Samstag, 12. Februar 2011

Noctambule: Picknick

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Zum Zweiten Mal durfte Anja nun nachmittags ohne Armand eine Einladung zu einer zwanglosen kleinen Gesellschaft aufbrechen. Dabei waren diese Gesellschaften alles andere als zwanglos. Nach wie vor wurde auch hier auf Etikette größten Wert gelegt. Doch waren die Regeln ein wenig aufgelockert, speziell bei dieser Einladung, denn sie stammte von Madame Dubrés höchstpersönlich. Madame hatte zu einem Picknick geladen.


Wie immer hatte die junge Miriam Anya bei den Vorbereitungen unterstützt.
"Natürlich trägst du ein Nachmittagskleid, du Landei! Und bitte eines, das du schon mal getragen hast, denn Grasflecken sind scheußlich schwer zu entfernen. Danach kannst du es deiner Zofe schenken. Und vergiss deinen Schirm nicht und nimm einen Schal mit! Achwas, ich hole dich ab und kontrolliere erstmal!"
Entsprechend gerüstet und mit Miriams Segen erreichten sie den hübschen Park La Ravelle am Rande der Stadt. Madame hatte ein lauschiges Plätzchen ausgesucht und mit kleinen Tischchen, Stühlen und etlichen großzügigen Decken übersät. Die flache Wiese senkte sich sanft zu den Ufern des Flüsschens ab, uralte Eichen und Weiden zauberten ein romantisches Bild und spendeten luftigen Schatten vor der inzwischen recht intensiven Nachmittagssonne.
Heerscharen von Dienern hatten ein kleines Buffet gezaubert mit duftenden Pasteten, edlen Canapés bis hin zu kalten Fleischspeisen. Als Miriam und Anya eintrafen, herrschte bereits reges und fröhliches Treiben. Ganze Familien waren bereits anwesend, Kinder tobten durch die Tische ein junges Paar spielte eine Art Federball und in all diesem Trubel thronte Madame auf einem eigens für sie herbeigeschafften massiven Stuhl und war wie immer umgeben von ihrem kleinen Hofstaat.
Madame winkte die beiden Freundinnen zu sich.
"Schön, dass Ihr da seid. Sobald wir vollzählig sind können wir auch endlich essen. Gönnt Euch ein Gläschen Fruchtpunsch derweil! Exzellent, muss ich sagen." Miriam kicherte und nahm sich ein Glas vom Tablett. Auch Anya bediente sich und schnupperte daran.
"Keine Bange, Madame Frechdachs. Es ist nur mit Champagner und etwas Weißwein angemischt, keineswegs zu früh am Tage, trinkt nur." ermutigte Madame sie amüsiert und zwinkerte. "Und trinkt zügig, denn sobald Povignans erscheint, wird nichts mehr übrig sein. Er liebt dieses Rezept." Anya stöhnte innerlich. Schon wieder der Herzog. Allmählich gewann sie das Gefühl, dass Madame es darauf anlegte, dass sie ihm begegnete. Aber sie lächelte nur freundlich und kostete. Es schmeckte tatsächlich sehr erfrischend und fruchtig, aber sie war sicher, dass zuviel davon in den Kopf steigen würde. Alkohol – und sei er noch so leicht – am Tage war sie überhaupt nicht gewohnt. Sie beschloss, vorsichtig zu sein und sich lieber an die Säfte und Limonaden zu halten.
"Ich hörte meinen Namen?" schnurrte die Stimme des Herzogs hinter ihr. Anya verschluckte sich beinahe. Als sie sich umdrehte, lächelte er amüsiert zu ihr herunter.
"Ich bin erfreut, Madame! Ich sehe, wir teilen die gleiche Vorliebe für Getränke? Nun, für Euch bin ich bereit, darauf zu verzichten alles für mich zu beanspruchen." schmunzelnd verbeugte er sich und begrüßte die restlichen Damen, bevor er sich ein Glas gönnte.
Miriam beobachtete Anya über den Rand ihres Glases hinweg. Ihr war nicht entgangen, dass der Herzog sein Hauptaugenmerk auf ihre Freundin gelegt hatte. Eine pikante Situation, denn außer ihr wusste ja niemand von dem wahren Verhältnis zwischen Armand und Anya. Sie beschloss, ihrer Freundin zu helfen und wagte einen mutigen Schritt.
"Monsieur le Duc, mein Vater hat mir erzählt, dass Ihr ein hervorragender Boule-Spieler seid! Ich bin auch gut! Bitte bitte, zeigt mir ein paar Tricks und Kniffe!" Anya warf Miriam einen überraschten, aber leicht amüsierten und erleichterten Blick zu. Ihr entging aber auch nicht, das kurze Flackern in den Augen des Herzogs.
In seinen augen war Miriam nichts weiter als eine verzogene Göre. Er würde tatsächlich lieber mit Madame Dubrés tanzen als mit Kindern Boule spielen, doch jetzt saß er in einer gemeinen Zwickmühle. Miriam hatte den bettelnden Blick eines Kindes aufgesetzt und zog einen niedlichen Schmollmund bei seinem Zögern. Anyas nachsichtiges Lächeln zu ihrer kleinen Freundin war schließlich der ausschlaggebende Faktor, sich innerlich seufzend seinem Schicksal zu fügen.
"Aber gern, junge Dame. Aber nur, wenn Eure Freundin mitspielt. Madame, sagt nicht nein, ich brauche Eure Unterstützung gegen diesen Feind!" galant reichte er Anya den Arm und sie nahm dankend an. Die Holzkugeln wurden ausgepackt und in Ermangelung eines vernünftigen Untergrunds kämpften sie zu dritt gegeneinander auf dem Rasen am Ufer um den Sieg.
Die Absicht des Herzogs, die Damen galant gewinnen zu lassen, wurde schnell enttarnt. Zudem musste er zugeben, in Anya einen ebenbürtigen Gegner gefunden zu haben. Anya hatte in ihrer Kindheit mit Hingabe auf den Straßen gespielt. Nicht nur, dass sie dadurch mit unebenem Gelände hervorragend zurecht kam, sie hatte zum ersten Mal wunderbar ausgewogene, ebenmäßige und teure Kugeln in der Hand, die sich tausend Mal besser werfen und rollen ließen als die selbstgebastelten Bälle aus ihrer Kindheit. Und schließlich stand ihrem Kämpferherz eine Niederlage im Weg. Nachdem sie den Herzog oft genug mit lächelnden Sticheleien aufgezogen hatte, beschloss er lachend, nun keine Gnade walten zu lassen. Miriam schied schnell als Gegner aus. Anya und der Herzog vergaßen die Zeit und kämpften verbissen. Und stets unter dem zufriedenen Blick Madame Dubrés.

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