Samstag, 20. Oktober 2012

Das war Schmiergeld

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

"Kommen wir da nicht rein, so wie wir sind?", fragte Maria ängstlich. Nadja ging die Reihe durch. Sie selbst trug eine lässige Jeans und ein simples Top mit einem großen farbigen Muster. Eigentlich wäre eine Bluse für diese Gelegenheit geboten. Maria war glücklicherweise über jeden Zweifel erhaben. Sie trug einen Minirock und eine helle Bluse. Das war auf keinen Fal ein Problem. Schlimmer sah es bei den Herren der Schöpfung aus. Lukas stand in einer alten Jeans und einem verwaschenen T-Shirt da und ihr Vater trug zwar ein Hemd, aber das gesamte Erscheinungsbild ließ eigentlich keinen Zweifel daran aufkommen, dass er nicht in einen Laden wie das Metropolitan gehörte. Die Hose war deutlich zu zerschlissen und das Hemd von 'schick' auch weit entfernt.

"Es wird irgendwie gehen müssen.", meinte Nadja nachdem sie ihre Familie gemustert hatte. "Hast du nicht wenigstens ein Hemd, Lukas?", fragte sie etwas bittend. "Wir könnten bei mir zu Hause vorbei. Dann hol ich mir gerade Hemd und Hose heraus. Das dauert nur eine Minute und es liegt fast auf dem Weg.", meinte er schnell. Nadja nickte und zuckte die Schultern. "Mehr Zeit haben wir auf keinen Fall. Wenn wir da zu spät kommen ist der Tisch weg. Die haben eine ganze Bar voll mit Leuten, die nicht reserviert haben." Zwar wäre ein Upgrade bei ihrem Vater mindestens genauso dringend gewesen, doch er hatte früher schon keinen großen Wert auf schicke Kleidung gelegt. So war zu vermuten, dass sich im Hotel auch nichts nennenswert besseres befand. Und zeitlich passte das ohnehin nicht mehr.

Alle nahmen im Auto Platz und Nadja düste zu dem Appartementhaus wo Lukas wohnte. Alle blieben im Wagen sitzen. Nur Lukas zischte schnell hinauf in die Wohnung und stand tatsächlich kaum drei Minuten später in einer Tuchhose und einem farbigen Hemd wieder am Auto. "Da hat sich soeben jemand an die Spitze gesetzt.", grinste Nadja und fuhr wieder los, als er saß.

Zum Ende wurde es doch noch knapp, weil sich in der Innenstadt so schnell kein Parkplatz auftreiben lasse wollte. Doch exakt um eine Minute nach sechs stand die kleine Gruppe vor einem Stehpult hinter dem ein Mann im Anzug naserümpfend betrachtete, wer da vor ihm stand. "Musarova - für vier Personen. Ich hatte vorhin angerufen.", erklärte Nadja und nickte dem Herrn freundlich zu. Die Abneigung des Obers war ziemlich offen zu erkennen und Nadja war sicher, er würde sie wieder rausschmeißen. Doch Nadja hatte schon auf dem Weg zum Restaurant einen 50-Dollar-Schein herausgekramt und schob ihn, dezent gefaltet, von ihrer Hand in die Hand des Kellners. "Wir kommen direkt von einem Ausflug und wir lieben ihr Restaurant.", erklärte sie sanftmütig und hoffte, dass es nicht zu sehr nach flirten aussah.

Der Mann warf einen unauffälligen Blick auf den Schein und sofort hellte sein Gesicht sich auf. "Folgen Sie Wendy, sie wird Sie zu ihrem Tisch bringen." Er klatschte kurz in die Hände und eine Kellnerin erschien.

Durch das Lokal zu laufen, war das unangenehmste. Sobald sie erst auf den breiten Stühlen saßen, war nicht mehr so deutlich, zu erkennen, was sie anhatten. Doch bis dahin glich der Gänsemarsch hinter der Kellnerin her, einem Spießrutenlauf. Als alle saßen atmete Nadja hörbar auf. "Was hast du dem Mann vorhin gegeben?", wollte Mykola wissen. "50 Dollar.", erklärte Nadja wahrheitsgemäß. "Ich verstehe nicht. Ist das eine Anzahlung? Wir das nachher von der Rechnung abgezogen?" Nadja lachte kurz auf. "Nein. Das war Schmiergeld. Hätte er nichts bekommen, wären wir wieder rausgeflogen."

1 Kommentar:

  1. Jetzt wäre der Zeitpunkt, wo bei Mykola der Mund aufklappt und bis nach dem Essen nicht wieder zugeht. Das hätte zwei Vorteile:
    1. er redet nicht mehr
    2. er kann nichts essen
    Seine Tochter schmiert also mal ohne mit der Wimper zu zucken mit 50 Dollar. Grundsätzlich mag das nicht so sehr viel sein, aber für Mykola sicherlich doch.
    Wenn er jetzt noch die Preise auf der Speisekarte sieht, bleibt der Mund vielleicht noch bis zum Flughafen offen *hoff* Möge ihm das Essen im Hals stecken bleiben oder zumindest nicht mehr schmecken.

    Bei letzterem habe ich allerdings wenig Hoffnung. Scheint ja ein wirklich gutes Lokal zu sein.
    Jetzt muss Mykola nur noch begreifen, dass Nadja das Schmiergeld ihrer Schwester zuliebe ausgegeben hat und nicht dafür, dass Mykola ein feines Essen bekommt.
    Wahrscheinlich hat er sowas noch nie bekommen. Ich schätze mal, dass er in der Ukraine nicht unbedingt in ein so gutes Lokal gegangen wäre und in den Staaten hat es gerade mal für ein billiges Lokal gereicht.
    Vielleicht überdenkt er die Situation seiner ältesten Tochter doch noch mal und bereut die "Hure" noch.
    Aber selbst da habe ich meine Zweifel *seufz* Wenigstens haben Maria, Lukas und Nadja nun ihren Spaß beim guten Essen. Wohl bekomms!

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