Samstag, 24. November 2012

Noctambule III: Für eine Weile

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

In dieser Nacht trennten sich die Wege der Freunde. Anya legte Raoul in den Trageschal und verließ mit Armand gemeinsam die Mühle Richtung Westen, um dort zu jagen. Miriam huschte mit Sergej nach Osten, um sich ihrem Gut zu nähern.

Es war eine milde Nacht und der gleichmäßige Dauerlauf der Beiden brachte sie nach der halben Nacht bereits in die Nähe des Gutes. Sie hatten einkalkuliert, dass sie für den Tag einen Unterschlupf benötigten und fanden eine kleine Werkzeughütte, von der sie hofften, dass sie nicht ausgerechnet am kommenden Tag von den Feldarbeitern gebraucht werden würden.
Doch weder Sergej noch Miriam hielt es in dieser Hütte. Nach einer kurzen, sehr leidenschaftlichen Pause machten sie sich wieder auf den Weg und überwanden die kurze Distanz zum Gut, bis sie das große, herrschaftliche Haus als dunkle Silhouette vor sich sahen. Das zweistöckige Haus selbst lag auf einer kleinen Anhöhe und war mit hohen Zypressen umgeben.
Ein mediterraner Garten mit gepflegter Wildnis schloss sich am hinteren Teil des Hauses an und Miriam nahm Sergej an der Hand, um ihn dort hineinzuziehen. Hinter einer Hecke aus Lavendelbäumchen, deren Stamm selbst schon den süßlichen Lavendelduft verströmten, ging sie mit Sergej in die Hocke.
"Hier habe ich als Kind immer mit meinen dummen Cousinen verstecken gespielt. Sie haben mich nie gefunden, weil ich nie Angst hatte, mich schmutzig zu machen." berichtete sie kichernd und erntete einen Kuss des amüsierten Sergej. Alleine die Rückseite des Hauses bot schon ein prächtiges Bild. Das Gebäude war langgezogen und gut verputzt worden. Man hatte die Hauswände mit einer ockergelben Farbe überzogen, die im Sommer einen sanften Kontrast zu den blauen Lavendelfeldern abgeben würde. Während die Fenster im unteren Stockwerk eckig und mit dunklen Fensterläden versehen worden waren, hatte man dem gesamten oberen Bereich Fenster mit runden Bögen gegeben. Da das obere Stockwerk unterschiedliche Höhen hatte, verliehen die verschiedenen, recht flachen Dächer aus hell- und dunkelbraunen Ziegeln dem Haus einen verschachtelten Eindruck. Miriam deutete auf das Obergeschoss.
"Bei gutem Wetter hat man von dort aus einen wundervollen Ausblick auf die Hügel der Provence." erklärte sie verträumt und blickte ihn mit einem kleinen Lächeln an. "Ich freue mich so, dir ein Stück meines Lebens zeigen zu können." Sergej lächelte und küsste sie sanft. Dann deutete er auf einige kleine Anbauten, die in einiger Entfernung zu sehen waren.
"Was ist das dort?" fragte er interessiert.
"Dort lebt der Verwalter. Zumindest tat er das früher. Dort in dem großen Haus. Das kleinere ist ein Teil des Stalles. Vor dem Haus sind noch mehrere solcher Häuser. Da sind die Pflüge und allerlei Werkzeuge untergebracht und wir haben auch noch ein Arbeiterhaus. Im Spätsommer kommen sie hierher und helfen bei der Ernte. Papa hat auch noch eine kleine Seifenfabrik gebaut. Dort machen sie Seife und Parfum aus Lavendel. Aber dazu braucht man mit der Kutsche bestimmt eine Stunde, um hinzukommen." Sergej hob anerkennend die Brauen.
"Geschäftstüchtig war er ja, dein alter Herr." raunte er und betrachtete nun wieder das stille Haus. "Bedeutet das nun, dass dieses herrliche Haus leer steht?" Miriam nickte.
"Wir hatten früher kein ständiges Personal hier. Die Frau des Verwalters hat alles in Ordnung gehalten und wenn wir hierher kamen, brachten wir entweder unser Personal mit oder Papa hat welche für die kurze Zeit eingestellt." Sergej rieb sich nachdenklich das Kinn.
"Das bedeutet, wenn wir unangemeldet hier auftauchen, gibt es kein Personal?" fragte er noch einmal nach. Miriam nickte zustimmend.
"Aber das ist doch gut so, oder?" Sergej nickte langsam.
"Einerseits ja. Denn so werden weniger Leute misstrauisch, weil wir den Tag verschlafen oder zumindest nicht im Freien verbringen. Andererseits ist es unüblich für eine Frau in deinem Stand ohne Personal zu leben." Miriam verstand und schürzte nachdenklich die Lippen. Man würde nicht verstehen, dass sie keine Zofe, kein Zimmermädchen und keine Köchin verlangen würde. Ein Butler müsste auch da sein, um sich um das persönliche Wohl der Herrschaften zu kümmern, sowie ein Bursche für Sergej. Doch das waren insgesamt bereits zu viele Menschen um sie herum, die sehr schnell misstrauisch werden würden.
"Bedeutet das, dass wir hier nicht werden leben können?" hauchte sie nun mit einer Spur Trauer in der Stimme. Sergej zog sie an sich.
"Wenn wir deinen Verwalter am Leben lassen wollen ja. Und das sollten wir auch, denn du brauchst ihn." Er betrachtete ihr bestürztes Gesicht und beuge sich zu ihr, um sie zu küssen.
"Aber mit Armand und Anya haben wir auch Maurice und Jocelyn. Für eine Weile wird das gut gehen. Ich verspreche dir, dass wir immer wieder hierher zurückkehren werden." meinte er nun und ihr Gesicht hellte sich wieder auf.
"Dann lass uns nachschauen, wo der Verwalter nun wohnt und wenn das Haus leer steht, brechen wir ein und ich zeige dir alles." meinte sie kichernd, nahm seine Hand und huschte vorwärts.

1 Kommentar:

  1. Tja - Nun lebt Miriam ebenfalls in der Welt der Vampire und sie wird sich mit ganz neuen Problemen herumschlagen müssen. Zum Beispiel, dass es nicht so einfach ist, auf dem Land in einem Herrschaftsanwesen zu wohnen, wenn man so unübliche Angewohnheiten hat.

    Sie wird schon noch lernen damit klar zu kommen. Außerdem hat das Leben auf dem Land natürlich den Nachteil, dass man nicht so ohne Weiteres auf Beute stößt. In einer Stadt, am besten einer mit Hafen, fallen die "Verluste" viel weniger auf.

    Aber das wird sie schon noch alles lernen. Und dank Armands Wort, dass er ja schließlich zu halten gedenkt, sind sie nun auch vor den Sanghieri in Sicherheit.

    Angenehme Vorstellung für die beiden.

    LG
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.