Donnerstag, 8. November 2012

Noctambule III: Ein Platz in der Sonne

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Ihre schwitzenden Leiber schmiegten sich aneinander, noch immer atemlos und besonders Anya heftig bebend. Sie lag ausgestreckt auf dem nackten Körper Armands, völlig erschöpft und bis in die letzte Faser ihrer Muskeln befriedigt. Noch immer bebte der letzte Orgasmus in ihr und versetzte ihr kleine, wohlige Schauer, die sie direkt auf Armand übertrug. Er hatte seine langen Arme fest um sie geschlungen und ließ ihr gerne Zeit, sich zu beruhigen. Im Gegenteil, er genoss ihre Erschöpfung sogar und fühlte sich einmal mehr darin bestätigt, dass er durchaus in der Lage war, Anya genau das zu geben, was sie brauchte, begehrte und glücklich machte.


Er hatte die Augen geschlossen und ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen, während seine Finger unsichtbare Muster auf ihren Rücken malten und kleine, wohlige Schauer bei ihr auslösten.
"Es wird Zeit, dass wir mal wieder ganz unter uns sind." murmelte er schließlich gedankenverloren. Anya stieß ein lautloses Lachen aus, das er mehr spürte als hörte und er musste grinsen.
"Das wird uns für viele Jahre nicht mehr gelingen, denn Raoul ist ja da." erwiderte sie dumpf. Ihr Atem strich bei ihren Worten über seine Haut und weckte eine kleine Gänsehaut, die ihn zum Schmunzeln brachte. Er antwortete nur mit einem Nicken, das Anya nicht mitbekam, weil sie ihren Kopf zur Seite gedreht hatte und mit tiefen Atemzügen versuchte, ihren Körper zur Ruhe zu bringen. Armand streichelte sie geduldig weiter in der Hoffnung, dass sie nun einschlafen konnte.
Er hatte nie wieder mit ihr über die Suche nach Raoul gesprochen, doch seine Beobachtungsgabe war ungetrübt. Er ahnte, dass sie sich bittere Vorwürfe machte und hatte selbst eine Weile mit sich kämpfen müssen, um sie nicht zu verurteilen. Im Grunde war alles eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen.
Anya hatte Raoul auf der Jagd nicht gebrauchen können und sich auf Miriam verlassen. Miriam hingegen war alles andere als leichtsinnig und war unglücklich gestürzt. Anya hatte zudem noch das Problem, dass ihre Fähigkeit der Wahrnehmung mehr als getrübt war. Nach den Vorwürfen gegen Anya kamen wesentlich massiver die Vorwürfe gegen sich selbst. Er hatte Anya in diese Situation gebracht und war nicht in der Lage gewesen, sie und das Kind zu beschützen. Inzwischen dachte er gar nicht mehr über den Vorfall nach, denn Raoul war unbeschadet zurück und mit seiner Mutter in Sicherheit.
Armand richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Anya, deren leichter Körper noch immer auf ihm lag und spürbar entspannter war. Lächelnd lauschte er ihren tiefen Atemzügen und legte seine große Hand sacht auf ihren Kopf. Sie war tief und fest eingeschlafen. In Armand wechselte sich tiefes Glück mit heftigem Stolz ab. Diese kleine Frau hatte seinem Leben einen völlig neuen Sinn gegeben. Er haderte beinahe mit dem Schicksal, erst jetzt zu ihr gefunden zu haben, war aber gleichzeitig unendlich dankbar darüber, sie überhaupt kennengelernt zu haben.
Seine Augen wurden über diesen Gedanken schwer und schlossen sich langsam. Der Tag war noch jung und es war noch reichlich Zeit für einen gesunden Schlaf. Lächelnd ließ er alle Gedanken los und glitt in die schwerelose Leichtigkeit des Schlafs hinüber.

Die klare, völlig unbekannte und massive Präsenz traf Armand wie ein Hieb in den Magen. Er zuckte heftig zusammen und schoss in die Höhe, wobei Anya mit einem erschreckten Laut von ihm herunter aus dem Bett fiel, aber sofort auf den Füßen war. Nackt und hoch alarmiert standen beide in dem abgedunkelten Raum, Anya mit fragendem, beunruhigtem Blick, Armand mit lauschend geneigtem Kopf. Anya wagte nicht zu fragen, was geschehen war und versuchte die Antwort aus seinem Gesicht abzulesen. Einmal mehr verfluchte sie ihre Unfähigkeit, die vampirischen Fähigkeiten nutzen zu können.
Armands Gesicht wechselte von tiefer Konzentration und Wachsamkeit in verblüfftes Erstaunen und sein Blick wurde suchend. Anya durchfuhr der Schock wie glühende Lava.
"Raoul!" zischte sie, fuhr herum und sprang mit einem federnden Satz über das Bett quer durch das Zimmer zur Tür. Die Tür flog halb aus den Angeln, als sie von der kleinen Frau aufgestoßen wurde, die gerade keinerlei Sinn für sparsamen Krafteinsatz hatte.
"Jocelyn!" Ihr Ruf verhallte ungehört, doch Anya rannte im Höchsttempo durch das kleine Haus, wobei sie Sergej über den Haufen rannte, der verwirrt aus seinem Zimmer kam. Sekunden später war ihr klar, dass weder Jocelyn noch Raoul innerhalb der schützenden Mauern waren. Hastig riss sie den Vorhang des Wohnzimmers zur Seite und prallte zurück, weil das helle Licht der Sonne blendete. Zwar schien die Sonne nicht ins Fenster, doch Anya hob den Arm vor das Gesicht, um besser hinaus sehen zu können.
"Spürst du das auch?" raunte Sergej irritiert seinem Freund zu, erntete jedoch nur ein knappes Nicken von Armand, der Anya gefolgt war und sie nun nicht aus den Augen ließ. Da sie niemanden sehen konnte, lief sie in Jocelyns kleine Kammer, deren Fenster zur Flussseite zeigte.
Schon als sie das Zimmer betrat, stöhnte sie auf, denn die tiefe Frühlingssonne schien direkt durch das offene Fenster und warf helle Lichtstreifen auf den Boden. Anya ließ sich davon nicht abschrecken, denn sie hörte Jocelyns Stimme leise vom Ufer heraufhallen. Den Arm erneut abschirmend über das Gesicht haltend beugte sie sich aus dem Fenster, sofort das Brennen der Sonne auf der Haut spürend. Was sie sah, ließ sie erstarren. Jocelyn hängte singend Wäsche auf eine Leine, die sie in der wärmenden Sonne zwischen zwei Bäumen gespannt hatte. Hinter ihr auf dem Boden saß der kleine Raoul und spielte mit einem Stock. Zu Anyas größtem Entsetzen saß er mitten in der Sonne.

1 Kommentar:

  1. Er sitzt?

    Er ist gerade ein paar Wochen alt! Es geht wirklich rasend schnll mit den Vampiren. Scheinbar hat die Natur die Phase der Hilflosigkeit auf wenige Monate verkürzt, bevor ein Vampirbaby wehrhaft wird.

    Doch was bedeutet das nun?

    Armand nimmt also eine neue Präsenz wahr. Ich denke die Sanghieri hätte er erkennen müssen. Also haben sich wohl Raouls Fähigkeiten eingeschaltet. Und warum ist diese Präsenz so wuchtig, dass er Armand aus dem Bett geschmissen bekommt? Müsste es nicht erstmal ein zartes leises Stimmchen sein?

    Und Jocelyn hat nichts weiter gemacht, als was sie gewohnt ist. Sie geht mit dem Kind nach draußen. Wieso auch nicht. Sicherlich war das erst mal völlig gedankenlos.
    Doch Raoul müsste doch die gleichen Schmerzen fühlen, wie andere Vampire auch. Und es müsste sich auch körperlich äußern. Ich denke nicht, dass er das ohne Geschrei hinnehmen würde.

    Sollte Raoul also ein Daywalker sein?

    Das würde den Vampiren um Armand aber ganz ungeahnte Vorteile verschaffen.

    LG
    Joe

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