Sonntag, 10. Oktober 2010

Noctambule: Die erste Lektion

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule


Sie lauschte den Schritten seiner Stiefel, die langsam durch den dunklen Raum führten. Aber langsam wurde es heller und er durchquerte ihr Sichtfeld. Mit langsamen, beinah andächtigen und äußerst geschmeidigen Bewegungen entzündete er Stück für Stück Unmengen von Kerzen in Wandhaltern, die den Raum schrittweise erhellten. Das erste, was Anya wahr nahm waren die blanken Steinwände des Raumes. Doch dann musste sie blinzeln. Die Einrichtung war bizarr. Bequeme Sessel waren locker in dem Raum verteilt.

Ein Kamin wartete darauf, entzündet zu werden. Rechts von dem Kamin entdeckte sie zwischen zwei Fackelvorrichtungen mehrere Eisenringe in der Wand, von denen Ketten herunter hinten. Auf der linken Seite zierte ein Kreuz aus schwarzem Holz in X-Form die Wand, ebenfalls umsäumt von Fackeln.
An den vier Enden der Holzbalken waren breite Manschetten aus Leder angebracht. Obwohl Anya so etwas noch nie gesehen hatte, war ihr schlagartig klar, dass es ihre Arme und Beine sein würden, die dort gefesselt sein würden. Sie keuchte auf und ihr Herz begann lauter zu pochen.

Er hörte ihr Geräusch und wendete mit einem wissenden Lächeln leicht den Kopf, um sie zu betrachten. In seinem Gesicht lag ein lauernder Ausdruck. Seine Sinne hatten einen Hauch von Angst und Unsicherheit verspürt.
Ohne sie aus den Augen zu lassen ging er einige Schritte durch den Raum. Sein Kopf war leicht geneigt dabei, er sah sie aus den Augenwinkeln an und ein seltsames Lächeln umspielte seine Lippen. Anya glaubte, eine gewisse Vorfreude zu erkennen, ein Wissen um das, was sie erleben und fühlen würde. Eine Gänsehaut überzog ihren nackten Körper.
Seine langen Finger strichen nun über das weiche Leder eines Bocks. Ein einfaches Möbelstück, das aus einem breiten, mit Leder überzogenen Balken bestand, der von vier Beinen getragen wurde. An diesen Beinen befanden sich ebenfalls Manschetten und ohne dieses Ding jemals gesehen zu haben wusste sie, dass ihr Körper darüber gebeugt liegen würde, durch die Fesseln weit aufgespreizt und offen zugänglich.
Dunkle Röte überzog ihr Gesicht, unsicher flog ihr Blick zu seinen schwarzen Augen, die sie immer noch lauernd betrachteten.

Anya ahnte, dass in der Dunkelheit dieses Raumes noch weitere Möbel auf sie warteten. Doch nun kam er wieder auf sie zu, mit weichen, lautlosen Schritten. Ihr Herz hämmerte laut, als er dicht vor ihr stehen blieb und seine Finger ihr Kinn anhoben.
Wie klein sie vor ihm wirkte. Kläglich, unsicher, verängstigt und ein wenig einsam schien sie vor ihm zu stehen. Mit einem genussvollen Raunen sog er diesen Eindruck in sich auf, bevor er aus seiner anderen Hand ein schwarzes Tuch zauberte, das er nun über ihre Augen legte.

Fast bedauerte er es, diese wunderschönen Augen zu verhüllen, liebte er doch ihren flehenden Blick so sehr. Aber er würde ihre Augen gleich sowieso nicht mehr sehen und nur noch seine Sinne und Beobachtungsgabe einsetzen können, um ihre Reaktionen zu erleben.
Sie bebte leicht, als es dunkel wurde. Das letzte, was sie gesehen hatte, war sein wunderschönes, blasses Gesicht und es prägte sich nun in ihr ein, abrufbereit in jeder Sekunde. Sie spürte, wie er es fest verknotete und strich unsicher mit den Händen über ihre Oberschenkel.
"Kleine Anya." raunte seine Stimme erneut an ihrem Ohr und ihre Härchen richteten sich auf. Nie hätte sie geglaubt, dass man so unendlich verstärkt wahrnehmen konnte, wenn die Augen nichts mehr sehen konnten. Zaghaft nickte sie und versuchte zu erlauschen, was nun geschehen würde.
"Du bist mein…" er schnurrte. Wie eine Raubkatze schien er sie zu umkreisen, denn nun hatte seine Stimme an ihrem anderen Ohr die Worte eingehaucht. Seine Finger glitten sanft über ihren Rücken.. dann plötzlich über ihre Brüste oder ihren Arm.
"Ja Herr." Das war die einzige Antwort, die ihr einfiel und sie wusste nicht einmal, ob sie reden durfte.
"Du wirst lernen, für mich zu leiden." Wieder ließ die dunkle, sanfte Stimme ihr Zeit, die Worte zu verdauen. Verzagt nagte sie nun an der Innenseite ihrer Unterlippe und nickte ohne zu ahnen, was er damit meinen könnte.
"Jeden Schmerz wirst du für mich ertragen. Jede Lust wirst du für mich erbetteln. Und du wirst mir dafür danken."

1 Kommentar:

  1. die 1. gelesen und für gut befunden :) und weiter gehts ;) C.H.

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