Freitag, 5. Oktober 2012

Noctambule III: Keine Wahl

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Der Hoffnungsschimmer, der nach seinen ersten Worten in Miriam aufflackerte, erstarb bevor er ganz aufgehen konnte. Miriam starrte ahnungsvoll zu ihm auf, doch noch immer konnte sie nur seine Umrisse sehen. Sein Gesicht blieb im Dunkel. Die Tränen begannen zu laufen und sie hatte das Zittern ihres Körpers nicht mehr unter Kontrolle.


Yanis beugte sich zu ihr herab und drehte sie grob auf die Seite, um ihre Hände, die noch immer hinter ihrem Rücken gefesselt waren, zu befreien. Er schnitt das Seil nicht auf, sondern löste die Knoten so sorgfältig, dass in Miriam die Ahnung hoch kroch, er könnte das Seil noch benötigen. Währenddessen sprach er mit ihr, als würden beide gemütlich am Küchentisch bei Catherine sitzen.
"Du solltest mir verraten, wo euer Unterschlupf ist. Das würde dir einige Schmerzen ersparen." bot er ihr an. Miriam schüttelte erneut den Kopf. Ihre Antwort war mehr ein Stammeln als Reden, denn das Weinen beutelte sie.
"Wir haben keinen Unterschlupf, Yanis! Wir wollen nach Osten ziehen! Niemand will deiner Familie etwas tun!" Doch sie hörte an seinem Lachen, dass er ihr kein Wort glaubte.
"Also seid ihr noch mehr, ja? Nicht nur das Weib mit dem Bastard? Oder hat sie sich von einem Mann schwängern lassen, bevor sie ihn getötet hat, die kleine Hure?" Miriam presste die Augen zusammen und spürte, wie sich das Seil lockerte und die Durchblutung endlich wieder einsetzte.
Aber sie hatte so lange auf ihren gefesselten Armen gelegen, dass sie aufwimmerte bei dem Versuch, sie zu bewegen. Verzweifelt musste sie feststellen, dass sie keinerlei Kraft in den Armen besaß.
Yanis war keineswegs so rücksichtsvoll, auf Miriams überdehnte Schultern zu achten. Er packte sie an den Handgelenken und zerrte sie ein Stück weiter über den Boden. Miriam konnte den Grund dafür nicht sofort erkennen, doch als er ihren rechten Arm waagerecht ausstreckte und an einem Stück Holz festband, ahnte sie, dass er sie zu einem Gestell geschleppt hatte.
"Was machst du, Yanis? Bitte hör auf! Lass mich frei!" wimmerte sie verzweifelt. Mit aller Kraft und schmerzverzerrtem Gesicht zwang sie ihren linken Arm zum Gehorsam und versuchte Yanis an seiner Arbeit zu hindern. Doch Yanis schlug ihre wehrhafte freie Hand einfach immer wieder ungeduldig zur Seite. Schließlich erhob er sich, packte er ihre linke Hand und zwang Miriam, den Arm auszustrecken, indem er auf ihre linke Seite ging und mühelos ihre Hand dabei festhielt.
Miriam musste zulassen, dass auch der zweite Arm gefesselt wurde. Durch den Zug, den Yanis ausgeübt hatte, war sie auf den Rücken gerollt und spürte schmerzhaft eine dicke Holzstrebe in ihrem Rücken. Sie versuchte zappelnd ihren Peiniger in seinem Handeln zu stören, doch reichte ihre Kraft einfach nicht aus.
Als er sich aufrichtete, war Miriam mit gespreizten Armen gefesselt. Nun ging er zu ihren Füßen, die mit einem Seil ebenfalls fest aneinander gebunden waren. Sie hob mühsam den Kopf, doch konnte sie mehr fühlen als sehen, dass er ihre Beine an dem Holz festband, auf dem sie lag.
"Antworte endlich! Wie viele seid ihr?" herrschte Yanis sie an und richtete sich auf. Miriam ließ weinend den Kopf zurück fallen und schloss hilflos die Augen.
"Wir sind nur zu dritt! Nur sie, das Baby und ich!" antwortete sie schluchzend, ohne das erleichterte Grinsen in seinem Gesicht zu sehen. Doch nun packte er grob ihr Kinn und zwang ihren Kopf, sich zu drehen. Ängstlich öffnete sie die Augen wieder und blickte genau in seine Augen.
"Ruf sie her, Schlampe!" befahl er ihr zischend. Miriam versuchte den Kopf zu schütteln, konnte ihn jedoch in seinem Griff nicht bewegen.
"Wie denn?" schrie sie verzweifelt. "Wie soll ich sie denn rufen?" Sie sah die ausholende Hand erst in letzter Sekunde, dann traf der Schlag hart ihre Wange. Wimmernd schmeckte sie das Blut ihrer frisch aufgeplatzten Lippe und ließ erschöpft den Kopf zurück sinken. Die Anspannung fiel von ihr ab, als sie beschloss, den Kampf aufzugeben. Sie war Yanis rettungslos ausgeliefert und würde in dieser Nacht wohl sterben. Weinend rief sie sich das Gesicht von Sergej vor Augen, das sie nie wieder streicheln und küssen durfte.
Durch ihr eigenes Weinen hindurch hörte sie, wie Yanis herum lief und wieder zu ihr zurück kehrte. Er stützte sich neben ihrem Kopf auf beiden Händen ab und als er sprach spürte sie den warmen Hauch seines Atems an ihrem Ohr.
"Du lässt mir leider keine andere Wahl, Hexe. Du hattest deine Chance." Plötzlich fror Miriam vor Kälte, als die Angst eisig ihre Wirbelsäule empor kroch. Sie sah, wie Yanis sich erhob und über ihren Arm beugte. Sie spürte etwas Spitzes an ihrem Handgelenk und hörte den Schlag von Metall auf Metall. Der einsetzende Schmerz fraß sich blitzartig durch ihren Arm direkt in ihren Kopf. Ihr Körper bäumte sich in den Fesseln auf und sie versuchte den Arm von der Schmerzquelle wegzuziehen. Aber nicht nur das Seil um ihren Arm hinderte sie daran, sondern auch der lange Nagel, den Yanis mit vier kraftvollen Schlägen durch ihr Gelenk in das Holz trieb.

1 Kommentar:

  1. Yanis ist ein unglaublich grausamer Kerl geworden.

    Es ist beängstigend, was die Erlebnisse aus ihm gemacht haben. Sicher, verdient er dafür Mitleid, aber er hat den Bogen überspannt.

    Nun foltert er Miriam auf das übelste und versucht immer noch etwas zu erreichen, was er nicht bekommen kann. Und würde er kurz überlegen, so würde er selbst de Fehler in seinem Plan entdecken. Doch dazu reicht es in seiner Rage nicht.

    Und Miriam verdient volle Bewunderung! Nicht einmal in dieser Not verrät sie die Vampire! Sie verrät nicht ihren Geliebten und nicht ihre Freunde. Das mag ihr zur Ehre gereichen und ich hoffe es verhilft ihr zum Überleben.

    Es wirkt fast so, als könnte es einmal mehr knapp werden und nur die Verwandlung eines Mädchens in einen Vampir könnte ein Leben retten. Wenn Yanis jedenfalls noch eine Weile weiter macht, wird nicht mehr viel von Miriam übrig sein um es zu retten.

    Lauft ihr Vampire...

    LG
    Joe

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