Freitag, 9. November 2012

Noctambule III: Wir haben ihn!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

"Jocelyn!!" Anyas entsetzter Schrei hallte über den Fluss und erschreckte das junge Mädchen zutiefst. Sie drehte sich zum Haus um und sah die nackte Anya, die bereits ein Bein auf dem Fenstersims stehen hatte und nun von dem ebenso nackten Armand zurückgerissen wurde. Ihre zum Winken erhobene Hand erstarrte mitten in der Bewegung. Verwirrt blickte sie auf die Szene ohne zu verstehen, was Anya so entsetzte, dass sie sich nun sogar gegen den Griff Armands zur Wehr setzte.


Dass etwas geschehen sein musste, lag auf der Hand, doch die Szene der sich wehrenden Anya, die immer noch aus dem Fenster springen wollte, machte Jocelyn unsicher. Als sie das sich rötende Gesicht Anyas in der Sonne und den Unterarm sah, der bereits heftige Verbrennungen aufwies, zuckte sie zusammen und fuhr zu Raoul herum, der im Spiel zur Seite gefallen war und nun verzweifelt wieder versuchte, sich aufzusetzen. Die Erkenntnis traf Jocelyn wie ein Blitzschlag. Keiner der Vampire konnte dem Sonnenlicht ausgesetzt sein, ohne sich Schmerzen zuzufügen. Nur der kleine Raoul reagierte überhaupt nicht auf das Tageslicht!
Das Mädchen ließ die nasse Wäsche in ihren Händen einfach fallen, schnappte den kleinen Jungen und rannte zum Haus zurück. Der Kleine genoss den Lauf Jocelyns und stieß ein freudiges Glucksen aus, während das Mädchen das Haus umrundete und zur Tür rannte, die nun schon von Miriam aufgerissen wurde. Jocelyn hatte das Haus kaum betreten, als Anya bereits vor ihr stand und ihr das Baby aus dem Arm riss.
"Es tut mir leid.." stammelte Jocelyn mit flehendem Blick zu Armand, der sie kurz betrachtete und sich dann über das Kind beugte, um es zu untersuchen, soweit Anya das zuließ, denn sie strich immer wieder prüfend über die glatte, weiche Kinderhaut. In dem ganzen Trubel bemerkte kaum einer Maurice, der von seiner Übungsfahrt zurückgekehrt war und nun höchst verblüfft in der geöffneten Tür stand, die nackte Anya gewahrte und mit tiefrotem Gesicht sofort die Flucht ergriff. Jocelyn, auf der Suche nach Verständnis, wandte sich Sergej zu.
"Ich weiß, ich hätte mit ihm nicht raus gehen sollen. Aber er.. er hat überhaupt nicht reagiert. Deswegen habe ich gar nicht daran gedacht! Ehrlich, ich wollte das nicht! Geht es ihm gut?!" Armand wandte sich nun wieder zu ihr zu und schaute auf sie hinunter. Jocelyn war atemlos und besorgt, doch nun wurde sie knallrot und wusste nicht, wohin sie sehen sollte. Zwar hatte sie in ihrem jungen Leben schon viel zu oft nackte Männer gesehen, doch noch niemals Armand. Seine Körpergröße dominierte den Raum bereits in angekleidetem Zustand. Doch nun zwangen sowohl seine Nacktheit als auch die perfekt definierten Muskeln Jocelyn immer wieder, ihn anzustarren.

Miriam schien die einzige zu sein, der die Verlegenheit des Mädchens auffiel. Hastig lief sie in das Zimmer Armands und brachte beide Umhänge mit, von denen sie einen Armand reichte und den anderen um Anya legte, die sich überhaupt nicht darum kümmerte sondern völlig konzentriert immer noch ihren Sohn untersuchte. Armand grinste Miriam dankend an, schlang sich den Umhang um die Hüften und senkte seinen Blick wieder auf Jocelyn.
"Ich weiß, dass du ihm nicht schaden wolltest." meinte er ruhig. Das Mädchen nickte eifrig.
"Bestimmt nicht! Ich hab ihn doch lieb! Ich bin einfach mit ihm raus gegangen. Wie früher mit meiner kleinen Schwester!" bestätigte sie ihm hastig und bemerkte erleichtert, dass er nickte, als habe sie ihm nur seine Vermutung noch einmal bestätigt. Nun legte er kurz tröstend die Hand auf ihre Schulter und drehte schließlich den Kopf zu Miriam, die Jocelyn hungrig anstarrte.
"Miriam, reiß dich zusammen!" befahl er und riss Miriam aus ihrem beginnenden Jagdtrieb. Verlegen räusperte sie sich und wandte sich etwas von Jocelyn ab.
"Entschuldige.." murmelte sie und flüchtete in Sergejs Arm. In dem ganzen Durcheinander hatte sich Anya von der Gruppe entfernt und auf dem Sofa nieder gelassen. Raoul saß auf ihrem Schoß und kuschelte sich an den Körper seiner Mutter. Als Armand sich neben Anya setzte und ihr gerötetes Gesicht betrachtete, schaute sie mit entschuldigendem Blick zu ihm auf.
"Verzeih bitte. Ich bin so schrecklich erschrocken." hauchte sie. Armand lächelte nur und nickte wieder. Er wusste, dass sie mit ihrer Entschuldigung auf ihre wütende Gegenwehr anspielte, doch das hatte er bereits als unwichtig abgehakt. Lächelnd deutete er auf seinen Sohn.
"Er kann sitzen, siehst du?" verkündete er stolz. Anya nickte lächelnd und strich ihrem Sohn über die blonden Haare. "Ja. Und ihn stört die Sonne nicht. Schau, er hat nicht eine einzige Verbrennung! Wie kann das sein?" Beide hoben fragend den Blick zu Sergej, der nun ratlos die Arme ausbreitete.
"Was seht ihr mich so an? Woher soll ich das wissen? Ist euch vielleicht auch aufgefallen, dass dieser winzige Wichtel auf Anyas Schoss bereits jetzt schon seine mentalen Kräfte benutzt? Der Bengel hat mich geweckt!"
"Mich auch." bestätigte Armand und zog Raoul auf seinen Schoß, weil der Kleine verlangend die Arme nach seinem Vater ausgestreckt hatte. Hatte das Kind eben noch auf Anya recht kräftig und groß ausgesehen, so wirkte er nun winzig klein in den Armen seines Vaters, der ihn vorsichtig festhielt als habe er Angst, ihn zu zerbrechen.
"Hast du schon einmal davon gehört, dass einer von uns kein Problem mit dem Tageslicht hat?" fragte Armand seinen Freund nun, doch dieser schüttelte nur den Kopf.
"Noch nie. Ich habe keine Ahnung, was das ist. Aber irgendwie habt ihr da ein ganz besonderes Kind gezeugt, glaube ich." meinte Sergej nun und betrachtete den Jungen.
"Nicht nur, dass er sich enorm schnell entwickelt, ich glaube, da warten noch einige Überraschungen auf euch. Und ich muss zugeben, was seine Resistenz gegen Tageslicht betrifft, bin ich ein wenig neidisch." erklärte er grinsend. Jetzt, nachdem der Schreck abgeklungen war, konnte auch Anya wieder lachen. Die entspannte Stimmung schien Raoul zu gefallen. Er stieß ein helles Lachen aus und überflutete die Anwesenden mit brachialer Kraft seiner mentalen Fähigkeiten.
Eine halbe Tagesreise entfernt hob Alssio Sanghieri, der seine suchenden Kreise immer weiter zog, lauschend den Kopf und ein kleines, grimmiges Lächeln huschte über sein Gesicht.
"Habt ihr diese Kraft gespürt? Kein anderer hat so eine Reichweite! Jetzt haben wir ihn." murmelte er triumphierend.

1 Kommentar:

  1. 'Kein Anderer'?? Was soll das denn heißen?

    Also hat er doch etwas gewusst, was mit dem Kind sein würde!

    Nun also können Sie sich auf der Flucht nicht mehr verstecken, solange sie das Baby mitnehmen.
    Er leuchtet wie eine Fackel im mentalen Raum, ach wie ein Leuchtturm!

    Sollte die junge Familie das alles überleben, so stelle ich mir amüsant vor, wie man so einen Bengel erzieht, der sich durch ein paar Schritte vor die Tür dem elterlichen Zugriff entziehen kann.

    Aber da kommt ja noch einiges. Und irgendwie hoffe ich, dass der Kleine schnell noch sehr viel mehr Fähigkeiten entwickelt, die seine Eltern schützen können. Sie werden es brauchen!

    LG
    Joe

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