Dienstag, 9. Oktober 2012

Noctambule III: Fieber

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Anya hatte auch Sergejs Schulter notdürftig verbunden während Maurice von Armand geleitet den Wagen zum Waldrand führte. Da um diese späte Stunde kein Gasthaus mehr geöffnet hatte und die Poststation zu weit weg war, hatte Armand beschlossen, ein weiteres Mal den Unterschlupf im Wald aufzusuchen. Maurice würde mit Jocelyn im Wagen übernachten und am nächsten Morgen versuchen in der Stadt drei Zimmer anzumieten.


Anya nahm Jocelyn ihr schlafendes Kind mit einem schwachen Lächeln ab während Armand unendlich sanft die verletzte und noch immer bewusstlose Miriam auf den Arm nahm.
Sergej selbst presste verbissen die Hand auf seine Schulter, doch kaum waren sie am Ziel angelangt, polsterte er hastig sein Lager mit Laub und Zweigen aus und half Armand dabei Miriam vorsichtig hinzulegen. In der Dunkelheit fiel es allen Dreien trotz ihrer guten Augen schwer, die Verbrennungen von Miriams Beinen einzuschätzen und auch wusste keiner von ihnen, wie sie diese Wunden behandeln sollten.
Bedrücktes Schweigen breitete sich unter den Vampiren aus. Armand hockte sich neben Anya und schlang eng die Arme um ihren zierlichen Körper. Sie lehnte sich mit einem traurigen Seufzen an seine Brust und schloss die Augen. Jetzt, nachdem die Anspannung endlich abfiel, begann Anya mit den Tränen zu kämpfen. Sie hatten Miriam wieder gefunden, doch in welchem Zustand? Anya machte sich bittere Vorwürfe, dass sie Miriam wegen einer katastrophalen Jagd alleine gelassen hatte.
Als ob Armand ihren Zustand spüren konnte, senkte er stumm den Kopf und drückte einen Kuss auf ihre kurzen Haare und streichelte sanft ihren Arm. Sergej beobachtete die Beiden und rang sich ein Lächeln ab.
"Danke für eure Hilfe." Seine ruhige Stimme wirkte unnatürlich laut nach der tiefen Stille. Anya konnte spüren, wie Armand den Kopf schüttelte.
"Sie muss nur überleben, Sergej. Alles andere ist nicht wichtig." meinte er nun. Sergej nickte, doch Anya runzelte unzufrieden die Stirn. Sie ahnte, was Armand meinen könnte, aber sie hatte dennoch eine ganz andere Meinung.
"Sie wird es überleben. Aber sie wird sich entstellt und hässlich fühlen." warf sie ein. Armands Brust bebte leicht, als würde er lautlos lachen.
"Und Sergej wird sie davon überzeugen, dass sie für ihn noch genauso liebenswert ist wie vor dieser Geschichte." meinte er dann. Sein Freund nickte bestätigend.
"Noch mehr als vorher. Sie war unendlich tapfer." verkündete er im Brustton der Überzeugung. Dann setzte erneut Stille ein, die niemand unterbrechen wollte. Jeder hing seinen Gedanken nach, nur Anya musste bald Raoul stillen, der jedoch schon beim Trinken wieder einschlief.

Im Laufe der Nacht kam Miriam wieder zu sich. Ihre Augenlider flatterten und trotz des schmerzverzerrten Gesichts war ein kurzes Aufleuchten zu sehen, als sie begriff, dass sie in Sicherheit in den Armen von Sergej lag. Die Schmerzen tobten in ihrem Körper, doch sie versuchte tapfer, sich nicht allzu viel anmerken zu lassen. Sergej blieb besorgt und wich nicht von ihrer Seite, besonders nachdem er erleichtert bemerkt hatte, dass sie sich offenbar doch an alles erinnern konnte. Mehrfach versuchte Miriam zu sprechen, doch dazu fehlte ihr die Kraft.
"Psst." flüsterte Sergej jedes Mal. "Alles ist gut. Ich bin da. Bald wird es besser." Sie nickte schwach und drückte ihr Gesicht an seine Brust, doch eine merkliche Besserung trat nicht ein. Miriam wagte nicht einmal ihre Finger zu bewegen, da sofort die Handgelenke schrecklich zu schmerzen begannen. Mehrfach drückte Sergej seinen Wasserschlauch an ihre Lippen, damit sie trinken konnte. Doch bald wurde er unruhig.
"Sie bekommt Fieber." murmelte er alarmiert in Armands Richtung, der sofort die Augen öffnete und Miriam besorgt musterte. Als er den Blick zu seinem Freund hob, las dieser eine Frage darin, die er selbst viele hundert Jahre zuvor selbst schon einmal gestellt hatte. Ein schmerzhafter Stich erfasste ihn, doch er schüttelte zögernd den Kopf.
"Noch nicht. Wir hatten doch ganz andere Pläne." meinte er. Armand und Anya schauten nun fragend.
"Sie wollte unbedingt vorher heiraten." raunte er traurig und senkte den Kopf als er das schwache Kopfnicken Miriams spürte. Sie hatte es gehört und bestätigte seinen Entschluss offenbar. "Ich möchte ihr diesen Wunsch erfüllen." Die Worte galten weniger seinen Freunden als Miriam selbst. Dankbar rieb sie ihre Wange an seiner Brust und seine Antwort war ein sanftes Streicheln über ihre Haare.
Armand und Anya schwiegen zu dem Entschluss der Beiden. Zum ersten Mal seit dem Auffinden Anyas fühlten sich Armand und Anya selbst überflüssig und nicht Sergej. Daher versuchten beide in stummer Übereinkunft so unsichtbar wie möglich zu sein.

Die Unterhaltung zwischen Sergej und Miriam verlief zäh und nur geflüstert. Immer wieder sackte Miriam in einen erschöpften Dämmerzustand und wurde durch eine schmerzhafte Bewegung, die sie unbewusst machte, wieder herausgerissen. Ihr nur schwer unterdrücktes Stöhnen und Wimmern machte Sergej fast wahnsinnig, weil er ihr diese Schmerzen nicht abnehmen konnte. Was war dagegen schon seine Schulterverletzung, die in Bälde verheilt sein würde? Seine Miriam besaß diese Fähigkeiten noch nicht und musste leiden. Sergej litt schrecklich bei diesem Gedanken.
Miriam aber litt unter ganz anderen Ideen.
"Meine Beine…" wimmerte sie kaum hörbar. Sergej drückte sie sanft an sich.
"Du hast Schmerzen, nicht wahr?" Miriam nickte, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf.
"Sie werden schreckliche Narben behalten." Das letzte Wort wurde von ihrem Schluchzen unverständlich. Sergej lächelte fassungslos darüber, dass Anya tatsächlich Recht behalten hatte. Zärtlich drückte er seine Lippen auf ihren Scheitel.
"Ich werde jede einzelne Narbe lieben, meine Süße." raunte er in ihr Ohr. Doch Miriam schüttelte ungläubig den Kopf.
"Die Hände… Ich spüre meine Finger nicht." Sergej presste mit mühsamer Selbstbeherrschung die Lippen aufeinander und blinzelte.
"Das wird zurückkommen, glaub mir." quetschte er heraus. Miriam schluchzte kurz auf und sackte in eine weitere Erschöpfungsphase. Über ihren Kopf hinweg trafen sich die Blicke Sergejs und Armands. In beiden Augenpaaren lag verzweifelte Hilflosigkeit. Armand wusste einfach nicht, wie er seinem Freund diese Bürde abnehmen konnte. Sergej litt hingegen nicht an Miriams Sorgen. Ihn quälte das Wissen, dass der junge Körper in seinem Arm mehr und mehr zu glühen begann.

1 Kommentar:

  1. Zum einen ist es natürlich schlau nicht Hals über Kopf aufzubrechen, doch zum anderen wäre die Zeit mehr als reif sich zu verkrümeln. Warum noch einmal Zimmer anmieten? Um Miriam gesund zu pflegen?

    Wenn die Nacht weiter so geht, kann ich mir vorstellen dass Miriam selbst einen Transport in eines der Zimmer nicht mehr überleben wird.

    Es ist ehrbar von Sergej Miriam den Wunsch erfüllen zu wollen, doch kann er sie doch auch heiraten, wenn sie verwandelt ist. Nichts als die Tradition der Vampire steht dagegen.

    Und die Verletzungen die sie hat, würen selbst die Heilkräfte der Vampire hart fordern. Er sollte die richtge Entscheidug bald treffen! Sonst hat er vielleicht doch keine Gelegenheit mehr dazu.

    LG
    Joe

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