Donnerstag, 4. Oktober 2012

Noctambule III: Ich will nicht, dass du stirbst!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Miriam bebte am ganzen Leib. Ihre Wangen brannten und die Lippe war von den harten Ohrfeigen aufgeplatzt. Sie fühlte sich geschwollen an und brannte höllisch. Dass sie das Blut schmeckte, förderte erneut ihre Übelkeit, doch sie erbrach sich nicht mehr. Yanis hatte schließlich aufgehört Miriam mit Hilfe von Schlägen zum Gehorsam zu zwingen.


Stattdessen war er emsig mit Dingen beschäftigt, die Miriam zwar verfolgte, so gut sie konnte, aber nicht verstand. Er lief herum und sammelte Werkzeuge wie Hammer und Nägel, ihr immer wieder zwischendurch böse, fast hämische Blicke zuwerfend. Er hatte die Schuppentür offen gelassen, doch in der Dunkelheit konnte sie nicht viel erkennen.
Kühle Nachtluft zog in den Schuppen und ließ die Kerze flackern, während sie draußen seinen heftigen Hammerschlägen lauschte.
Nach einiger Zeit schien er fertig zu sein, denn nun hörte sie das schleifende Geräusch, das ein schwerer Gegenstand auf dem trockenen Boden auslöste, wenn man ihn mühsam darüber hinweg zog. Wieder lief er hin und her, zerrte leichtere und schwerere Dinge hinter sich her, hämmerte erneut und kam nach einer ganzen Weile atemlos, schwitzend aber äußerst zufrieden wieder zurück.
Sein Blick, den er ihr zuwarf, verhieß nichts Gutes. Seine Augen funkelten, als er sich ihr gegenüber niederließ und nach einem zugeschnürten Paket griff. Es war in fleckiges Leinen gewickelt und sperrig. Schweigend sah Miriam zu, wie er es liebevoll aufknotete und das Leinen entfernte. Miriams Magen formte sich einmal mehr zu einem kleinen Klumpen, als sie die Armbrust erkannte.
Ihr Holz war dunkel geworden im Laufe der Zeit, doch es glänzte von dem Öl, mit dem es vor dem Verpacken eingerieben worden war. Dieses Öl musste auch die Flecken im Leinen verursacht haben.
"Mein Vater hat sie früher oft zum Jagen benutzt." erklärte Yanis nun und strich liebevoll über das dunkle Holz. Miriam schwieg ängstlich. Ihre Nackenmuskeln hatten sich inzwischen verspannt von der anstrengenden Kopfhaltung, wenn sie ihn beobachten wollte. Erschöpft ließ sie den Kopf auf den Boden sinken.
"Willst du mich damit töten?" fragte sie bang. Yanis schnaufte bei seinem kurzen Lachen und warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
"Vielleicht. Glaub aber eher nicht. Ich werde damit auch jagen." erklärte er ruhig und klemmte die Waffe zwischen die Füße, um sie zu spannen. Die Sehne dehnte sich, das alte Holz knarrte und mit einem Klacken rastete die Sehne schließlich in der Halterung ein. Schaudernd erkannte Miriam die enorme Kraft, die den Pfeil davon schleudern würde.
Yanis schaute sie an und ließ mit einem sadistischen Grinsen die Sehne nach vorne schnellen, ohne dass ein Pfeil eingelegt war. Die Sehne surrte nach vorne und federte mit einem summenden Ton in ihrer Ausgangslage nach. Miriam zuckte zusammen und verzog ängstlich das Gesicht.
"Ich jage Vampire." erklärte Yanis nun lächelnd, fast mit einem liebevollen Ton, wobei er wieder zärtlich über die Waffe streichelte. Miriam schloss die Augen. Alles in ihr zitterte.
Die Angst in ihr drohte überzuschwappen und ihre Nerven zu überlasten. Miriam zwang sich verzweifelt immer wieder selbst dazu, tief durchzuatmen und nachzudenken. Kurz traf sie der ironische Gedanke, dass ihr behütetes Leben tatsächlich mit dem Auftauchen der Vampire verschwunden war. Nun drohte also das definitive Ende ihres Lebens. Schmerzhaft setzte die Sehnsucht nach Sergej ein und ihre Augen füllte sich mit Tränen, die sie verbissen zu unterdrücken versuchte. Sie durfte jetzt nicht durchdrehen, mahnte sie sich selbst. Sie brauchte eine Strategie!
"Denkst du wirklich, dass deine Mutter stolz auf dich wäre bei dem, was du da gerade tust?" fragte sie nun leise. Yanis hob ruckartig den Kopf und fixierte sie mit wütendem Blick.
"Lass meine Mutter aus dem Spiel, Hure!" knurrte er nun zornig. Miriam presste die schmerzenden Lippen aufeinander. Nun war er zwar wütend, aber wenigstens etwas abgelenkt.
"Sie versteht das alles nicht! Du hast ihre Sehnsucht nach einer Tochter schamlos ausgenutzt und dich in ihr Herz geschlichen! Sie tut mir leid, weil sie nie verstehen wird, was wirklich die Wahrheit ist." Yanis redete sich in Rage. Seine Augen funkelten und nun wurde Miriam klar, dass sie den falschen Weg gewählt hatte. "Du bist ganz allein daran schuld, dass sie ihr Leben lang leiden wird, weil sie dich vermisst!" schrie er sie nun an. Miriam schüttelte den Kopf heftig und presste gequält die Augen zusammen, weil die Bewegung ihre Kopfschmerzen verstärkte.
"Ich habe deine Mutter lieb gewonnen! Ich würde sie nie verletzen oder belügen!" wehrte sie sich schluchzend. Doch Yanis war nun in Fahrt. Mit einer geschmeidigen Bewegung sprang er nun auf, packte Miriam an den Haaren und zerrte das schreiende Mädchen hinter sich her aus dem Schuppen in die Nacht hinaus.
Sie spürte den unebenen Boden des Feldes unter sich, als Yanis sie brutal hinter sich her zerrte. Das Kleid, das Catherine ihr geschenkt hatte, riss an mehreren Stellen und die Haut ihrer Arme riss an den kleinen Steinen und Erdbrocken auf. Miriam hatte durch die stramme Fesselung keine Chance, sich selbst zu schützen. Auch ihre schmerzerfüllten Schreie retteten sie nicht, denn Yanis blieb erbarmungslos.
Endlich ließ er sie los und blieb schwer atmend über ihr stehen. In der Dunkelheit konnte Miriam sein Gesicht nicht gut erkennen. Dunkel hob sich seine Silhouette vor dem sternenklaren, aber mondlosen Himmel ab und nur an seiner Haltung erkannte sie, dass er auf sie herunter sah, nach dem er sich prüfend umgeschaut hatte.
"Wenn du sie nicht freiwillig rufst, werde ich dich eben dazu bringen." meinte er schulterzuckend. Miriam schüttelte heftig den Kopf. Jetzt war keine Zeit mehr zum Bluffen oder überreden. Jetzt musste Miriam ihn irgendwie erreichen.
"Yanis, tu das nicht! Du wirst sterben, begreif das doch! Ich will nicht, dass du stirbst! Geh einfach nach Hause, Yanis! Lass mich hier liegen und geh nach Hause!" flehte sie nun. Yanis stieß ein freudloses Lachen aus und schüttelte ungläubig den Kopf.
"Du willst nicht, dass ich sterbe, ja? Seit wann bin ich dir so wichtig?" Miriam schluckte. Wie konnte er nur so hart sein? Er war genauso alt wie sie und doch so ganz anders.
"Du bist der Sohn von Catherine! Sie würde schrecklich leiden. Bitte geh zu ihr zurück! Ich werde nie wieder zu euch kommen, du wirst mich nie wieder sehen!" bettelte sie nun, den Tränen nah und bereits trocken schluchzend. Yanis lachte erneut, doch dieses Mal höhnisch.
"Das stimmt! Und weißt du was? Ich werde zurückgehen. Und ja, DU wirst niemals wieder zu uns kommen!"

1 Kommentar:

  1. Böser Yanis! Man lässt Armbrüste nicht schnalzen. Bögen auch nicht.

    Achjso und Böser Yanis! Er hat sich verspekuliert. Sein Plan war gar nicht so dumm. Aber er hat nicht mit verschiedenen unwägbarkeiten gerechnet. Wie sagt man in der Offiziersausbildung? Kein Plan überlebt den ersten Feindkontakt. Und auch Yanis Plan ist gescheitert.

    Nun muss er abwägen, was er tun will. Will er Miriam für nichts und wieder nichts töten? Was wird er damit erreichen.

    Es war auch nicht die schlauste Idee von Miriam ihn mit dem Tode zu bedrohen - wenn auch indirekt.
    Sie hätte sich Lügen einfallen lassen können, die ihr Zeit verschafften. Aber das hat sie wohl in ihrer strengen Erziehung nur ausgetrieben bekomme.

    Was also nun? Er will sie töten, loswerden und nach Hause gehen als ob nichts gewesen wäre? Ich glaube nicht dass ihm das gelänge, selbst wenn Catherine inzwischen nicht von seinem Plan erfahren hätte.

    LG
    Joe

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