Dienstag, 27. September 2011

Noctambule II: George erholt sich

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Elf Tage hatte George sich nun versteckt, um seine Verletzungen auszukurieren. Zwar war das Meiste bereits nach einigen Tagen vergessen, doch war er viel tiefer verletzt und brütete vor sich hin. Eine Frau hatte ihn angegriffen und es sogar beinahe geschafft, ihn zu töten. Schlimm genug, dass es eine Frau war, es hatte auch noch ausgerechnet dieses zarte Wesen sein müssen, die er in der Hand zu haben geglaubt hatte!
Am schlimmsten war das abgerissene Ohr. Die Wunde war verheilt, doch das Ohrläppchen nicht nachgewachsen. Auch wenn sein Gehör nicht gelitten hatte, fühlte er sich entstellt und hässlich. Ausgerechnet er, der so großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres und Schönheit liebte, war gezeichnet.

Einige Schüsse, die die Soldaten auf ihn abgefeuert hatten, waren dank seiner schnellen Reflexe an ihm vorbei in der Hauswand hinter ihm eingeschlagen. Allerdings hatte er einen Streifschuss abbekommen, der jedoch nur seinen bereits lahmen rechten Arm zusätzlich verletzt hatte und einen glatten Durchschuss an der linken Schulter.
George hatte sich aus dem Hafenviertel hinaus an die Küste gerettet und war in einer kleinen Kapelle untergekrochen, die auf dem Hügel eines alten Friedhofes stand. Hier hatte er Schutz vor dem Tageslicht gefunden und fand schnell heraus, dass die Beute auch noch freiwillig zu ihm kam.
Sein erstes Opfer war der alte Pfarrer der kleinen Randgemeinde, der ihn beinahe entdeckt hatte. Sein altes Blut war nicht mehr schmackhaft und George musste sich zwingen, es in sich aufzunehmen, um bei Kräften zu bleiben. Das war eine gute Übung, denn er musste schnell feststellen, dass hier nur noch alte Menschen her kamen, die die Gräber ihrer Angehörigen pflegten und sich zu stummen Zwiesprachen mit den Toten auf die Bänke setzten.
Tagsüber kam er leider nicht an sie heran, denn die meisten waren einfach zu weit weg von der Kapelle. Nur zweimal schleppte er sich mühsam zum Hafen, um dort kräftige Männer zu überfallen, die ihn mehr stärkten, als die alten es tun konnten. Der erste Regentag wurde einer alten Frau zum Verhängnis und am frühen Abend eines bedeckten Tages holte er sich einen weiteren Mann.
Er konnte davon ausgehen, dass hier niemand vermisst wurde. Dennoch konnte und wollte er nicht länger als nötig bleiben.

Nachdem er sich erholt hatte, wagte er wieder größere Streifzüge und es zog ihn zurück in das Hafenviertel. Sein entstelltes Ohr verdeckte er mit seinen Haaren, die er nun nur noch zu einem lockeren Zopf band, sodass sie beide Ohren überdeckten.
Er war dankbar, dass das Glück auf seiner Seite zu sein schien, denn durch die Verletzungen hatte er nicht mehr genügend Energie gehabt, sich ununterbrochen vor der Außenwelt abzuschotten. Offenbar war es weder Sergej noch Armand gelungen, ihn zu orten, doch blieb er auf der Hut.
Schon in der ersten Nacht im Hafen wurde ihm klar, dass es im ganzen Viertel summte. Soldaten patrouillierten, immer wieder gab es Kontrollen oder Häuser wurden durchsucht und jeder wurde misstrauisch beäugt.
Natürlich hatte sich George Gedanken gemacht, warum plötzlich Soldaten bei ihm aufgetaucht waren. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wodurch man auf ihn aufmerksam geworden war. Entweder hatte man ihn dabei beobachtet, wie er das Mädchen entführt hatte und die Soldaten alarmiert, oder aber man brachte ihn auf seltsame Weise mit einem anderen Verbrechen in Verbindung.
Er tendierte zu letzterem, denn es war nicht ungewöhnlich, dass man Fremde für etwas beschuldigte, was sie gar nicht getan hatten. Fremde waren nun einmal in solchen Vierteln nicht gerne gesehen und er hatte es nicht gerade darauf angelegt, sich Freunde zu schaffen.
Wenn dieser Pöbel nun glaubte, ihn damit los geworden zu sein, dann würde er sich wundern. Sein Gedächtnis arbeitete gut und die einzigen Menschen, mit denen er sich näher befasst hatte, waren die Huren gewesen. Sicher hatte die eine oder andere bereits ein Auge auf ihn geworfen und neidete einer anderen den Erfolg.
Nun, er würde die Damen aufsuchen und herausfinden, welche von ihnen ihn verraten haben könnte. Widerstehen würde keines der Weibsbilder, dafür würde er schon sorgen. Aber sie würden sich auch wünschen, niemals ein Geschäft mit ihm angestrebt zu haben.
Der Gedanke ließ ihn zufrieden knurren, während er im Schatten einer Lagerhalle das Treiben am Hafen beobachtete. Nebenbei hoffte er auch die kleine Nutte zu finden, die er Anya mitgebracht hatte. Sein Biss war nicht tödlich gewesen, dafür hatte diese kleine Schlampe Anya ja gesorgt. Auch das würde er nachholen.

1 Kommentar:

  1. George ist dermaßen von Hass zerfressen, dass sich eigentlich täglich die Zahl seiner Feinde erhöht.

    Irgendwann muss ihm das ja über werden. Eigentlich frage ich mich, wer in den letzten paar hundert Jahren da noch auf der Liste gelandet ist.

    Interessant auch, wie wenig ihm reicht um wieder neue Feindschaft zu erzeugen.

    Schade, dass es in fast zwei Wochen niemand gelungen ist, ihn zu finden. Jetzt ist er, zumindest Körperlich, wieder gesund. Und wenn George sich nicht im Hafenviertel rumgetrieben hat, wer hat denn dann da die brutal entstellten Leichen hinterlassen?

    Und ist er es nun, der der armen kleinen Joscelin folgt?

    Liebe Grüße
    Joe

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