Dienstag, 15. Februar 2011

Noctambule: Dreister Überfall

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Einen derart dreisten Überfall hatte der Herzog noch nie erlebt. Das Bleichgesicht gehörte offensichtlich zu einem unverschämten Banditen, der sich auf das Trittbrett des Landauers geschwungen hatte. Die Kutsche war zwar zügig gefahren, doch nicht zu schnell wegen des einsetzenden Regens und der zarten weiblichen Passagierin. Doch nun riss der Bursche einfach die Tür auf und schwang sich mit erschreckender Gelenkigkeit in das Wageninnere.


Nass und sich übertrieben wie ein nasser Hund schüttelnd plumpste George neben Anya auf die Bank und starrte den Herzog mit hungrigem Blick an. Anya konnte das Beben der Nasenflügel erkennen. Wie versteinert drückte sie sich in ihre Ecke und hielt die Luft an. Der Herzog aber schüttelte seine Verblüffung ab. Er griff in seine Tasche und zog seinen Geldbeutel hervor.
"Ich gratuliere Euch zu der scharfsinnigen Auswahl Eurer Opfer, Monsieur. Diese akrobatische Leistung muss in der Tat fürstlich belohnt werden." erklärte er ruhig und hielt George den Beutel hin. Dieser griff sofort zu und steckte den schweren Beutel ein, ohne den Inhalt zu prüfen.
"Ich danke, Euer Gnaden. Doch habt Ihr zwei wesentlich wertvollere Dinge bei Euch, nach denen mir gelüstet." näselte er affektiert und drehte mit einem leisen, schnurrenden Laut den Kopf zu Anya, die ihn fassungslos anstarrte.
"Eure zauberhafte Begleitung und Euer Blut." beendete George seinen Satz. Der Herzog reagierte sofort. Diese freche Bedrohung erforderte härtere Maßnahmen. Ohne hinzusehen zog er aus einer zwischen der Bank und der Wand verborgenen Scheide einen langen Dolch und drückte de Klinge mit einer blitzschnellen Bewegung gegen Georges Kehle.
"Ihr müsst verzeihen, doch lege ich bei beiden Dingen größten Wert darauf, sie auch zu behalten!" Die Stimme des Herzogs war schneidend geworden. George hob mit übertrieben angstgeweiteten Augen die Hände.
"Uh, Ihr macht mir Angst!" seine Stimme triefte vor Hohn. Offenbar glaubte er nicht daran, dass der Herzog in Gegenwart einer Dame Blut vergießen würde. Für Anya ging alles viel zu schnell. Während sie glaubte, dass die Kutsche eine scharfe Wendung machte und an Tempo aufnahm, stieß George mit einer blitzschnellen Bewegung den Dolch beiseite und warf sich nach vorne.
In der Enge der Kutsche war nicht genug Platz für einen Kampf. Auch hatte Enrique nicht mit dieser Attacke und Geschwindigkeit gerechnet. Sein Versuch, mit dem Dolch trotz Abwehr zuzustechen, schlug fehl. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte er ungläubig auf das grauenhafte Gebiss, das kurz vor seinem Gesicht aufblitzte. Sein Kopf wurde grob zur Seite gerissen. Schmerzhaft spürte er das Reißen von Muskelfasern im Halsmuskel, bevor sich Georges Zähne wie glühende Nadeln in sein Fleisch gruben.

Der Herzog begann hektisch mit den Armen zu rudern. Dabei zischte die Spitze seines Dolchs nur Millimeter an Anyas Gesicht vorbei bevor die Klinge gegen die Wand schlug und zu Boden fiel. Das Klirren riss Anya aus ihrer Starre. Flink griff sie nach der Waffe und hob sie auf. Die Beine des Herzogs begannen zu zucken. Wild versuchte er sich zu wehren. Sein Körper lag unter George. Halb liegend trat er um sich und traf die rechte Arretierung des Verdecks, das daraufhin im Fahrtwind zu flattern begann und heftig an der linken Verankerung riss.
Anya hatte die kurze Waffe endlich sicher in der Hand. Mit einem verzweifelten Laut sammelte sie ihre ganze Kraft stach George die Klinge in die Seite. Als sie spürte, wie die Klinge sich durch Stoff und Haut in die Muskeln schob und an Rippen abprallte, wurde ihr übel. Mit einem wütenden Fauchen ließ George von seinem Opfer ab und wandte sich ihr zu.
Wimmernd presste sich Anya zurück in die Ecke. Georges bleiches Gesicht war eine einzige Fratze. Das Blut des Herzogs tropfte von seinem Kinn herunter, die langen Reißzähne blitzten blutbefleckt aus dem aufgerissenen Mund. Mit einer einzigen, kaum sichtbaren Bewegung holte George aus und schlug Anya den Handrücken ins Gesicht. Ihr Kopf flog herum und schlug gegen die Strebe des Verdecks, das ächzend nachgab und vom Fahrtwind zurückgedrückt wurde. Es bäumte sich auf, blähte sich im Wind und riss halb von dem Landauer ab. Lärmend polterte es nun von außen gegen Straße und Karosserie während Anya der Regen ins Gesicht peitschte.
Benommen und vor Entsetzen gelähmt kauerte Anya in ihrer Ecke. George hatte sich ihr nun vollends zugewandt. Hinter ihm entdeckte Anya auf dem Kutschbock eine verhüllte Gestalt, die die Pferde zum Höchsttempo antrieb. An der zierlichen Gestalt, die unter dem flatternden Umhang zu erkennen war, erahnte Anya die Begleiterin von George. Isabelle.
"Du wagst es, mich anzugreifen, du kleines Miststück?!" fauchte George wütend. Anya wimmerte. Sie hatte seine Stimme in ihrem Kopf gehört, dort wo sie ihn am allerwenigsten hören wollte. Seine Stimme hallte mit mehreren Echos wieder wie ein Donner. In ihrer Hand spürte sie den Griff der Waffe. Ohne nachzudenken stach sie erneut zu.
Der Angriff war zu kraftlos und unüberlegt gewesen. George schlug den Dolch beiseite, packte ihr Handgelenk und verdrehte es so schmerzhaft, dass Anya die Waffe jammernd fallen neben sich auf die Bank ließ.

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