Samstag, 10. November 2012

Noctambule III: Familienleben

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Anyas Verbrennungen waren längst verheilt und auch Jocelyn hatte schnell ihren Schock verarbeitet. Die stolzen Eltern des kleinen Raoul konzentrierten sich nun darauf, die täglichen Fortschritte ihres Sohnes zu beobachten. Raoul veränderte sich mit jedem Tag ein bisschen weiter.

Seine blonden Haare schimmerten wie die seiner Mutter und die blauen Augen blickten klar, neugierig und offen in die Welt. Nachdem er selbst begriffen hatte, dass er seine Umgebung auf ganz neue Weise wahrnehmen konnte, suchte er immer wieder die Verbindung zu seinen Eltern, Miriam und Sergej, die stets lachend und stolz auf ihn reagierten und ihn so spielerisch motivierten, seine Wahrnehmungen zu schärfen, bis er endlich in einen tiefen, seligen Schlaf fiel und seiner Familie die ersehnte Ruhe ließ.
Am frühen Abend allerdings quälte sich Anya erneut aus dem Bett, um ihren Sohn zu stillen, was auch Armand weckte. Er konnte sich nicht satt sehen an dem innigen Bild zwischen Mutter und Kind. Jedes Mal saß er still gegenüber von Anya und genoss den Stolz, der ihn bei diesem Anblick überflutete.
Wie in einem Haushalt einer menschlichen Familie begann nun auch in diesem Haus plötzlichen Leben zu erwachen. Der Duft von gebratenem Fisch zog sich durch das Haus und verkündete die Essenszeit von Jocelyn und Maurice. Nebenan regten sich Sergej und Miriam, die erwachten und offensichtlich den einzigen Menschen im Haus Gesellschaft leisteten, denn bald war Lachen und das Klappern von Geschirr zu hören.
Nachdem Raoul satt war und Anya sich anschickte, ihn zu waschen und anzuziehen, verließ Armand fluchtartig den Raum, bevor die junge Mutter ihn vielleicht noch mit der Aufgabe des Wickelns beauftragen konnte. Er gesellte sich zu den anderen und schenkte sich einen Becher Wasser ein, bevor er sich am Tisch niederließ, die Beine ausstreckte und versuchte, in das vorherrschende Thema hineinzukommen.
Kurze Zeit später erschien auch Anya mit Raoul auf dem Arm, der aufstrahlte, als er die anderen sah und einfach die Arme ohne erkennbare Richtung ausstreckte. Miriam erwiderte seine Bewegung lächelnd und nahm den Kleinen freudig in Empfang, während Anya sich ebenfalls niederließ.
"Worüber sprecht ihr?" verlangte sie zu wissen und naschte ein Stück Fisch von Jocelyns Teller. Maurice hätte sie niemals gewagt, etwas zu Essen zu stehlen. Zudem war er bereits fertig mit Essen, legte sein Besteck ordentlich auf den Teller und blieb stocksteif sitzen, obwohl sowohl Armand als auch Sergej sich respektlos mit ausgestreckten Beinen auf den Stühlen lümmelten. Irgendwie flößte Maurice mit seiner stets korrekten Art Anya noch immer Respekt ein, wobei sie einfach nur übersah, dass Maurice nur deshalb so steif war, weil er sich noch immer nicht daran gewöhnt hatte, mit seiner Herrschaft an einem Tisch zu sitzen und ihnen noch dazu etwas vorzuessen.
"Über mein Landgut. Ich möchte bald dort hin und endlich ein wenig zur Ruhe kommen." erklärte Miriam, was Anya den Kopf fragend heben ließ.
"Was meinst du damit, zur Ruhe zu kommen?" fragte sie und löste Jocelyns Gabel aus den unkontrollierten Fäusten ihres Sohnes.
"Naja, wir haben irgendwie so lange schon kein Zuhause. Ich würde es schön finden, wenn wir uns dort sesshaft machen können, endlich einrichten, vernünftig wohnen.. " Miriams Stimme endete ein wenig lahm, doch Sergej grinste sie an und schlug ein Bein über das andere.
"Ich habe eine sehr häusliche Frau geheiratet. Sie mag das Nomadenleben nicht, scheint es." stichelte er amüsiert. Anya und Armand wechselten Blicke miteinander, doch Armand schien hierzu nichts sagen zu wollen.
"Wieviele Menschen leben dort?" fragte sie daher, ihre Neugier nicht zügelnd. Miriam zuckte mit den Schultern.
"Genau weiß ich das nicht. Auf jeden Fall der Verwalter mit seiner Familie. Ich glaube, er hat zwei Söhne, die mitarbeiten. Vielleicht noch ein wenig Hauspersonal. Mein Vater legte immer großen Wert darauf, jederzeit dort hinfahren zu können und einen ordentlichen Haushalt vorzufinden." erklärte sie. "Ist das wichtig?" Armand nickte und hörte auf, mit seinem Becher zu spielen, indem er ihn zwischen den Fingern drehte.
"Ein wenig schon, Miriam. Bedenke bitte, dass wir in einer großen Kutsche anreisen werden. Man wird sich über unsere Erscheinungen wundern. Auf dem Land fällt unsere – und nun auch deine – Blässe deutlich mehr auf, als in der Stadt. Bei zu vielen Menschen kann das zu Misstrauen und schließlich Panik führen. Die Landleute sind sehr abergläubisch, weißt du. Wie willst du zum Beispiel erklären, dass du tagsüber nicht zu sehen sein wirst, dass die Vorhänge zugezogen sein müssen und dass du wenig Interesse an gutem Essen aus den Händen eines eifrigen Kochs zeigst?" fragte er ruhig. Stille legte sich über den Tisch, doch Sergej setzte noch einen drauf:
"Und wie willst du dich ernähren? Bald hätten wir die ganze Umgebung ausgerottet, müssten immer größere Kreise ziehen." stellte er fest. Miriam senkte nachdenklich den Kopf.
"Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht." gestand sie leise. Eine Weile schien jeder nachzudenken.
"Wir sollten auf jeden Fall dort auftauchen, damit Miriam sich zeigt, Anweisungen erteilen und einige Tage dort umsehen kann. Dann können wir uns ein Bild von der Lage dort machen und entsprechend weiter planen." unterbrach Sergej die Stille. Miriam zeigte Freude und Erleichterung über seine Meinung und ließ zu, dass Raoul schmerzhaft fest an ihren langen, offenen Haaren zerrte.
"Nun, wir können euch gern begleiten, aber ich denke, wir werden bald weiterziehen Richtung Norden und unsere alten Pläne wieder aufnehmen." meine Armand und lächelte Anya mit einem Zwinkern zu. Sie erwiderte sein Lächeln verliebt und wandte sich dann ihrem Sohn zu, der offenbar die Absicht hatte, Miriam ganze Strähnen auszureißen.
"Kann ich verstehen. Wir sollten einfach einen Treffpunkt in einigen Jahren abmachen." stimmte Sergej zu. Armand grinste und zeigte offen seine Zähne.
"Wie immer." erklärte er und erntete ein zustimmendes Grinsen von seinem Freund. Doch dann stockte das Lächeln, die Augen Sergejs wurden lauernd und auch Armand hob lauschend den Kopf. Einmal mehr fühlte sich Anya ausgeschlossen, noch verstärkter als sonst, da auch Miriam den Kopf hob.
"Was ist?" fragte sie unruhig. Armand blickte in die Runde und erhob sich langsam mit geschmeidigen Bewegungen.
"Wir bekommen Besuch." erklärte er ruhig

1 Kommentar:

  1. Wer wird das sein? Die Sanghieri...

    Sie haben also die halbe Tagesreise überwunden und das gerade gestaltete Idyll könnte schon bald ein Schlachtfeld werden.

    Was haben die Sanghieri nun vor? Was ist es, dass sie wirklich wollen? Ich bleibe bei meiner Vermutung, dass da noch irgendetwas mehr im Busch ist, als sich bisher offenbart hat.

    Was mich etwasw irritiert ist Armands Ruhe. Sollte er nicht ein klein wenig aufgeregt sein, wenn die schon wieder ankomen? Oder setzt er auf den geschlossenen Frieden? Er weiß ja noch gar nichts von den neuen Schlachtplänen.

    Aber bald sollte er sie wohl kennenlernen, wenn die Sanghieri näher kommen.
    Haben die sich eigentlich schon voll gesammelt? Oder sind sie erst in Teilen angerückt? Vier gegen 15 wäre eine ziemlich aussichtslose Situation. Selbst mit der Überlegenheit, ein Haus zur Verteidigung zu haben.

    BTW: Lustig, dass Armand sich ums Wickeln drückt :D

    LG
    Joe

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