Mittwoch, 16. Februar 2011

Noctambule: Armand greift ein

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Eine seltsame Unruhe hatte Armand nicht ruhen lassen. Anyas Ausflug war nicht der Grund. Am helllichten Tag voller Sonnenschein im Kreis ihrer neuen Freunde war sie sicherer als in seinem Haus. Aber er spürte Georges Präsenz deutlicher denn je. Schlimmer noch, er spürte sie mit steigender Alarmstimmung. Wie ein eingesperrtes Raubtier durchquerte Armand in langen Schritten sein Zimmer. Immer wieder warf er einen vorsichtigen Blick durch die dickten Vorhänge nur um von der blendenden Sonne wieder zurückzuschrecken.


Unruhig wechselte Armand das Zimmer und wanderte nun im Salon auf der anderen Seite des Hauses auf und ab. Hier konnte er die Vorhänge aufziehen, denn diese Seite des Hauses lag im Schatten. Zwar blendete ihn das Tageslicht schmerzhaft, aber er hatte das Bedürfnis, immer wieder hinauszusehen. Insgeheim hoffte er, jederzeit Miriams Kutsche vorfahren zu hören, weil das Picknick vorzeitig abgebrochen worden war. Aber die Kutsche kam nicht.
Das Gewitter kam.
Kaum hatten die Wolken sich genügend verdichtet, verließ Armand im schützenden Umhang das Haus. Er war froh, dass er sich genau hatte erklären lassen, wo Anya den Tag verbringen wollte. Ohne sich um die Menschen zu kümmern, die hastig nach Hause eilten, legte er an Tempo zu. Kaum jemand nahm Notiz von ihm. Die meisten nahmen nur einen vorbeihuschenden Schatten wahr. Aber jeder beeilte sich in diesem Augenblick, in sein trockenes Heim zu gelangen. Der Regen hatte eingesetzt
Als sein feines Gehör den entfernten Schrei Anyas wahrnahm, durchzuckte ihn ein siedender Zorn. Noch einmal erhöhte er sein Tempo und jagte durch die leeren Straßen des kleinen Vorortes, bis er das edle Gespann des Herzogs auf sich zupreschen sah. Der Kutscher stand in die Zügel gestemmt auf dem Kutschbock, der Umhang flatterte und die Kapuze wurde nach hinten weggeweht, als die Kutsche zu einer waghalsigen Kurve ansetzte. Armand erkannte Isabelle.

Die Kutsche hatte durch die Kurve kurz an Tempo verloren. Fauchend setzte er zur Verfolgung an. Das Verdeck der Kutsche flatterte instabil an einer Ecke, löste sich schließlich und wurde nach hinten weggerissen. Armand musste ausweichen und verlor kurz den Anschluss. Dann hatte er die Kutsche eingeholt, packte den Griff zum Aufstieg und schwang sich auf den Kutschbock hoch.
Isabelle hatte nicht mit einem Angriff gerechnet. Überrascht wandte sie ihm den Kopf zu. Armand zögerte nicht. Mit einem gezielten Faustschlag gegen Isabelles Schläfe drosch er sie von dem Kutschbock herunter und kümmerte sich nicht darum, dass sie schmerzhaft auf dem nassen Kopfsteinpflaster aufschlug.
Die Zügel waren nach vorne gefallen und schleiften nun zwischen den Pferden auf dem Boden. Armand versuchte gar nicht erst, sich die Zügel zurückzuholen, sondern wandte sich George zu, der Anyas Kopf gerade an den Haaren in den Nacken riss und zu einem neuen Schlag ausholte. Brüllend warf er sich gegen ihn.
Der Aufprall riss George von Anya weg und schleuderte ihn gegen die kleine Tür, die splitternd nachgab. Beide Männer flogen aus der fahrenden Kutsche heraus und schlugen hart auf dem unebenen Boden auf. Armand war auf George gelandet aber der Schwung riss ihn weiter und rollte ihn über das Kopfsteinpflaster.
Während beide Männer kurz benommen liegen blieben wurde die Kutsche im Hintergrund langsamer. Die führerlosen Pferde blieben verunsichert stehen. Armand rappelte sich wieder auf die Beine. Aber kaum stand er aufrecht, als George gegen ihn prallte und ihn wieder umriss. Diesmal fiel George auf Armand und presste mit seinem Gewicht die Luft aus Armands Lungen.
Armand sah die Faust auf sich zufliegen und konnte sie nicht rechtzeitig abwehren. Krachend landete sie an seiner Schläfe und der Schmerz explodierte in seinem Kopf. Gleichzeitig spürte er Georges Knie auf seinem Bauch und ahnte, dass ein zweiter Schlag folgen würde. Halb blind vor Schmerz riss er seinen Arm hoch und blockte den zweiten Hieb mühsam ab.
Er packte George am Hals und riss sein Knie hoch, um es mit voller Wucht in Georges Rücken zu dreschen. Der Schwung, der George nach vorne schob, reichte aus um ihn am Kragen über Armands Kopf zu reißen und wegzuschleudern. Schmerz und Wut machten Armand schnell. Er schoss hoch und setzte George hinterher.
Aber auch George war schon wieder auf den Füßen. Er duckte sich unter Armands Faust, aber er hatte nicht mit einer Finte gerechnet. Armands linke Faust bretterte mit voller Wucht gegen Georges Kinn und warf ihn nach hinten. Armand setzte nach und schlug mit voller Kraft die Faust in Georges Magen, was ihn zusammenklappen ließ.
Sofort packte er Georges Kopf und zog ihn noch weiter hinunter, seinem hochschießenden Knie entgegen. Er hörte das Brechen der Nase und warf den brüllenden Gegner zurück auf den Boden. Sofort kam er hinterher und umschloss mit seinen großen Händen Georges Hals. Die nassen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, das Regenwasser tropfte von seiner Nase und dem Kinn auf seinen Feind herunter. Er war bis auf die Haut durchnässt. Während er zuzudrücken begann suchte er Georges Blick und hielt ihn fest. Er wollte, dass George seine Absicht erkannte. George sollte wissen, dass er jetzt sterben würde.

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