Mittwoch, 24. Oktober 2012

Noctambule III: Es ist soweit

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Armand und Sergej hatten in den letzten Tagen genaue Pläne aufgestellt und die Aufgaben verteilt. Es erwies sich als ein Segen, dass Armand Maurice und Jocelyn zurückgerufen hatte. Jocelyn wurde ausgesandt, nach einem passenden Kleid für Miriam zu suchen, nachdem Sergej und Armand ihre letzten Barschaften zusammengekratzt hatten. Maurice wurde beauftragt, nach Marseille hinein zu fahren und von der Bank Geld abzuheben, das Armand dort nach seinem Umzug hinterlegt hatte. Mit Hilfe einer Vollmacht, einem Siegel Armands und einem Passwort erhielt Maurice schließlich auch den verlangten, sehr hohen Betrag.


Die nächste Aufgabe des Butlers bestand darin, neue Kleidung für Armand und Sergej zu besorgen, während Jocelyn auch für Anya unterwegs war. Maurice war froh, eine sinnvolle Beschäftigung zu haben und warf sich mit frischer Kraft in seine Aufgaben.

Während für Sergej eine gängige Konfektionsgröße käuflich war, musste Maurice Hose, Mantel und Hemd für Armand verlängern lassen. Nur ein hoher Preis erweichte schließlich einen Schneider und dieser verordnete seiner Frau, seinem Lehrling und sich selbst zwei Tage und eine Nacht Arbeit, um die geforderten Wünsche auch umzusetzen. Am Ende konnte Armand sich gesellschaftlich wieder sehen lassen, auch wenn die Stoffe keineswegs dem entsprachen, was Maurice von seinem Dienstherren gewohnt war.
Schließlich war der Tag gekommen, an dem die Vorbereitungen abgeschlossen waren. Miriam zeigte eine leichte Besserung und das Fieber hatte sich verzogen, als habe Sergejs erneuter Antrag neue Kräfte in ihr ausgelöst. Nachdem der Arzt sich verabschiedet hatte, waren die Frauen plötzlich aktiv geworden während die Männer sich einfach nur angezogen hatten und zusammen saßen, um das Startsignal der Damen abzuwarten. Sergej wirkte reichlich nervös. Mal lockerte er das Halstuch, dann wieder wippte er unruhig mit dem Fuß, was Armand ein Grinsen entlockte.
"Angst, mein Freund?" stichelte er gelassen im Sessel lümmelnd. Sergej warf ihm einen missmutigen Blick zu.
"Hättest du dich an dein Wort gehalten, ginge es dir nun ebenso!" konterte er. Armand breitete mit Unschuldsmiene die Arme aus und lächelte zufrieden.
"Ich habe sie gefragt! Aber sie will mich nicht heiraten." verteidigte er sich. Sergej stutzte irritiert. Der Gedanke, dass Miriam ihn hätte abweisen können, löste eine Gänsehaut bei ihm aus, doch Armands zufriedenes Gesicht machte nicht den Eindruck, als hätte ihn Anyas Ablehnung verletzt oder gedemütigt.
"Wie, sie will nicht? Ach herrje! Tut mir leid, altes Haus." Aber Armand winkte ab.
"Wir sind uns einig. Ich bin nicht gläubig und brauche diesen Kram gar nicht. Sie offenbar auch nicht." Seine Erklärung entlockte Sergej ein ratloses Schulterzucken. Offenbar war Anya weniger romantisch als Miriam.
Er selbst hätte eine Heirat auch nicht angestrebt, doch jetzt, nachdem er sich darauf eingelassen hatte, fühlte es sich auch irgendwie schön an. Die Freunde verfielen wieder in Schweigen und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Als sich die Tür öffnete und Anya den Raum betrat, stand Armand sofort auf. Anya trug ein schlichtes, blaues Kleid ohne Verzierungen oder Spitzenbesatz. Um ihre kurzen Haare zu verstecken, hatte Jocelyn ihr einen passenden Hut besorgt, sodass man den Eindruck hatte, die Haare seien etwas unordentlich hochgesteckt. In ihrem Arm trug sie Raoul, der in ein weiches Wolltuch gewickelt war und mit lebhaften Augen neugierig umher sah.
Armands Lächeln wurde tiefer, während er sie zu seinem Sessel führte und ihr den Platz anbot. Mit einem dankbaren Augenaufschlag schaute sie zu ihm auf und nahm Platz. Sergej war froh über die Ablenkung, die Anyas Eintreten bot, und beugte sich vor, um das Baby zu betrachten.
"Er hat sich schon verändert, ist euch das aufgefallen? Er ist wacher." meinte er und erwiderte den Blick des Babys, das ihn eingehend betrachtete. Armand und Anya nickten gleichzeitig mit dem gleichen stolzen Gesichtsausdruck.
"Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Geschwister damals so schnell waren in der Entwicklung." meinte Anya nachdenklich. Sergej schüttelte den Kopf.
"Er wird schneller wachsen als menschliche Kinder. Ihr werdet sehen." erklärte er grinsend. Zu einer Antwort kam keiner der beiden Eltern, denn Jocelyn trat ein, selbst auch umgezogen und offensichtlich reisefertig. Ihre Wangen zeigten aufgeregte Flecken und ihre Augen leuchteten in Vorfreude auf den heutigen Abend.
"Miriam ist fertig, wach und erwartet dich, Sergej." verkündete sie. Sofort erhob sich der Russe und zupfte nervös seinen Kragen zurecht. Als ihm gewahr wurde, dass Armand und Anya diese Geste bemerkt hatten, räusperte er sich verlegen und verließ beinahe überstürzt den Raum.
Vor Miriams Tür zögerte er noch eine Sekunde, atmete tief durch, dann drückte er langsam die Türklinke herunter. Was er sah, ließ ihn beinahe aufstöhnen vor Freude.

Miriam saß in dem Stuhl, das Gesicht der Tür zugewandt. Das weiße Kleid schien wie angegossen zu passen, zumindest war Sergej weder in der Lage, die hilfreichen Stiche Jocelyns zu erkennen noch kam er überhaupt auf die Idee danach zu suchen. Die langen Ärmel verdeckten die frischen Verbände an den Handgelenken zur Hälfte, aber das Verbandsmaterial fiel nur auf, wenn man genau hinsah.
Jocelyn hatte Miriams braune, lange Haare kunstvoll aufgesteckt, mit einem Myrtenkranz geschmückt und mit weißen Bändern versehen, da sie keinen Schleier hatte finden können. Miriam war sehr blass und ihre Augen hatten einen Glanz, der beinahe fiebrig wirkte, doch wusste Sergej, dass sie vorbeugend für die Fahrt erneut Tropfen erhalten hatte.

Trotz der betäubenden Wirkung des Laudanums schaute sie verliebt zu ihm auf und ihre Lippen bebten leicht, als sie Sergej vor sich sah, in einem festlichen dunkelblauen Anzug mit Spitzenhemd gekleidet. Er trat nun einen Schritt auf sie zu und sank vor ihr auf ein Knie herunter. Mit einer galanten Bewegung schob er seine Hand unter Miriams Finger, darauf bedacht, sie nur sacht zu berühren und nicht zu einer Bewegung zu zwingen. Er beugte sich vor und hauchte einen sanften Kuss auf ihren Handrücken.
"Du bist wunderschön!" raunte er, zu ihr aufsehend. Miriams Blick flackerte leicht. Ungläubig und ein wenig traurig lächelte sie zu ihm herunter, vermied aber das Sprechen aus Angst, zu sehr zu lallen. Sergej jedoch erwartete keinerlei Antwort. Er erhob sich wieder und trat neben sie.
"Es wird Zeit, Mademoiselle. Eure Hochzeit wartet." meinte er lächelnd und beugte sich zu ihr hinunter. Sanft hob er sie auf seinen Arm, während draußen auf die Minute pünktlich zur anbrechenden Dämmerung eine vierspännige Reisekutsche vorfuhr.

1 Kommentar:

  1. Ach na endlich.

    Die Hochzeit steht an und auch, wenn es irgendwie "keine große Sache" ist, so ist es doch die größte Sache in Miriams Leben und - vermutlich auch in Sergejs.

    Nun also sind sie Reisefertig - Das gefällt mir. Das heisst, sie verlassen Marseille und damit den Ort an dem die Sanghieris sie vermuten könnten.

    Allerdings befürchte ich irgendwie, dass dafür gesorgt wird, dass sie ihnen direkt in die Arme fahren.

    Ich bin gespannt, wo und wie das endet - ich bin gespannt, auf Miriams Verwandlung und und und...

    LG
    Joe

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