Sonntag, 21. Oktober 2012

Steak für 60 Dollar

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

"50 Dollar?", kiekste Mykola überrascht. Er hatte es laut schreien wollen, aber in letzter Sekunde seine Stimme gedämpft. "Natürlich 50 Dollar.", sagte Nadja trocken, "Mit einem Zehner erreichst du in so einem Restaurant nichts." Mykola schüttelte ungläubig den Kopf. Die Kellnerin hatte bereits Wasser auf den Tisch gestellt und verteilte die Speisekarten. Nadja bestellte Getränke für alle und ignoriere dabei Mykolas erneutes aufseufzen, als er die Preise auf der Karte sah.

"Ein Steak kostet hier 63 Dollar?", zischte er leise. "Mach dir keine Sorgen. Mama bezahlt das Essen. Ich habe Geld von ihr bekommen dafür.", erklärte Nadja mit einem amüsierten Lächeln. Es war zwar richtig, dass Mama ihr 100 Dollar für das Abendessen gegeben hatte. Doch 50 davon waren soeben beim Empfang geblieben und die restlichen 50 würden nicht einmal für ihr eigenes Essen reichn. Geschweige denn für den ganzen Tisch. Doch wozu gab es Kreditkarten? Sie hatte nicht vor, den Rest von Lelya wieder einzufordern. Aber Joe würde es sicherlich nicht stören.

Mykola nahm diese Ansage zerknirscht hin. Er hatte sich diesen Tag vollständig anders vorgestellt. Und dieser Restauranbesuch setzte dem ganzen die Krone auf. Er war völlig unpassend gekleidet. In seiner Garderobe gab es auch nichts mehr, was für diesen Laden angemessen wäre. Er hatte seine Kinder zum Essen einladen wollen und nun wrde er von Lelya ausgehalten, die nicht einmal anwesend war. Wobei die Rechnung in diesem Laden vermutlich seine verbliebene Barschaft fast komplett sprengen würde.

Schließlich war die Bestellung aufgegeben und Mykola hatte aufgegeben zu überschlagen, was das kosten würde. Das Essen allerdings war köstlich. Mykola konnte gut verstehen, wieso Maria so für dieses Restaurant geschwärmt hatte. Nachdem nun alle Steak bestellt hatten, hatte er es sich auch nicht nehmen lassen und ebenfalls eines geordert. Wenn auch ein kleines. Schon nach dem zweiten Bissen war er sich sicher, dass es solche Steaks in der Ukraine nirgendwo gab. Am Tisch herrschte gefräßiges Schweigen und Maria lächelte zufrieden. Lelya hatte nicht viel übrig für derart exzessiven Fleischkonsum, daher war dieses Essen in zweierlei Hinsicht ein Ausnahme für Maria.

Als alle an ihren Desserts saßen schaute Nadja ihren Vater an. Jetzt nach dem Essen fühlte sie sich satt und zufrieden und wollte Marias Vorwurf ernst nehmen und netter zu ihrem Vater sein. "Was wirst du daheim eigentlich machen?", fragte sie nun beiläufig. Mykola zuckte die Schultern. "Ich weiß es noch nicht. Erst mal werde ich wieder eine neue Wohnung brauchen." "Das sollte doch kein Problem sein?", mischte Lukas sich ein. Mykola zuckte wieder die Schultern. "Vermutlich nicht. Aber was ich dann mache, weiß ich noch nicht. Ich werde mir eine neue Arbeit suchen müssen."

Nadja ärgerte sich, dass sie ihm eine Bühne für seine Mitleidstour gegeben hatte und versuchte alles, sich davon nicht beeindrucken zu lassen. "Du wirst schon etwas finden.", meinte sie fest. Die Kellnerin legte das Lederetui mit der Rechnung darin mitten auf den Tisch. Mykola hatte nicht direkt verstanden, worum es ging. Diese Art der Diskretion war ihm unbekannt. So konnte Nadja das Mäppchen ungehindert an sich nehmen. Sie trug das Trinkgeld ein und legte ihre Kreditkarte in die Mappe. Verwirrt sah Mykola zu, wie die Kellnerin beides mitnahm und nach kurzer Zeit mit einem Beleg wiederkam, den Nadja unterschrieb.

"Gehen wir?", nickte Nadja den anderen zu. Wenig später standen sie draußen auf dem Parkplatz. "Das war suuuuuperlecker!", versuchte Maria die friedliche Stimmung zu bewahren. "Das war es!", nickte Lukas ihr zu. "Schön, dass es dir geschmeckt hat.", sagte Mykola sanft. Nadja griff in ihre Handtasche.

1 Kommentar:

  1. Ein leckeres Essen soll ja die Gemüter bekanntlich besänftigen. Dieses Wissen hatte ja schon der Anwalt eingesetzt.
    Und sogar Nadja wirkt versöhnlich. Sie hat den letzten Triumph, das Bezahlen, ja auch deutlich auskosten können. Irgendwann ist er schließlich dann auch gesättigt, der Triumph.
    Und was kommt jetzt? Zückt sie nun den Umschlag mit den dreitausend Dollar? Das wäre wahrscheinlich die absolute Demütigung. Seine Tochter zahlt ihn aus und schiebt ihn damit aus den Staaten ab.
    Ich gönns ihr! Hoffentlich ist das wirklich der Umschlag! Und dann ist dieses aufwühlende Kapitel wohl erledigt.
    Maria tut mir dabei ein wenig leid. Aber sie wird später verstehen, dass es so wirklich das Beste war.

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