Freitag, 26. Oktober 2012

Noctambule III: Die Bedingung

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Bruder Anselm verriegelte die Tür der kleinen Kapelle, verstaute ordentlich den Schlüssel am Gürtel seiner Soutane und marschierte mit hastigen kurzen Schritten durch die Dunkelheit in das kleine Häuschen, das sich hinter einer Baumgruppe direkt neben der Kapelle versteckte. Der kleine Bendiktinermönch war zufrieden mit seinem Tagewerk, das er nun abgeschlossen hatte und freute sich auf eine Tasse Tee, bevor er sich schlafen legen würde.


Anselm hatte wider Erwarten nicht darum kämpfen müssen, die klösterliche Gemeinschaft verlassen zu dürfen, um neue Aufgaben zu suchen. Sein Orden betrachtete es als Teil seiner Aufgabe, Wissen und Lehren unter die Menschen zu bringen und Anselms Idee einer kleinen Schule für Mirabeau fiel auf fruchtbaren Boden. Zudem schlug der Orden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Kapelle etwas außerhalb des malerischen Dörfchens stand endlich nicht mehr leer und in Anselm entsandte man einen bewährten, allseits beliebten Lehrer, der den Ruf der Benediktiner weiter ausbauen konnte.
Sein Körper hatte die Form eines Fasses und das runde, fast immer schwitzende Gesicht zeigte immer ein fröhliches, fast abgeklärt heiteres Lächeln. Die sieben Kinder in seiner Schule liebten Anselm schon nach dem ersten Unterricht, denn er hatte nicht nur gerne einen Spaß parat sondern war sich nicht zu schade, gemeinsam mit den Kindern in der Pause mit wehender Soutane Fußball zu spielen. Meist nur einige Minuten, dann ging ihm die Puste aus und er sackte jappsend auf eine Bank, um sich dort dem Spott der jungen Sportler auszusetzen.
Anselm hatte schon lange das dritte Gelübde abgelegt und gehörte zum Inventar des Klosters, das nur schwer wegzudenken war. Für seine Entsendung nach Mirabeau hatte er zusätzlich die Weiheprüfung abgelegt und mit ihr den Gipfel seiner Karriereleiter erklommen. Sein Leben hier war recht beschaulich, die Kapelle nur selten besucht und die Schulzeiten richteten sich nach den anfallenden Arbeiten auf den Feldern, denn Mirabeau war ein reines Bauerdorf.
Fröhlich summend bestrich sich Anselm ein Brot mit Gänseschmalz, als es so herrisch an seine Tür klopfte, dass er zusammenzuckte. Im Allgemeinen begegnete man ihm hier respektvoll und selbst der bisher einzige Ruf zu einem Todesfall war mit zögerlichem Klopfen erfolgt. Zu Recht und sehr neugierig erwartete Anselm nun einen Fremden vor der Tür, watschelte aber mit begütigendem Brummen und ohne Eile aus seiner Küche. Noch nie in seinem Leben hatte Anselm seinen Lebensbereich vor der Außenwelt verschlossen, denn zum einen glaubte er an das Gute im Menschen und zum anderen baute er auf seinen Status als Mönch. Nun aber öffnete er die Tür und erstarrte.
Der Mann vor seiner Tür war nicht nur einfach unendlich groß, er schien sogar den Blick auf den Sternenhimmel zu verdecken. Mit offenem Mund hob Anselm den Kopf höher und höher, bis er in das schöne. blasse Gesicht seines Besuchers sehen konnte. Für einen Augenblick glaubte Anselm an eine Krankheit, die diese Blässe hervorrief und Mitgefühl erfasste ihn. Doch der Mann wirkte stark, sicher und zeigte sogar den Anflug eines Lächelns in den Mundwinkeln.
"Ich hoffe, es gibt keinen Anlass zur Sorge, junger Freund, dass Ihr so spät an meine Tür klopft?" begrüßte er den Fremden und setzte ein gütiges Lächeln auf. Gottes Wege waren oft nicht so schnell zu verstehen und der große Mann tat ihm leid. Gott musste einen Grund haben, jemandem diese körperliche Bürde zuzumuten.
"Mein Name ist Sartous, Pater. Ich komme im Auftrag meines Freundes Sergej Komarov, der Euch vor einigen Wochen aufgesucht hatte. Erinnert Ihr Euch?" Anselm spürte eine wohlige Gänsehaut beim Klang dieser Stimme. Herr, du hast ihm diese schreckliche Größe aufgebürdet und ihn gleichzeitig mit dieser Stimme gesegnet! dachte er dankbar und runzelte nun nachdenklich die Stirn.
"Oh, nun erinnere ich mich! Er bat mich, die Trauungszeremonie zu halten. Ich fühlte mich sehr geehrt. Tretet ein, doch habt acht, die Tür ist niedrig, Monsieur!" Sein Gesicht hatte sich aufgehellt und er öffnete einladend die Tür weiter. Zu seiner Überraschung schüttelte der Besucher den Kopf und trat einen Schritt beiseite.
Anselm hatte nun freie Sicht zu seiner Kapelle und erkannte auch die große Reisekutsche. Sie stand vor der Kapelle auf dem schmalen Weg und war nur zu erkennen, weil der Kutscher an beiden Seiten seines Kutschbocks zwei Laternen mit Kerzen aufgehängt hatte, die ihm helfen sollten, den Weg besser zu erkennen. Verwirrt blinzelte Anselm und schaute fragend zu dem großen Mann hoch.
"ich verstehe nicht ganz?" meinte er schwach, denn die Ahnung, die ihn befiel, fand nicht seine Zustimmung.
"Ihr habt doch zugestimmt, Pater! Es ist soweit und wir bitten Euch, das Brautpaar zu trauen." Anselm blinzelte bei dem intensiven Blick aus den schwarzen Augen seines Gegenübers. Er breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus.
"Ich bitte Euch! Es ist mitten in der Nacht! Ich bin müde und welche glückliche Braut will ohne Vorbereitung in der Nacht und noch dazu ohne Gäste heiraten? Das ist ein Scherz?" Herr, welche Prüfung ist das nun wieder? Doch zu seinem Leidwesen blieb der Besucher standhaft.
"Es war ganz anders geplant, Pater. Doch die Braut ist sehr schwer erkrankt. Wir sind auf dem Weg zu einem guten Arzt und hoffen auf bessere Hilfe. Aber es ist nicht sicher, ob diese Hilfe noch rechtzeitig kommt. Verwehrt dem jungen Paar nicht den größten Wunsch, Pater!" Wieder dieser eindringliche Blick! Anselm blinzelte erneut beim Klang der fast magischen Stimme. Was für ein schreckliches Drama das Leben doch manchmal war! Der kleine Mönch seufzte leise und schüttelte den Kopf. Wen prüfst du gerade, Herr? Das Paar oder mich? Oder vielleicht Beide? Was soll ich tun? Anselm schloss kurz die Augen, nahm jedoch deutlich die geduldige Gegenwart des Riesen neben sich wahr. Schließlich entschied er sich.
"Ich möchte die Braut sprechen vorher. Das ist meine Bedingung! Und darüber diskutiere ich auch nicht, junger Mann! Ich muss sicher sein, dass sie nicht gegen ihren Willen entführt wurde! Man weiß ja nie!" Für eine Sekunde glaubte Anselm erschrocken, ein Knurren gehört zu haben. Dann nickte der Fremde und deutete auf die Kutsche. Anselm zog die Tür seines Hauses hinter sich zu und watschelte hastig der Kutsche entgegen. Kurz bevor er sie erreichte, öffnete sich die Tür und ein ihm bekanntes Gesicht tauchte auf.

1 Kommentar:

  1. Ich bin sicher, diesen Wunsch wird Sergej ihm nicht abschlagen.

    Und was sollte Miriam auch anderes sagen, als dass sie den Mann, den sie liebt heiraten möchte. Daran wird es also nicht scheitern. :)

    Und ich lag also dch richtig mit der Vermutung, dass es nicht gänzlich unmöglich ist einen Priester zu finden, der der Liebe einen Rahmen geben wird.

    Nun frage ich mich aber wessen Gesicht der Pater kennt. Wäre Sergej dabei, hätte er ja selbs klopfen können. Also muss es Anya sein. Doch woher kennen Anya und Anselm sich? Da muss ich doch jetzt echt grübeln.

    LG
    Joe

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