Sonntag, 25. September 2011

Noctambule II: Der Umzug

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Joscelin schlief zusammengerollt auf der Seite, als Anya durch die lockeren Holzbretter schlüpfte und sich dahinter wieder streckte. Anya sammelte leise alles zusammen, was sie in den vergangenen Tagen gesammelt hatten und was wichtig war. Lebensmittel und der Wasserkrug landeten in der Stofftasche, Decken und Ersatzkleider würden wieder in den Umhang gewickelt werden, sobald das Mädchen wach war.

Dann hockte sie sich neben Joscelin und streichelte sanft über ihre Haare. Lächelnd betrachtete sie das schlafende Gesicht. Seitdem sie sich durchgesetzt hatte und Joscelin keine Schminke mehr in ihr Gesicht kleisterte, hatte das Mädchen ein richtig hübsches, sanftes Gesicht. So, wie es sich für ein junges Ding in ihrem Alter auch gehörte, fand Anya zufrieden und strich eine braune Haarsträhne aus der Stirn.
"Wach auf, Joscelin. Wir ziehen um." raunte sie vorsichtig, um die Kleine nicht zu erschrecken. Joscelin räkelte sich und blinzelte verschlafen.
"Hmmm?" Als sie das lächelnde Gesicht Anyas erblickte, hellte sich ihre Miene auf. Schlagartig war sie wach, denn Anya hatte sie noch nie absichtlich geweckt. Etwas musste passiert sein. Aber Anya blieb ruhig.
"Wir ziehen um. Ich habe ein wunderschönes Hausboot gefunden. Intakt, abgelegen und leerstehend. Komm!" Verpeilt kam Joscelin hoch und sah Anya zu, wie sie die Decken zusammenlegte.
"Ein Hausboot? Ein richtiges Hausboot?" fragte sie mit wachsender Begeisterung nach. Anya nickte lächelnd und schlug den Umhang um das Bündel.
"Ja. Da dürften wir auch recht sicher sein. Trotzdem werden wir aufpassen und nachts alles absperren." Joscelin nickte eifrig und half Anya dabei, alles wegzuräumen und zu packen. Viel war nicht mehr übrig, aber sie hinterließen das Versteck des Mädchens so, als wäre dort niemals jemand für mehrere Tage gewesen.

Anya führte das Mädchen aus dem Viertel hinaus und blieb konzentriert wachsam. Ihre fehlende Eigenschaft, andere Vampire aufzuspüren, machte sie um so misstrauischer und aufmerksamer, denn George wollte sie auf keinen Fall jetzt begegnen.
Anya hatte das Hausboot ohne ausgefahrenen Steg zum Ufer verlassen und musste ein weiteres Mal hinüber springen. Obwohl die Distanz nicht besonders groß war, musste sie doch nach oben springen und Joscelin sperrte staunend den Mund auf, als sie die Geschmeidigkeit und Leichtigkeit in Anyas Bewegungen sah.
Nachdem Joscelin an Bord war, zog Anya den Steg wieder ein und legte ihn seitlich an das Geländer. Kein normaler Mensch würde so heran kommen, ohne nass zu werden. Sie sah dem Mädchen lächelnd hinterher, das nun begeistert eine Besichtigung startete. Als sie ihr in das Haus folgte, hörte sie begeisterte Quietscher.
"Da ist ein richtig großes, echtes Bett!" "Anya, hast du die Vorräte gesehen?" "Geräucherter Fisch! Das ist ja Wahnsinn!"
Grinsend spazierte Anya hinter dem Mädchen her, das völlig aus dem Häuschen war vor Freude. Sie schien nicht zu hinterfragen, wie dieses tolle Boot leer stehen konnte oder warum frische Lebensmittel hier waren.
Als sie sich endlich mit geröteten Wangen zu Anya umdrehte und ihr in den Arm fiel, atmete Anya tief durch, umarmte das Mädchen und strich ihr über die Haare. Endlich schien sich Licht am Horizont abzuzeichnen. Jetzt würde sie besser auf Joscelin aufpassen können und konnte einer Zukunft entgegen sehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie eine Situation alleine gemeistert. Das machte ihr Mut. Den Rest würde sie auch noch schaffen.

1 Kommentar:

  1. Anya richtet sich mehr und mehr darauf ein, ihr Leben demnächst allein zu gestalten. Wobei ich mich frage, wie hart es sie erwischen wird, wenn sie dann irgendwann im achten oder neuten Monat versucht Beute zu bekommen. Sie wird ja bis dahin eher mehr als weniger benötigen.

    Und sie wird sich schon weiter damit abfinden müssen, die Menschen richtig auszukosten. Sonst wird das nichts.

    Und was plant sie auf lange Sicht mit Joscelin? Irgendwie muss das doch mal zu einem Ergebnis kommen? Joscelin wird nicht ewig die Augen vor dem verschließen können, was Anya tun muss um zu überleben. Und ich bzweifle, dass sie es sein wird, die ihr die Beute bringt, wenn sie hochschwanger da liegt. Eher, dass sie zu einer Beute wird.

    Aber idyllisch ist es schon :)

    Liebe Grüße
    Joe

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