Freitag, 23. November 2012

Noctambule III: Das Leben deines Sohnes!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Nach dem Abzug der Sanghieri hatte es nicht lange gedauert, bis Maurice wieder aufgetaucht war, seine Kleidung voller Staub und Spinnweben, doch ein selbstzufriedenes Grinsen im Gesicht, das er nur äußerst schwer zähmen konnte. In seinem Arm trug er liebevoll wie man ein Kleinkind trägt eine langläufige Jagdbüchse. Sein Anblick hatte bei Armand die Braue hochschnellen lassen, doch Maurice war nicht aus der Fassung zu bringen.


"Woher hast du das Gewehr, Maurice?" fragte er schließlich ruhig. Maurice strich stolz über den langen Lauf und räusperte sich.
"Ich habe es bei meinem letzten Aufenthalt in Aix-en-Provence erstanden, Monsieur." erklärte er und schaute in die Runde. "Darf ich erfahren, was die Herren dazu bewogen hat, wieder abzureisen?" Sergej stieß ein kurzes Lachen aus und schüttelte den Kopf über Maurice.
"Sie lassen den Rat der Sanghieri entscheiden und teilen mir diesen dann mit. Warum hast du das Ding gekauft?" Armands Neugier war noch immer nicht gestillt.
"Nun, in Anbetracht der Aussichten auf ein etwas ruhigeres Leben, hoffte ich auf etwas Zeit für die Jagd und einen leckeren Braten, Monsieur." erklärte Maurice nun leicht verlegen. Armand konnte nicht anders, als zu grinsen und ließ die Sache mit einem Nicken auf sich beruhen.
Doch es war Sergej, der sich bei Maurice für diesen Einsatz bedankte, der letztlich Armand das Leben gerettet hatte, weil er die Vampire zurückgetrieben hatte. Maurice war anzusehen gewesen, wie sehr ihn dieses Lob erfreute, doch dann waren andere Dinge wichtiger.
Jocelyn wurde endlich aus ihrem Verschlag geholt und man hatte darüber diskutiert, wie nun weiter vorzugehen war. Anya hatte sich verstört Raoul an die Brust gedrückt. Sie kam nicht damit zurecht, dass ihr Kind anders war. Immer wieder betrachtete sie den Kleinen, der aber wieder ganz normal reagierte und krähend seinen Hunger verkündete. So hatte sie sich zurückgezogen und ihn gestillt, während die Freunde beratschlagten. Als Armand schließlich zu Anya kam und sich neben sie setzte, lehnte sie sich mit einem tiefen Seufzer an seine Brust und schloss die Augen. Armand legte den Arm um sie und drückte sie an sich, den Blick prüfend auf das Gesicht seines schlafenden Sohnes geheftet.
"Raoul macht mir Angst, Armand." flüsterte Anya kaum hörbar. Er senkte den Kopf zu ihr und strich beruhigend über ihre Wange.
"Warum? Wir können stolz auf ihn sein. Er hat Fähigkeiten, die bisher noch keiner kannte und ihm macht das Tageslicht nichts aus. Für Raoul bedeutet das nur, dass er es wesentlich leichter haben wird als wir. Wir müssen ihn nur lehren, mit seinen Fähigkeiten umzugehen." erwiderte er und hauchte einen kurzen Kuss auf Anyas Scheitel. Seine Zärtlichkeiten brachten ein kleines Lächeln in ihr Gesicht, doch dann runzelte sie wieder die Stirn.
"Aber was wird er noch entwickeln? Ich habe keine Ahnung, wie ich ihm beibringen kann, sich zurückzuhalten. Er spricht ja noch nicht! Und alleine, dass er jetzt schon so groß ist und sitzen kann, das ist doch nicht normal, Armand!" Sie öffnete die Augen und schaute zu ihm auf, doch sah sie nur ruhige Gelassenheit in seinem Gesicht.
"Was ist bei uns normal und was nicht, meine Kleine?" fragte er leise. Anya schaute ihn lange an, doch beruhigt wirkte sie noch nicht. Armand fuhr mit dem Daumen über ihren Wangenknochen und betrachtete sie liebevoll.
"Ich bin einfach glücklich, dass euch beiden nichts geschehen ist. Raoul wird sein Leben leben und seine Erfahrungen machen, Anya. Unsere Aufgabe ist nur, ihn aufzuziehen und ihm einige Regeln beizubringen. Das werden wir gemeinsam tun. Du musst keine Angst haben." Jetzt entspannte sich ihr kleines Gesicht wieder und sie schmiegte ihre Wange in seine große Hand.
"Und was ist, wenn der Rat dich sehen will?" hauchte sie nach einer Weile des Schweigens. Armand schüttelte den Kopf.
"Darüber denken wir nach, wenn es soweit ist, meine Kleine. Enrico ist ein vernünftiger Mann." Anya zog ihre Stirn in Falten und rieb dabei ihre Wange an seiner Hand. Die Nähe zu ihm beruhigte sie mindestens genauso wie der tiefe, gleichmäßige Atem ihres Kindes in ihrem Arm.
"Wie geht es nun weiter? Könnten wir nicht einfach so viel Abstand wie möglich zu diesem Ort nehmen und nach Norden reisen? Irgendwohin, wo man uns in Ruhe lässt?" Bittend hob sie ihren Blick zu seinem Gesicht und erntete dort ein Schmunzeln.
"Ich habe mein Wort gegeben, Anya." sagte er nur. Anya seufzte tief.
"Dann brich es!" Sie wusste, was er antworten würde und setzte ein weiteres Argument ein, bevor er reagieren konnte. "Es geht um das Leben deines Sohnes, Armand!" Jetzt runzelte er kopfschüttelnd die Stirn.
"Anya, ich habe mein Wort gegeben und werde es halten. Wenn ich gehen muss, werde ich gehen. Du wirst dich um unseren Sohn kümmern und ihn groß ziehen und ich werde mich vollkommen auf dich verlassen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen." Anya schluckte ihre Worte wieder hinunter, die sie gerade hatte erwidern wollen. Sie wusste, dass sie ihn nicht weiter umstimmen konnte und verfluchte still die Tatsache, dass Armands Ehrgefühl keine anderen Möglichkeiten zuließ. Und doch würde sie lieber eine Lüge oder einen Wortbruch in Kauf nehmen, wenn sie dafür Armand behalten konnte.
"Sergej und Miriam werden in den nächsten Nächten Miriams Gut besuchen und versuchen herauszubekommen, wie viele dort leben. Wenn möglich, soll der Betrieb dort aufrecht erhalten bleiben, damit Miriam ein Einkommen hat. Im Idealfall können wir bald dort leben und müssen nicht weiter in diesem Loch hier hausen." Armands Bericht lenkte Anya ein wenig ab. Etwas mehr Platz und etwas mehr Privatsphäre würden ihr gut tun. Sie vermisste ihr Leben alleine mit Armand jeden Tag mehr. So schob sie die trüben Gedanken beiseite und gab sich der Hoffnung auf einen Wandel zum Guten hin.

1 Kommentar:

  1. Nun also sind erst einmal zwei Wochen Ruhe.

    Die Pläne sind ja so nicht wirklich abwegig. Mit Armands Versprechen geht ja auch Anyas, Sergejs und Miriams Sicherheit einher. Er ist sich dieser Verwantwortung bewusst und nimmt sie wahr. Das kann Anya zwar unschön finden, jedoch ist es eigentlich ein sehr vernünftige Entscheidung.

    Auch ist ja noch nicht klar, wie der Rat entscheiden wird. Ich schätze, dass es durchaus mölichkeiten gibt, dass das Treiben Von Alessio als hirnrissig eingestuft wird und auch die Existenz von Raoul wird Einfluss daruf haben.

    Was also gibt es schlaueres als endlich zu Miriams Landgut aufzubrechen und dort zu verschnaufen. Wenn ich die Vampire richtig interpretiere ist dies auch kein Bruch des Wortes, denn man solle sich im Umkreis aufhalten. Nicht in der Mühle selbst.

    Aber wie auch immer das ausgeht. Es bricht ein neues Kapitel an.

    LG
    Joe

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