Dienstag, 16. Oktober 2012

Noctambule III: Ich brauche Tee!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Trotz mehrfacher Bitten ein langsameres Tempo anzuschlagen, war der Fremde stur geblieben.
"Das ist schon langsam." meinte er nur knapp und so hechelte Lucien außer Atem durch das Waldstück aus der Stadt hinaus zu der kleinen Häusergruppe. Lucien kannte den Weg und auch das Haus, wie er beim Herankommen bemerkte, denn er hatte die alte Frau, die dort gelebt hatte, bis zu ihrem Tod versorgt.


Das hier also war der neue Besitzer, dachte sich Lucien und stützte sich atemlos an der Hauswand ab, während der Fremde herrisch an die Tür hämmerte. Lucien hörte einen Riegel, der verschoben wurde und dann wurde endlich die Tür geöffnet. Er staunte nicht schlecht, als er den Mann sah, der ihnen geöffnet hatte. Die Kleidung war nah daran, schäbig genannt zu werden, abgetragen und nicht gerade sauber, doch die Haltung war die eines Königs und die Bewegungen gesetzt und angemessen. Wer zum Teufel bewegte sich so?
Der Arzt hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn er wurde von dem Riesen in das Haus geschoben und direkt zu einer Tür gedrängt, die sich schon öffnete. Ein junges Mädchen schlüpfte heraus und blieb mit erleichtertem Blick stehen, als sie den Arzt bemerkte.
"Oh, Gott sei Dank!" stieß sie hervor und machte einen kleinen Knicks. "Ich hole sofort frisches Wasser. Heiß oder kalt, M'sieur?" Lucien lächelte dem eifrigen Kind zu und freute sich ehrlich darüber, dass sie mitdachte.
"Am Besten beides, wenn es geht." erwiderte er freundlich und legte seinen Hut vorsichtig auf eine kleine Kommode, bemüht, das Wasser im Hutrand nicht auf das alte Holz tropfen zu lassen. Sofort schnappte der Mann, der die Tür geöffnet hatte nach dem Hut und hielt in mit spitzen Fingern von sich weg.
"Euer Mantel, Monsieur?" Lucien dämmerte, dass dieser Mann ein Butler oder Diener sein musste, doch wer lebte in so einem kleinen Haus, wenn er sich sogar einen Diener leisten konnte? Das alles war sehr rätselhaft, doch wichtiger war ihm nun die Patientin. Hastig schälte er sich aus seinem Umhang, reichte ihn weiter und betrat schließlich das Zimmer.
Mehrere Kerzen erhellten den Raum spärlich und das Licht flackerte durch das geöffnete Fenster, das frische und kühle Nachtluft herein ließ. Alleine das erfreute Luciens Herz schon, denn die meisten schworen darauf, keinen Lufthauch in das Krankenzimmer zu lassen und Lucien war ein eifriger Verfechter von der Heilkraft frischer Luft. In dem Bett lag eine sehr junge Frau, deren Anblick alleine schon genügte, um bei dem Arzt Sorgenfalten in die Stirn zu graben.
Sie schwitzte stark und zeigte alle Anzeichen von hohem Fieber in ihrem blassen Gesicht. Ihre Handgelenke waren verbunden, doch sein geschultes Auge erkannte die gelbliche Verfärbung durch eitriges Sekret. Noch schlimmer jedoch war der Anblick der nackten Beine, die nicht zugedeckt worden waren. Selten hatte Lucien so starke Verbrennungen gesehen und dann auch noch an den Unterbeinen. In den meisten Fällen verbrannte Kleidung Bauch, Rücken, Arme oder Oberschenkel. Doch nur die Unterschenkel, das war mehr als ungewöhnlich.
Neben dem Bett saß ein junger Mann, der nun sein blasses Gesicht langsam hob und den eintretenden Arzt mit einer erschreckenden Mischung aus Zorn, Verzweiflung und Trauer ansah. Wieder verblüffte Lucien diese seltsame Blässe und gleichzeitig die mystische Schönheit, die der große Fremde ja auch ausstrahlte. Die Gefühle hingegen verstand er sehr gut und hatte er oft genug erlebt.
Angehörige von schwer erkrankten Patienten übertrugen dem Arzt sofort jede Verantwortung und fokussierten den Zorn über die eigene Hilflosigkeit auf ihn, der doch eigentlich Dankbarkeit verdient hätte. Lucien wertete diesen Blick nicht weiter, sondern nickte dem Mann einfach nur knapp zu und deutete mit einer Geste an, dass er den Stuhl für sich beanspruchte. Ruhig stellte er seine Tasche ab und öffnete sie, während der Mann aufstand und Platz machte.
"Ich brauche mehr Licht, eine Tasse Tee, das Wasser und weniger Leute hier drin!" erklärte er knapp ohne aufzusehen. Dadurch entging ihm der verblüffte Blickwechsel zwischen den beiden Männern und auch, dass der Größere dem Kleineren zunickte.
Beide Männer gingen hinaus, das junge Mädchen jedoch kam herein und schleppte eine Schüssel mit heißem Wasser.
"Das kalte Wasser kommt gleich und ich mache noch einen Tee." verkündete sie, doch hinter ihr räusperte sich der Diener.
"Bleib nur hier und hilf ihm. Ich besorge den Rest." Das Mädchen lächelte ihm dankbar zu und wischte sich die Hände an ihrem Rock sauber.
"Was muss ich tun?" fragte sie mit einer Mischung aus Sorge, Unruhe und Aufregung. Lucien betrachtete sie anerkennend und breitete seinen Tascheninhalt auf dem Bett neben der Patientin aus.
"Keine Fragen stellen und meinen Anweisungen folgen." meinte er nun ruhig und verdrängte alle Gedanken aus seinem Kopf, die ihn ablenken könnten. Hier war sein Wissen gefragt und er gedachte, diese Herausforderung anzunehmen.

1 Kommentar:

  1. Lucien geht rasch und sehr intensiv zu werke.

    Das ist genau was Miriam jetzt braucht. Schon einmal gut zu wissen, dass die Vampire bereit sind den Anweisungen des Arztes auch zu folgen und auch brav das Haus verlassen haben.

    Jetzt ist nur noch zu hoffen, dass der Arzt die richtigen Kräuter und Stoffe kennt, um ein Fieber im Zaum zu halten und Miriam wieder etwas fester auf den Pfad der Lebenden zu führen.

    In Jocelyn hat er jedenfalls eine brave und nicht ganz unerfahrene Krankenschwester gefunden. Und ich bin sicher, sie wird akribisch darauf achten, dass im Anschluss alle Anweisungen des Arztes umgesetzt werden :)

    LG
    Joe

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