Samstag, 19. Februar 2011

Noctambule: Rückblick - Klarer Mord

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Ungarn 1325

George lebte sich schnell ein. Gezielt suchte er Anschluss gerade bei den jungen, ungestümen Leuten, die immer wieder mit Wonne gegen Janis' Regeln verstießen. Regelmäßig begleitete er sie bei ihren Streifzügen und kehrte oft genug prahlend zurück, wenn er Reisende überfallen und ausgeraubt hatte.
Armand zog sich angewidert zurück. Georges Gruppe wurde immer wilder. In seinen Augen waren die Regeln, die Janis aufgestellt hatte, sehr nachvollziehbar und gehörten zu einem gewissen Rest letzter Moral. George aber lachte darüber und bestärkte die jungen Leute darin, sogar Schwangere und Kinder zu überfallen. Ganze Familien wurden ausgelöscht, Bauernhöfe lagen brach und immer mehr Menschen begannen, ihre Siebensachen zu packen und fortzuziehen aus der Reichweite der Schlossbewohner.


Isabelle und George zeigten sich immer öfter zusammen. Es war ganz klar ein offener Affront gegen den Anführer, um ihn aus der Reserve zu locken. Und Janis begann tatsächlich, seine Beherrschung zu verlieren. Immer aggressiver betonte er seinen Besitzanspruch auf Isabelle, die dann sofort eine Weile begann, Janis zu umschmeicheln und zu besänftigen.
Für Sergej und Armand war es Zeit, das Schloss zu verlassen. Als Armand und Sergej gerade dabei waren, ihre Taschen zu schultern, um das Schloss zu verlassen, stolperten sie noch im Turm über George und Isabelle, deren Stöhnen nicht zu überhören war. Armand riss einen Vorhang zurück und starrte kopfschüttelnd auf das Paar, das halbnackt hinter dem Vorhang in einer Nische des Treppenabgangs Schutz gesucht hatte.
"Ihr braucht keinen Vorhang, ihr Idioten! Man hört euch durch das ganze Schloss." Armand hatte vorgehabt, den Vorhang einfach offen zu lassen und sich kopfschüttelnd abzuwenden. Isabelle, deren Kopf fauchend herumgefahren war, funkelte ihn an.
"Halt dich raus und lass uns in Ruhe!" zischte sie ihn wütend an und griff nach dem Vorhang. Armand zuckte die Schultern und wollte sich abwenden, als ihn von hinten ein Schlag in den Rücken zur Seite warf. Er taumelte gegen Sergej, der ihn hastig packte und an die Wand zerrte. Hinter ihm war ein bösartiges Fauchen und ein klatschender Schlag zu hören. Als er sich umwandte, sah er Isabelle auf dem Boden liegen. Ihre Wange zeigte einen Handabdruck, ein kleiner Blutfaden zog sich aus ihrer Nase. Janis hatte George an der Kehle gepackt und presste ihn gegen die Wand in der kleinen Nische.
Für Worte war hier schon kein Platz mehr. George riss seine Hände hoch und schlug sie flach auf Janis Ohren. Nur zu gut erinnerte sich Armand selbst an das schreckliche Dröhnen im Kopf, das dieser Schlag auslöste. Auch Janis taumelte zurück. George setzte nach. In schnellem Takt drosch seine Faust auf Janis ein und trieb ihn zurück.
Armand wollte dazwischen gehen, aber Sergej hielt ihn eisern fest.
"Lass das! Sei kein Idiot!" zischte Sergej. Sein Blick lag auf Isabelle, die sich nun aufrappelte und wütend zu den beiden Kämpfern sah. Das Mieder ihres Kleides war weit geöffnet, ihre vollen Brüste waren herausgequollen. Aber das interessierte sie nicht. Sie duckte sich zu einem Sprung. Sergej packte sie und hielt sie fest.
"Du hast genug Unheil angerichtet! Halt dich da raus!" fauchte er. Nun hatte er genug damit zu tun, die wütende Isabelle festzuhalten, während die Prügelei zwischen George und Janis immer wütender wurde. In dem engen Gang des Turmes war nicht viel Platz. Abwechselnd schlugen die Körper der beiden Wiedersacher gegen die Wände, dann stürzten sie ineinander verkrallt die Treppe herunter.
Die Treppe bog sich im engen Kreis abwärts und die innere Wand bremste den Sturz der Beiden. Sie lösten sich voneinander und rappelten sich wieder hoch. Janis, der zwei Stufen über George stand, verlor keine Zeit. Er warf sich erneut gegen George und donnerte seine Faust gegen dessen Kinn.
Georges Kopf flog herum, er verlor erneut den Halt, stolperte die nächsten Stufen herunter und fand Halt an der türlosen Öffnung zum breiten Gang auf der hohen Schutzmauer des Schlosses. Janis flog hinterher und riss ihn erneut mit sich. Die Beiden stürzten hinaus auf den Gang, wälzten sich im Schmutz und droschen aufeinander ein. Als Janis die Oberhand gewann, riss er seine Zähne auseinander und grub sie schmerzhaft in die linke Schulter seines Gegners.
Brüllend trat George ihn mit solcher Kraft zurück, dass Janis gegen die kurze, halb zerfallene Brüstung rollte. Gleichzeitig kamen beide auf die Beine. Die Verletzung hatte George noch wütender gemacht. Beim Aufstehen griff er nach einem der herumliegenden Steine, die sich in jedem Winter aus der Brüstung lösten. Mit einem lauten Schrei warf er sich gegen Janis, holte aus und drosch den faustgroßen Stein gegen Janis Schläfe.
Das Knirschen von brechendem Schädelknochen ging Armand durch Mark und Bein. Neben ihm schrie Isabelle. Sergej fluchte. Janis starrte George in einer Mischung aus Schmerz und Staunen an, bevor seine Augen leer wurden. Taumelnd suchte er mit rudernden Armen nach Halt, als sein Körper das Gleichgewicht verlor.
Janis griff ins Leere. Er fiel rücklings gegen die brüchige Mauer und rutschte seitlich in eine der Schießscharten. Kurz bog sich sein Oberkörper gefährlich weit in den Abgrund zurück aber irgendwie schaffte er es mit enormer Anstrengung noch einmal, sich zu halten. Seine Fingernägel krallten sich brechend in die unebene Mauer. Blut aus seiner Platzwunde tropfte ihm in das linke Auge. Stöhnend drehte er seinen Kopf zu George und sah, wie dieser erneut ausholte. Den zweiten Schlag spürte er schon nicht mehr.
Sprachlos sah Armand, wie sich Janis Körper zurückbog und seine Füße den Halt verloren. Dann kippte er über die Brüstung und verschwand in der Dunkelheit. Erst einige Sekunden später hörten die Vier den dumpfen Aufschlag.
Atemlos und aus dem Mund blutend ließ George den Stein fallen und griff sich an die verletzte Schulter. Als er sich zum Gehen abwandte, starrte er in Armands fassungsloses Gesicht. Georges beginnendes Grinsen erstarrte. Leicht torkelnd versuchte er, festen Halt zu bekommen und bedauerte, den Stein fallen gelassen zu haben.
Sergej ließ Isabelle los und griff nach Armands Arm.
"Es ist Zeit. Wir verschwinden hier." raunte er seinem Freund zu. Er konnte spüren, wie Armands Anspannung bei diesen Worten nachließ. Aber noch immer starrte Armand George an. Seine Augen glitzerten gefährlich und ein kleines Lächeln spielte plötzlich in Armands Mundwinkeln.
"Wir werden uns sicher wieder sehen, George. Und dann denk daran: Ich habe es gesehen."

1 Kommentar:

  1. Wow! Ich mitreißend und plastich, wie Du Kämpfe beschreibst. Respekt!

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