Donnerstag, 25. Oktober 2012

Noctambule III: Heimliche Suche

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Die Suche gestaltete sich schwieriger als Alessio erwartet hatte. Nachdem er die Hälfte seiner Truppe gen Norden geschickt hatte, fächerte er seine Männer in Zweigruppen verteilt nach Westen auf. Doch auch eine Woche später hatte er noch keine Neuigkeiten erfahren. Nacht für Nacht war er mit Enrico durch das spärlich besiedelte Land gezogen und hatte sich an die Bauernhöfe herangeschlichen.


So mancher Hof war daraufhin mit blutleeren Leichen zurückgeblieben, doch Alessio hielt sich an die Regeln und ließ Höfe mit kinderreichen Familien verschont. Was Enrico betraf, so hatte Alessio seine Taktik allerdings geändert. Er war sicher, dass Enrico die versteckte Drohung in seinen Worten nicht vergessen hatte. Nun war es aber an der Zeit, das alte, freundschaftliche Verhältnis wieder herzustellen. Zwar war Enrico früher sehr eng mit Fabrizio zusammen gewesen, doch hatte Alessio in dem älteren und erfahreneren Begleiter seines Bruders immer eine Art väterlichen Freund gesehen.
Dies wollte er nun zurückholen, auch wenn sich die Ränge deutlich verschoben hatten. Es war nicht schwer, wieder näher aneinander zu rücken, wenn man nur zu Zweit unterwegs war. Alessio teilte seine Erinnerungen von früher mit Enrico, sprach lange über Fabrizio und natürlich auch über seinen Vater und dessen Imperium. Enrico ging sehr gerne darauf ein, so schien es und wirkte keineswegs abweisend oder unsicher, wie man es von einem Verräter vielleicht erwartete.
Doch an diesem frühen Morgen, nachdem sich die Zwei westlich von Marseille in einer alten, windschiefen Scheune vor dem Tageslicht gerettet hatten, holte Alessio erneut zu einem Gespräch aus, das er sich lange zurecht gelegt hatte. Zwar war es noch lange nicht hell, aber der verabredete Ort war erreicht und er erwartete noch vor Tagesanbruch die Rückkehr der anderen.
Enrico hatte es sich an einer Wand gemütlich gemacht und die Beine ausgestreckt. Alessio hockte sich ihm gegenüber und fuhr sich über die spitzen Zähne. Die letzte Jagd war gut verlaufen und noch immer hing der Blutgeschmack an seinen Zähnen, was seine Laune merklich anhob.
"Sag mal, was unterscheidet Fabrizio und mich als Anführer des Clans?" fragte er rundheraus. Enrico schaute überrascht auf und dachte nach.
"Du meinst jetzt wohl nicht den Altersunterschied?" fragte er grinsend um Zeit für eine Antwort zu gewinnen. Alessio machte die erwartete abwehrende Geste und schaute ihn interessiert an. Enrico wirkte konzentriert und schien sich die Worte bedächtig auszuwählen.
"Nun, ich muss zugeben, dass ich anfangs glaubte, du wärest viel ungestümer und naiver. Ich muss mich dafür entschuldigen, Alessio." meinte er. Alessio nahm die Entschuldigung mit einem Nicken an und ging darüber hinweg, dass Enrico ihn einmal mehr nicht mit dem Titel Signore ansprach, wie es sich gehörte. Irgendwie kam ihm das sogar ein wenig seltsam vor, war Enrico doch wesentlich älter als er und außerdem gefiel er sich darin, einem Gefolgsmann mit diesem Bonus eine Sonderstellung zu verleihen.
"Also bin ich gar nicht so naiv wie du dachtest?" bohrte er weiter. Enrico schmunzelte und betrachtete ihn nun wie man den Sohn eines alten Freundes betrachtet.
"Dir fehlt sicher in vielem noch die Erfahrung. Aber das unterscheidet dich nicht von deinem Bruder. Fabrizio aber rechnete mit der Nachfolge als unser Oberhaupt. Du nicht. Du bist unvorbereitet und bei dir bin ich viel eher bereit, Fehler oder falsche Entscheidungen zu entschuldigen." erklärte er und rutschte dabei etwas tiefer, um es bequemer zu haben. Alessio lauschte auf.
"Welche Fehler hat Fabrizio denn gemacht?" hakte er sofort nach. Enrico hob träge die Augen zu seinem Anführer und musterte ihn lange.
"Er wollte eine schwangere Frau töten. Das ist falsch und ich habe es ihm mehrfach gesagt. Er wollte aber nicht hören. Er sagte, sie sei eine Nefandii und das genüge. Ich teile diese Meinung nicht." erklärte er sehr ruhig. Eine lange Pause trat ein, in der Alessio intensiv nachdachte. Es fiel ihm schwer, eine verteidigende Antwort für seinen Bruder zu finden, denn auch er hielt diesen Plan für verboten. Im Gegensatz zu Fabrizio wollte er einfach nur Armand haben und töten. Nicht die Frau. Und doch hatte Fabrizio diesen Schritt nicht gescheut und sogar noch eine Jagd auf sie veranstaltet.
"Und doch bist du mit ihm gegangen und hast mit ihm gekämpft!" Alessio wich geschickt einer Antwort aus und warf Enrico den versteckten Vorwurf zu, wider besseres Wissen gehandelt zu haben. Doch dieser nickte nur schlicht.
"Selbstverständlich. Er war mein Freund und mein Oberhaupt! Ich hatte gehofft, ihm diese Idee unterwegs noch ausreden zu können und ich war auch nicht an der Jagd nach den Frauen beteiligt." antwortete er gelassen. Alessio hob zu einer bissigen Antwort an, doch etwas vor dem Schuppen lenkte ihn ab. Zwei seiner Männer näherten sich in schnellem Tempo und huschten mit begrüßendem Nicken in den Schuppen hinein. Sie ließen sich nieder und streckten die Beine aus. Das Gespräch mit Enrico musste wohl oder übel verschoben werden, denn Alessio wollte sofort einen Bericht hören.
Der Bericht fiel mager aus. Die Zwei hatten ebenfalls überwiegend Bauernhöfe und einige wenige Häuser abgeklappert. Sie berichteten nicht viel Spannendes bis auf eine Familie, die ein Mädchen ohne Gedächtnis aufgenommen hatten. Die Sorgen der Bäuerin galten aber wohl dem jüngsten Sohn, der einfach verschwunden war, nachdem er dummes Zeug über Dämonen und Teufelsweiber gefaselt hatte. Das war ein Hinweis darauf, dass dieser Sohn wohl auf Vampire gestoßen war, doch Alessio teilte die Meinung seiner Männer, dass der Junge wohl nicht mehr leben würde.
Die Rückkehr der anderen Männer ließ noch auf sich warten, doch kamen alle vier gleichzeitig und berichteten von den neuesten Gerüchten in Marseille. Eine alte Frau hatte offensichtlich zwei Frauen mit einem Baby gesehen, die sie für Vampire gehalten hatte, doch niemand glaubte der Alten. Es hatte ein ungeklärtes Blutbad in der Stadt gegeben, bei der mehrere Männer getötet worden waren, davon einer völlig blutarm.
Die einzige gute Nachricht filterte Alessio sofort aus.
"Also hat sie das Kind inzwischen bekommen. Das ist unsere Chance. Rufen wir die anderen zurück und teilen uns neu auf. Irgendein Gefühl sagt mir, dass sie nach Osten ziehen. Wir haben bessere Möglichkeiten, wenn wir uns alle auf den Osten konzentrieren. Und nun arbeitet die zeit für uns. Ein Baby können wir noch nicht wahrnehmen, es hat nur eine enge Verbindung zu seiner Mutter. Aber Kinder entwickeln sich rasend schnell. Bald ist es offen und aufspürbar für uns. Es wird noch lange dauern, bis es lernt, sich zu verschließen. Und dann haben wir sie." Alessio lächelte. Er würde Mutter und Kind verschonen. Alle anderen würden sterben, denn sie waren Nefandii.

1 Kommentar:

  1. Die Sanghieri haben lange gebraucht um etwas brauchbares zu finden.

    Nun haben sie Hnweise, die gut eine Woche alt sind. Und das ist das einzig brauchbare.

    Allerdings machen sie sich ja leider jetzt fast parallel zur Reisegruppe auf den Weg. Und wenn sie das Baby finden, wird es schwierig.

    Allerdings werden wohl Armand und auch Sergej merken, wie schnell die mentalen Fähigkeiten des Kleinen sich entwickeln. Doch sie rechnen ja nicht mit den Sanghieri.

    Wobei? Erhält Alessio den Plan aufrecht, sich nicht zu verschließen um sie zu hetzen? Dann könnten sie gut gewarnt sein.


    Meiner Idee, dass mit dem Baby etwas sein sollte, hat Alessio ja heute endlich die Absage erteilt. Wobei ich irgendwie nicht ganz glaube, dass sie Anya und Miriam am Leben lassen würden.

    Ich bin schwer gespannt, wie dieses Aufeinandertreffen ausgeht.

    Auch ein interessanter Aspekt heute:
    Der Altersunterschied :D

    Bei Menschen sind 30 Jahre Unterschied eine ganze Generation... Bei Vampiren? Wenn man nun 300 und 330 ist ist man ja quasi gleich alt... :) Ab wann gilt das da als Unterschied? 100 Jahre?
    Ich hatte schon länger die Idee, dass diese Vampire einfach etwa zehnmal so lane leben wie heutige Menschen die sehr alt werden. Sie werden etwa 1000 Jahre alt - ein alter Mensch etwa 100 - So kann man sich vermutlich auch behelfen, wenn es um Altersunterschied geht.

    Somit wären 100 Jahre Unterschied 10 "Vampirjahre" - Das wäre schon merk- und fühlbar.
    Nur so ein paar Gedanken..

    LG
    Joe

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