Dienstag, 13. November 2012

Noctambule III: Das Oberhaupt

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Armand stand vor der Tür der Mühle, den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Seine Hand lag auf dem Türgriff, bereit sie zu öffnen um hinaus zu treten, doch noch tat er es nicht. Er konzentrierte sich auf seine Atmung, sog die Luft tief in die Lungen und konnte das Bild von Anya und seinem Sohn einfach nicht verdrängen. War es jetzt soweit? Hatte er sein Leben ausgerechnet jetzt verwirkt, da er sicher war, die Langeweile der vergangenen Jahrhunderte gegen Glück und Freude eintauschen zu können? War das gerecht?


Er hatte Sergej, Miriam und Anya befohlen, es ihm gleich zu tun und sich vor der Außenwelt zu verschließen. So konnte er auch nicht mehr wahrnehmen, wer da draußen vor der Mühle stand, aber das war auch nicht nötig. Dort stand das junge Oberhaupt eines großen Clans und nahm das Recht für sich in Anspruch, weit außerhalb seines Wirkungskreises über Leben und Tod zu entscheiden. Noch war er nicht bereit, sein Leben einfach so herzugeben.
Noch einmal atmete er tief ein, dann straffte sich sein großer Körper, er richtete den Kopf auf und öffnete die Tür.
Frische Nachtluft empfing ihn als er einige Schritte vor die Tür machte. Er sah die Truppe sofort. Fünfzehn Männer in langen Mänteln standen vor ihm und richteten ihre Blicke auf ihn. Sie hatten sich so aufgeteilt, dass sie zwar als große Gruppe beisammen standen, doch jeder auf Armeslänge von dem anderen entfernt, um noch Aktionsspielraum zu haben. Das gefiel Armand nicht.
Er erkannte Alessio sofort, denn dieser stand nicht nur ganz vorne, sondern hatte auch verblüffende Ähnlichkeit mit dem alten Sanghieri, seinem Vater. Allerdings hatte er dem Alten Vertrauen entgegen gebracht und von Anfang an gespürt, dass dieser noch nach den alten Ehrbegriffen gehandelt hatte. Alessio traute er hingegen nicht über den Weg und so blieb er in der Nähe der offenen Tür, bereit in Sekunden wieder in Sicherheit zu springen.
Das Oberhaupt des Clans der Sanghieri stieß nun ein kurzes, freudloses Lachen aus und musterte sein Gegenüber abschätzend.
"Ist das nun Mut oder Dummheit, dass du dich herauswagst?" fragte er mit höhnischem Blick. Armands Miene blieb regungslos, seine Augen waren auf Alessio fixiert und doch hatte er jeden Einzelnen im Blick und nahm die geringste Bewegung der anderen wahr. Doch keiner der Männer rührte sich.
"Ich fühle mich geehrt. Genügt dir das als Grund?" raunte er nun leise. Alessio war gut einen Kopf kleiner als Armand und deutlich schmaler. Aber mit seinen Leuten hinter sich fühlte er sich offenbar sicher.
"Für mich ist es selbstverständlich, dass du dich durch meine Gegenwart geehrt fühlst!" erwiderte er nun hochmütig und forderte ein kleines Lachen von Armand heraus.
"Nicht deinetwegen. Es ehrt mich, dass du dich nur mit vierzehn Männern im Nacken zu mir traust." antwortete er nun, noch immer reglos und scheinbar entspannt vor Alessio stehend. Dieser stieß ein Zischen aus und zeigte sein prächtiges, scharfes Gebiss.
"Vielleicht war es ein Fehler von dir, bei der Begegnung mit meinem Bruder einen Mann entkommen zu lassen." Armand machte nicht den Fehler, sofort zu Enrico zu sehen, den er gleich erkannt hatte. Er blieb ruhig und schüttelte leicht den Kopf.
"Ich habe ihn nicht entkommen lassen. Ich schickte ihn nach Hause, damit er dir berichtet. Ich hoffte, du begreifst endlich, dass es besser ist, mich und meine Familie in Ruhe zu lassen." Alessio baute nun auch für Armand sichtbar Zorn auf und spuckte seine folgenden Worte regelrecht aus.
"Du tötest meine Schwester und meinen Bruder und denkst, wir lassen das einfach so geschehen? Hast du vergessen, mit welcher Familie du dich da angelegt hast?" Armand legte den Kopf leicht schief.
"Dein Vater sprach mich frei, hast du das vergessen? Willst du seine Entscheidung in den Schmutz ziehen? Und was deinen werten Bruder betrifft, Alessio Sanghieri…" Armand machte eine Pause und stieß ein bedauerndes Schnalzen aus. "Fabrizio griff mich ohne erkennbaren Grund an und gefährdete das Leben meiner Familie. Er starb in einem Zweikampf, Mann gegen Mann. Du hingegen tauchst mit einer Überzahl auf, weil du zu feige bist, alleine gegen mich anzutreten!" Er hatte erreicht, was er wollte, denn Alessio machte zwei wütende Schritte auf Armand zu, offensichtlich alle Vorsicht vergessend.
"Nenn mich nicht feige, du Dreckskerl! Du bist noch immer ein Nefandus und alle, die sich bei dir aufhalten! Ich habe das Urteil meines Bruders nicht aufgehoben! Du bist schon tot!" Er hatte die Fäuste geballt und die Adern an Hals und Stirn schwollen an. Wütend machte er noch einen Schritt vor. Um Armands Lippen zuckte ganz kurz ein zufriedenes Lächeln auf.

1 Kommentar:

  1. Alessio bringt 14 Männer mit um sich dann alleine an Armand heran zu wagen?

    Gott ist der dumm!

    Auch er ist entweder komplett vom Hass zerfressen oder nach wie vor, ahnt oder weiß er etwas über den kleinen Raoul.

    Trotzdem bleibt es wirklich ungewiss, wie die Vampire nun reagieren werden. Sie reißen Armand jedenfalls nicht gleich in Stücke sondern er will reden.

    Fragt sich, wo das hin führt.

    LG
    Joe

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