpers, doch seine Miene wurde noch angespannter.
"Wie haben die uns gefunden?" hauchte Anya verstört. Die Antwort wusste Sergej.
"Raoul hat sie hergeführt." erklärte er trocken. Sowohl Anya als auch Armand mussten kurz überlegen, bevor ihnen einfiel, dass der kleine Junge ganz unbeschwert seine Fähigkeiten entdeckt und ausprobiert hatte. Niemand der Freunde war auf die Idee gekommen, dass er damit Feinde anlocken konnte. Doch nun war es zu spät. Armand war gerufen worden und wie Anya ihn kannte, würde er hinaus gehen. Sie musste das unbedingt verhindern. Zaghaft machte sie einen Schritt vor ihn und berührte vorsichtig seine Finger mit ihren.
"Lass mich hinaus gehen, Armand. Mir werden sie nichts tun! Ich bin eine Mutter."

1 Kommentar:

  1. Ich hoffe nur, dass sie sich da nicht täuscht.

    Über die Feindseligkeit der Sanhieri besteht jetzt bereits kein Zweifel mehr. Ich bin aber wirlich gespannt, wie das ausgeht.

    Es scheint irgendwie unmöglich, dass sie alle entkommen. Und ich frage mich verzweifelt, wer auf der Strecke bleiben wird.
    Sergej ist treu, hoffe ich, auch wenn ihm gerade klar werden könnte, dass man weder Miriam noch ihn gerufen hat.

    Alessio geht es um Armand und Anya. Oder vermutlich noch viel mehr um Raoul.

    Wo das nun wieder hinführt...?

    LG
    Joe

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