Samstag, 9. Oktober 2010

Noctambule: Marie

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

"Steh auf!" Seine Hände legten sich sanft an ihre Hüften und mit leichtem Druck unterstützte er seinen Befehl. Obwohl seine Stimme sanft blieb, schien sie von vorne herein jeden Widerspruch auszuschließen. Anya erhob sich und blieb mit gesenktem Kopf stehen. Seine Hände an ihren nackten Hüften lösten einen kleinen, angenehmen Schauer in ihr aus, den er wohl wahrzunehmen schien, denn ein leichtes Lächeln zuckte kurz an seinen Mundwinkeln.

Sie war so klein, dass er seinen Kopf weit zu ihr herunter neigen musste, um seine Nase an ihrem Hals zu reiben und ihren Duft aufzunehmen. Sie konnte nicht sehen, wie genussvoll er dabei die Augen schloss, aber sie hörte sein kurzes, genussvolles Raunen. Er hielt seinen Kopf dicht neben ihren und seine Lippen strichen an ihrem Ohr entlang.
"Sag mir, wem du gehörst." flüsterte er so leise, dass seine Stimme wie ein Hauch ihr Ohr streifte, einige Haarsträhnen leicht bewegte und ihre kleinen Härchen aufstellen ließ. Anya musste schlucken und hob den Kopf ein wenig an. Ihre Augen waren geradeaus gerichtet, aber nach innen gekehrt. Ihre Sinne waren ganz bei dem großen Wesen, das sie mit seinen Händen festhielt, ohne sie wirklich zu halten.
"Ich gehöre dir, Herr." hauchte sie. Sein kurzes, sehr zufriedenes Lächeln entblößte seine scharfen Eckzähne.
"Was wirst du tun?" Wieder trug der Lufthauch seine Stimme in ihr Gehör. Sie runzelte kurz die Stirn. Was genau meinte er? Während sie überlegte und mir sich kämpfte, die Worte richtig zu formulieren, glitten seine Hände ihre Seiten entlang aufwärts, fuhren über ihren schmalen Rücken zu den Schultern und strichen dann sanft zu ihren Oberarmen, um dort liegen zu bleiben.
"Hm?" Offenbar drohte seine Geduld in Ungeduld umzuschlagen, aber noch immer klang seine Stimme unendlich weich, schnurrend wie das Raunen eines Raubtieres kurz vor dem Angriff.
"Ich werde dir dienen, Herr. Ich werde tun, was du von mir verlangst." stieß sie hervor und schluckte.
Zum zweiten Mal sagte sie das nun. Nur dieses Mal ohne in einer erzwungen Ekstase zu sein sondern bei vollem Bewusstsein und klarem Verstand. Offenbar war er zufrieden mit ihrer Antwort.
Sein Kopf verschwand von ihrer Seite und er schien sich wieder aufzurichten. Seine Hände glitten ihre Arme herunter und umgriffen ihre schmalen Handgelenke. Sie wehrte sich nicht, als er ihre Hände hinter ihrem Rücken zusammenführte und mit einer einzigen Hand fest umschloss.
"Das wirst du." bestätigte er ruhig und sah auf sie hinunter. Seine freie Hand strich ihre seidigen Haare sanft über die Schultern zurück. Es schien, als würde er sie glatt streichen, als würde er es genießen, ihre langen Haare geordnet auf dem Rücken liegen zu sehen und so zu befühlen.

Dann schob er sie vor sich her und führte sie mit leichtem Druck aus dem Salon hinaus auf den Gang. Etliche Kerzen erleuchteten den Gang und tauchten ihn in ein warmes Licht. Einige Schritte weiter blieb er stehen und drehte sie zu einem Gemälde, das fast lebensgroß an der Wand hing.
Zu beiden Seiten wurde es von Kerzen in hohen, dreiarmigen Kerzenleuchtern erhellt und Anyas Atem stockte. Es war das Bild einer Frau. Eine wunderschöne Frau, deren dunkelbraune Augen sie direkt aus ihrem leicht gesenkten Kopf anzusehen schien.
Das Kleid, das sie trug, entsprach zwar nicht der gängigen Mode, Anya konnte sich nicht einmal erinnern, jemals so eine Mode erlebt zu haben, aber der dunkelrote Stoff betonte auf wunderbare Weise die zarte Figur und die fast weiße Haut.
Schwarze Haare umrahmten das schöne Gesicht und ein leichtes Lächeln ruhte in ihren Mundwinkeln. Ein schwarzes Halsband zierte ihren schlanken Hals und Anya musste die Augen zusammenkneifen, um die beiden kleinen Buchstaben darauf zu entziffern. "A. S."
Anya versank in die Betrachtung des Ölgemäldes und begann zu glauben, dass diese Frau gleich lächelnd ihre Lippen öffnen würde. Ob sie auch so ein gruseliges Gebiss hatte wie.. sie wusste immer noch nicht seinen Namen.. ihr Herr.

"Das ist Marie. Sie war eine lange Zeit deine Vorgängerin." Seine Stimme wirkt emotionslos und ruhig. "Das ist lange her. Du wirst sie noch übertrumpfen, das weiß ich." Wieder streichelte seine Hand ihre Haare. Anya nickte unsicher.
Sie wusste nicht, was ihr bevorstehen würde. Marie? Aber auf dem Halsband stand A.S.? Tausend Fragen wirbelten in ihrem Kopf umher, zu turbulent, um eine davon zu greifen und den Rest zu sortieren. Zuviel stürmte auf sie ein und vorherrschend war immer noch die Erkenntnis, dass ihr Leben komplett aus der Bahn geworfen war.

Er schien auch keine Antwort von ihr zu erwarten, sondern führte sie – nackt wie sie war – den Gang entlang zu einer großen Flügeltür. Neben den verzierten Türflügeln standen ebenfalls Kerzenständer.
Er stieß die rechte Tür auf, griff nach einem der Kerzenständer und schob sie hinein. Es war stockdunkel in dem Raum, aber er führte sie mit sicherem Schritt etliche Meter in den Raum hinein. Hier spürte sie unter ihren nackten Füßen keinen Teppich mehr, sondern kalter Steinboden.
Sie fröstelte leicht, obwohl es nicht kalt hier drin war. Ein kleiner Druck seiner haltenden Hand ließ sie stehen bleiben. Das Licht der einzelnen Kerze reichte nicht weit in den Raum. Nur schemenhaft ahnte sie Umrisse einer Einrichtung.
"Beweg dich nicht." flüstere seine Stimme hinter ihr. Dann ließ er sie los.

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