Sonntag, 14. Oktober 2012

Noctambule III: Endlich wieder nützlich

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Die zwei Männer besiegelten ihren Vertrag mit einem kräftigen Handschlag und ein Beutel voller Münzen wechselte den Besitzer. Maurice verbeugte sich freundlich und verließ beschwingt das kleine Haus. Er hatte es nun eilig, kletterte auf den Wagen und trieb die beiden Pferde an, de er schön längst hätte zurückgeben müssen. Aber das interessierte ihn gerade nicht im Geringsten. Der Wagen wurde noch gebraucht und das genügte als Grund, ihn auch zu behalten. Längst schon machte er sich keine großen Sorgen um die finanzielle Kraft seines Herrn.


Zufrieden trieb er die Pferde an und scheuchte sie über die holprigen Wege. Das Haus, das er soeben gemietet hatte, befand sich am Ostrand der Stadt und stand seit einem halben Jahr leer, nachdem die Mutter des Besitzers gestorben war. Maurice hatte voraus gedacht und gezielt im Osten gesucht. Ein kurzes Gespräch mit Armand hatte ihn darin bestärkt, denn eine Rückkehr in das eigene Haus war auch heute noch undenkbar.
Natürlich hatte er auch überlegt, Miriam wieder zu Madame Dubrés zurückzubringen, doch auch das hatte Armand verneint. Die Gruppe hätte sich teilen müssen, denn weder Armand noch Anya wollten sich dort mit dem Kind zeigen. Und da Armand sicher war, auch im Sinne von Sergej zu sprechen, war auch diese Option gestorben.
Das Haus war nicht groß, aber gut in Schuss und mit etwas Einschränkungen konnten sich sechs Personen und ein Kind übergangsweise darin zurechtfinden. Maurice hatte es bereits in Gedanken aufgeteilt. Die beiden Schlafzimmer waren selbstverständlich für die beiden Paare reserviert. Unter dem Dach gab es praktischerweise eine kleine Abseite, in die man zwei Matratzen legen konnte. Dort würden er und Jocelyn schlafen. Der Gedanke gefiel ihm nicht besonders gut und er war sicher, dass auch Jocelyn damit nicht glücklich sein würde. Doch mit einem Vorhang würde man zumindest den Anstand wahren können und inzwischen hatte Maurice gelernt, sich in Bescheidenheit zu üben.
So, wie Maurice die Situation einschätze, würde Miriam eine lange Zeit benötigen, um wenigstens halbwegs wieder hergestellt zu sein. Doch immerhin hatte sich nun das Leben der kleinen Gruppe nach Osten verlagert und war dem eigentlichen Ziel – dem Landhaus Miriams – ein Stück näher gerückt. Zudem konnten sie endlich den westlichen, gefährlichen Teil verlassen, in dem die Menschen zunehmend misstrauisch wurden und die Gerüchte zu brodeln begannen.
Maurice war mehr als zufrieden mit sich selbst. So sehr, dass er sogar vergaß, dass es unter der Butlerwürde war, einen Karren zu kutschieren. Stattdessen redete er auf die Pferde ein, sich gefälligst ein wenig zu beeilen und seinen Befehlen zu gehorchen, wenn sie nicht als Wurst auf seinem Tisch enden wollten.
Gut gelaunt erhoffte er sich zudem auch, in diesem Haus wieder seinem Berufsstand näher zu rücken und einen großen Teil seiner alten Aufgaben übernehmen zu können. Jocelyn hatte er bereits als Angestellte unter seinem Befehl eingestuft und da sie ganz vernünftig kochen konnte, war sogar das Problem der Ernährung gelöst.
Maurice tastete immer wieder nach dem Schlüssel in seiner Tasche, um sich zu vergewissern, dass er ihn nicht verloren hatte. Das Gepäck war nun bereits in dem Haus untergebracht und seine Gedanken kreisten um das Problem des Transports der verletzten Miriam. Der kurze Blick auf die schweren Verletzungen des Mädchens hatte ihm schon genügt, um jedes Mal in Erinnerung daran Übelkeit zu verspüren.
Er war kein Arzt, doch auch er hatte erkannt, dass Miriams Leben momentan an einem dünnen Faden hing. In Gedanken versunken zählte er die Barschaften, die ihm noch verblieben waren und fasste einen Entschluss, der ihn die Pferde in die Stadtmitte lenken ließ. Bald hatte er einen Schneider gefunden und betrat mit hochverlegenem Gesichtsausdruck das Geschäft.
Die ältere Dame wirkte zwar recht befremdet darüber, einen Mann in ihren Hallen zu begrüßen, wurde jedoch zunehmend weicher und mitfühlender, als sie von der üblen Beinverletzung seiner Nichte hörte. Schnell war ihr Verständnis dafür geweckt, eine Art Reifrock zu finden, der verhindern sollte, dass der Stoff der Kleider ihre offene Wunde berührte und die junge Dame dennoch passend gekleidet die beschwerliche Reise nach Hause anzutreten, wo gute ärztliche Behandlung auf sie wartete.
Hocherfreut kaufte Maurice noch ein passendes Tageskleid für Miriam ohne wirklich zu wissen, ob es ihr passen würde oder nicht. Er beschrieb der Schneiderin die Statur und Größe Miriams und verließ sich blind auf die Erfahrungen der Expertin. In ihrem Mitgefühl trennte sich die Frau von einem Sack voller Stoffreste aus ungefärbtem Leinen, damit das "arme Kind" während des Transportes etwas weicher liegen konnte und entließ Maurice schließlich mit den besten Wünschen. Maurice gestattete sich erst nach einer gewissen Entfernung aus der Innenstadt ein fröhliches Liedchen, denn er hatte das gute Gefühl, endlich wieder nützlich zu sein.

1 Kommentar:

  1. Nun bleiben sie also doch in Marseille....

    Dort wo die Sanghieri nun ihre Suche beginnen. Wenn sie auch, dadurch, dass sie in der Stadt sind, nicht genau den Florentinern in die Arme laufen werden.

    Zu ärgerlich, dass man sich wohl weiterhin dagegen entschieden hat Miriam zu verwandeln. Der Ausdruck "dünner Faden" wird ihrem Zustand ja nicht ansatzweise gerecht. In dieser Zeit kann einen eine Entzündung rasant dahinraffen.

    Maurice jedenfalls hat nichts von seinen Qualitäten eingebüst und ich hoffe er wird eines Tages reichlich für seine Dienste entlohnt.

    LG
    Joe

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