Donnerstag, 21. Oktober 2010

Noctambule: Hunger

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Ihr Stöhnen ließ seine Augen öffnen. Regungslos starrte er an die Stuck verzierte Decke seines verdunkelten Raumes und lauschte. Ein kleines Lächeln zuckte um seine fein geschwungenen Lippen. Sie war unruhig. Aber er hörte weder einen Ruf, noch ein Klagen oder Schmerzlaute. Er war zufrieden, denn sie versuchte offenbar, die unbequeme Haltung ohne Gegenwehr zu ertragen.
Das war ein Fortschritt. Sie hatte noch viel zu lernen und er freute sich darauf, es ihr beizubringen. Der Duft ihrer Angst und ihrer Lust stieg in seiner Erinnerung auf und die Gier meldete sich wieder. Ihm wurde bewusst, dass er sich dringend Nahrung verschaffen musste, um weiterhin in der Lage zu sein, sich ihr gegenüber zu beherrschen.

Geschmeidig glitt er aus dem Bett und atmete tief durch. Seine langen Finger strichen über einen der schweren Vorhänge und er erhaschte einen Blick in die dunkle Nacht. Endlich. Der Tag war vorüber.
Es war trocken und kühl heute. Gutes Wetter für seine Beute. Sie würden heute zahlreicher unterwegs sein als gestern bei dem Unwetter. Mit einem hungrigen Lächeln verließ er das Haus und verschmolz draußen in den Schatten der Nacht.
Die Geschwindigkeit, mit der er sich fortbewegte, war zu hoch für das Auge seiner Beute. Die Menschen waren so schwach, ihre Instinkte so verdorben, dass sie die Gefahr erst begriffen, wenn sie sich ihnen zeigten.
Manchmal hatte er ein wenig Mitleid mit ihnen. Aber das kam nicht oft vor. Auch heute nicht, denn er hatte Hunger. Geduldig lauerte er in den Schatten der Häuser auf das richtige Opfer. Betrunkene mied er. Ihr Blut schmeckte nicht, es war sauer, fast bitter durch Alkohol und schlechte Kneipenluft.
Oft genug hatte er versucht, ihr Blut zu reinigen, indem er sie dauerhaft der Todesangst aussetzte, aber es hatte nicht viel geholfen.
Er brauchte einen nüchternen, möglichst jungen Erwachsenen. Kinder waren nur eine Zwischenmahlzeit und er mied sie, denn ihre geringe Kraft löste keinen Anreiz für ihn aus. Sie waren nicht zu jagen, sie verdarben mit ihrer Hilflosigkeit seine Freude.
Ein junger Mann weckte seine Aufmerksamkeit. Witternd folgte er den beschwingten, fast glücklich wirkenden Schritten des Jünglings durch die dunklen Straßen.
Seine Beute pfiff leise vor sich hin, die Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergraben, ab und zu kickte er ein Steinchen über das Kopfsteinpflaster und immer wieder fiel er in tänzelnde Schritte. Der Jäger grinste und legte den Kopf schief. Dieser Junge Mann würde seine glücklich verliebte Stimmung bald eintauschen. Die Jagd konnte beginnen.

Als er sich dem jungen Mann das erste Mal zeigte, löste er offenbar nur einen kurzen Schreck aus, da er ihn aus seinen Gedanken riss. Er genoss den leicht verblüfften, skeptischen Gesichtsausdruck im Gesicht des Mannes.
Es war immer so. Die Menschen glaubten ihren Sinnen nicht. Die zweite Begegnung beschleunigte den Puls des Opfers, das Misstrauen wuchs und die ersten Angstregungen traten auf.
Die feine Nase des Jägers blähte sich freudig auf. Immer wieder überholte er den Mann, trat aus dem Schatten oder erwartete ihn an einer Ecke, bis seinem Opfer klar wurde, dass diese Begegnungen keinesfalls Zufall waren und auch nicht mit rechten Dingen zuzugehen schienen.

Es war Zeit für Stufe zwei: der Jäger entblößte sein Gebiss und stieß ein langes, tiefes Knurren aus. Wie köstlich der Duft von Panik aufkam! Nun begann der Mann zu rennen. Ein lächerliches Tempo für seinen Verfolger, aber es brachte das Blut in Wallung, durchblutete es frisch und verteilte das Adrenalin im Körper.
Die Flucht wurde kopflos. Die Jagd blieb entspannt und immer wieder musste er auf die Ankunft des Mannes warten. Von weitem schon hörte er den keuchenden Atem, die hastigen Schritte auf der Straße.. er begann zu stolpern und Panik kam auf. Der Jäger trieb seine Beute in eine Sackgasse. Bei Männern war der Versuch der Gegenwehr ein feines Spiel, das er gerne auslöste und auch hier hatte er Erfolg.
Der junge Mann griff nach einer Metallstange und stellte sich seinem Verfolger. In wütender Panik versuchte er, seinen viel größeren Angreifer mit der Eisenstange zu attackieren und riss fassungslos die Augen auf, weil er nicht imstande war zu treffen.
Ein einziger Treffer wurde ihm erlaubt, denn die Erkenntnis, dass die Hand seines Angreifers sich blitzschnell um die Stange legte und scheinbar mühelos den Schlag stoppte, erhöhte die panische Angst.
Dem Mann war nun klar, dass er es nicht mit einem normalen Angreifer zu tun hatte. Hier stimmte etwas nicht, hier waren höhere Mächte am Werk und er war ihnen nicht gewachsen. Endlich konnte der Jäger die brodelnde Todesangst seines Opfers riechen und sein Hunger verdrängte schlagartig den Spieltrieb.

Es war Zeit. Seine Hand schloss sich um den Hals des zappelnden Jünglings und wuchtete den Körper gegen die Wand eines Hauses. Er erstickte den Schrei nicht, den der junge Mann ausstieß, als er erneut das unglaublich spitze Gebiss seines Angreifers sah.
Mit einem lauten Fauchen schlug er seine Zähne tief in den Hals des Mannes, durchbohrte die Hauptschlagader und begann, das warme, sprudelnde Blut aufzusaugen. Das letzte, was dieser Mann sehen würde war das schöne Antlitz des Todes, bevor der Blutverlust sein Sehvermögen raubte.
Gierig sog er das Blut aus dem erschlaffenden Körper und der Hunger trieb ihn dazu, den Hals seiner Beute regelrecht zu zerfleischen. Niemand sah das Aufglimmen der schwarzen Augen, niemand hörte das Knurren und wieder würde niemand erfahren, wer dieses Verbrechen begangen hatte.
Erneut würde man vor einem oder mehreren tollwütigen Hunden in der Stadt warnen und dazu raten, nur in Gruppen oder möglichst gar nicht die Häuser nachts zu verlassen.
Die Zeitung würde sich in Vermutungen überschlagen, dass ein perverser Mörder sein Unwesen trieb und keiner der Menschen würde glauben, dass ihn selbst dieses Schicksal ausgerechnet bei einem kleinen Ausflug ereilen könnte.
Gesättigt, aber enttäuscht ließ er sein lebloses Opfer fallen und starrte auf den blutleeren Körper. Er hatte, was er für die nächsten Tage brauchte.
Aber seitdem er seine kleine Anya in seinem Haus hatte, war der Geschmack der übrigen Menschen fade geworden. Mit plötzlicher Wucht sehnte er sich nach dem süßen, aromatischen Duft seiner kleinen Sklavin, nach ihrem hilflosen und unterwürfigen Blick, ihrem bebenden, zierlichen Körper und nach ihren Lustschreien. Mit einer hastigen Bewegung wandte er sich um. Zeit, sich um seine Kleine zu kümmern.

1 Kommentar:

  1. hahaha^^ das erinnert mich an Twilight, Bellas Blut war ja auch für Edward total anziehend, nur das DAS HIER nicht so ein Kitsch sondern Hardcore ist
    Gefällt mir :))

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