Freitag, 8. Oktober 2010

Noctambule: Neue Demut

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Anya lauschte ihren eigenen Worten hinterher. Sie wirkten stärker, als wenn sie ihre Unterschrift unter einen Vertrag gesetzt hatte. Sie hoffte, dass ihn ihre Worte besänftigten und mehr noch, sie wünschte sich, er würde sie ihr als ehrliches Versprechen glauben. Sein blasses Gesicht blieb maskenhaft starr. Mit einer sehr langsamen, sanften Bewegung schob er nun seine Hand zu ihrem Gesicht und legte sie an Anyas Wange.
Sein Daumen streichelte ihr Jochbein. Diese zärtliche kleine Berührung löste ein Flattern in ihr aus, strich den Schrecken über seine unbändige Kraft, seine Macht über sie und die drohende Gefahr seiner raubtierhaften Zähne mit einem Wisch beiseite.
Mit dem Wissen, in dieser Hand bereits Schutz und Geborgenheit zu finden, schmiegte sie ihre Wange eng in seine Handfläche. Ein vorsichtiges Lächeln hob ihre Mundwinkel, als sie zu ihm aufsah und mit fragendem Blick in der Tiefe seiner Augen forschte.
Hatte sie nicht gerade eben ein kleines, freudiges Funkeln dort gesehen? Wenn ja, war es schon wieder verschwunden und der rätselhaften Leere gewichen, die sie bereits kannte.

"Wie ist dein Name?" Seine Stimme hatte an Wärme gewonnen. Tief, weich, fast schnurrend drangen ihre Worte in ihr Hirn, umschmeichelten ihre Sinne und betörten sie.
"Anya, Herr." Ihrem aufmerksamen Blick entging das kaum merkliche Nicken nicht. Alleine die Tatsache, dass er Interesse an den Details ihrer Person zeigte und sie damit aus ihrer Anonymität herausholte, erfüllte sie mit Freude.
Sie war nicht länger eines der unzähligen namenlosen Opfer, sie war keine schlichte Beute mehr. Er hatte sie in seine unmittelbare Umgebung gezogen. Wärme durchflutete sie. Zu gern hätte sie seinen Namen gewusst, wagte aber die Frage nicht.
Er würde ihn ihr mitteilen, wenn er es für richtig hielt. "Herr" war als Anrede genug, einzigartig und bezog sich ab sofort nur noch auf ihn. Kurz flog ihr altes Leben an ihr vorbei. Arbeiten, Armut, Gehorsam, Pflichten, keine Freizeit.. es gab nichts, was sie vermissen würde.
Ohne zu Zögern wischte sie ihre Gedanken fort, verabschiedete ihre Vergangenheit in das Archiv ihrer Erinnerungen und wandte sich mit wesentlich freierer Aufmerksamkeit ihrem neuen Herrn zu.
"Kleine Anya." Murmelte er gedankenverloren. Seine Augen ruhten zwar auf ihr, aber offenbar sah er etwas ganz anderes. Erneut wurde ihr bewusst, dass sie nackt vor ihm hockte. Sie hatte das tatsächlich für einen Moment vergessen.
Ihr Puls beschleunigte sich kurz und sofort wurden seine Augen wieder aufmerksam. Blinzelnd überlegte sie, ob er nicht doch tatsächlich ihren Herzschlag hören konnte. Langsam traute sie ihm alles zu.

Und trotzdem überraschte sie sein plötzliches Aufstehen. Noch nie hatte sie so fließende, weiche Bewegungen gesehen, mit denen er sich an den Lehnen seines Sessels aufstütze, aber nicht hoch zu drücken schien. Er stand einfach! Vorsichtig hob sie den Blick zu ihm. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, so hoch türmte er sich direkt vor ihr auf.
Er hatte seinen Kopf zurückgebeugt und seine schwarzen, noch immer hinten gebündelten Haare umrahmten sein Gesicht, verstärkten die Blässe seiner Haut. Langsam und lautlos schritt er hinter sie. Anya wagte nicht, den Kopf zu ihm zu drehen.
Als sie sein Gesicht aus den Augen verlor, senkte sie den Blick auf den weichen Teppich vor sich. Sie spürte ihn dicht hinter sich. Er ließ sich Zeit, wanderte mit den Augen über ihren schmalen Rücken, maß die sanften Schwünge ihrer Hüften und betrachtete mit leichtem Lächeln ihre noch immer geröteten Pobacken.
Sie hockte auf ihren Füßen und er konnte die schmutzigen Sohlen erkennen. Hier, hinter ihr stehend, erlaubte er sich unbemerkt ein tiefes Einatmen und ließ seine Zunge gierig über seine spitzen Zähne gleiten, als müsse er ihre Schärfe testen.

Seine Entscheidung würde ihm einiges abverlangen, das wurde ihm mit jeder Minute klarer, die er dieses kleine Geschöpf um sich hatte. Er würde ständig gegen seine Gier ankämpfen müssen, die sie zerstören würde.
Ihre Demut kroch langsam und zaghaft an die Oberfläche, das konnte er spüren. Sie rauschte immer stärker durch ihre Adern und erzeugte einen unbeschreiblichen Appetit. Es juckte in seinen Fingern, sie einfach zu packen, seine Zähne in ihren Hals zu graben und diesen köstlichen Geschmack aus ihr herauszusaugen. Das durfte nicht sein.

1 Kommentar:

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