Montag, 26. September 2011

Noctambule II: Die kleine Marktfrau

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Das Leben meinte es wohl doch gut mit ihr. Sie vermisste ihre Mutter kein bisschen, nur ab und zu ihre kleine Schwester. Aber sie sprach nicht darüber. Joscelin hatte es noch nie so gut wie jetzt und das verdankte sie dieser ruhigen, schönen Frau, die immer ein wenig traurig wirkte, aber sehr liebevoll mit ihr umging.
Sie hatte striktes Verbot erhalten, nicht wieder das Hafenviertel zu betreten und wenn, dann nur in Begleitung von Anya. Aber sie wollte selbst gar nicht mehr dorthin zurück. Wenn Anya tagsüber schlief, verbrachte sie ihre Zeit mit Haushalt oder Angeln.

Das Angeln hatte es ihr angetan. Der Vorbesitzer hatte eine komplette Angelausrüstung zurückgelassen. Joscelin fragte nie nach, was aus dem Vorbesitzer geworden war. Ein wenig gruselte sie sich schon vor der möglichen Antwort.
Aber nachdem sie einfach mal eine Angel ausgeworfen hatte und recht schnell einen recht großen Fisch an der Angel hatte, war das Angelfieber in ihr geweckt. Sie hatte den Fisch wieder verloren, weil sie zu hektisch an der Angel gerissen hatte.
Aber mit der Zeit lernte sie vorsichtig, geduldig und mit viel Gefühl an die Sache heranzugehen. Sie sammelte am Ufer reichlich Würmer als Köder und befestigte mehrere Angeln gleichzeitig am Geländer des Bootes. So schien es der Vorbesitzer auch gemacht zu haben, denn dort waren einige Befestigungshilfen.
Wenn sie dann warten musste auf einen Biss, übte sie das, was Anya ihr als Hausaufgaben gegeben hatte, denn Anya hatte beschlossen, dass sie lesen und schreiben können müsse. Sie fand das sehr spannend und Anya war eine geduldige Lehrerin.
Irgendwo hatte Anya eine Tafel aufgetrieben und so kritzelte sie fleißig Buchstaben und Worte vor sich hin und hatte ihre helle Freude daran, wenn ihr ein neues Wort einfiel mit den Buchstaben, die sie schon konnte.
Nach ein paar missglückten Versuchen und etlichen verbrannten Fingern bekam sie den Räucherofen in Gang, den sie am Bug des Bootes entdeckt hatte. Noch lag genug Buchenholz neben dem Ofen, doch rätselte sie bereits, wie sie an neues Holz kam, damit es entsprechend ablagern konnte. Die ersten geräucherten Fische verzehrte sie mit Anya zusammen und war begeistert. So räucherte sie nun die Fische und konnte sie länger aufbewahren.
An diesem Tag, fünf Tage nach ihrem Umzug auf das Boot, marschierte sie fröhlich in die Stadt hinein, um ihre Fische auf dem Markt anzubieten. Die fünf Fische lagen in einem Korb hübsch angerichtet und sie war zuversichtlich, diese auch zu verkaufen.
Sie hatte sich hübsch gemacht, ihre Haare frisch gewaschen und zu einer artig geflochtenen Frisur geformt, die ihr Anya gezeigt hatte. Die Aufregung hatte Farbe in ihre Wangen getrieben, während sie sich zwischen die Menschen schob und sie krähte immer wieder fröhlich: "Frisch geräucherte Fische!!"
Etliche spähten in ihren Korb, aber großes Interesse schien nicht zu bestehen. Stattdessen meldete sich eine Marktfrau keifend.
"Verschwinde hier, du Nichtsnutz! Mach dass du wegkommst! Friss deinen Dreck selber!" Joscelin erschrak nicht wirklich. Solche Beschimpfungen war sie von früher gewohnt. Sie wollte gerade zu einer Parade ausholen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, was sie nun doch zusammenzucken ließ.
Die Hand gehörte zu einem kleinen Priester, der sie gütig anlächelte und sofort die Hand zurück zog, als sie herumfuhr. Beschwichtigend hob er seine Hände, lächelte jedoch und nickte ihr zu.
"Deine Fische sehen sehr gut aus, junge Dame. Was sollen sie denn kosten?" Joscelin war überrumpelt. Die Röte schoss in ihre Wangen und sie begann zu stammeln.
"Ich.. ich weiß nicht." Sie hatte überhaupt nicht über Preise nachgedacht und ihre Ratlosigkeit löste nun ein leises, bebendes Lachen bei dem Priester aus. Hastig schielte sie zu den Ständen und versuchte, die Preise der Fischfrauen zu erspähen.
"Nun, wie ich sehe, hast du ihn geräuchert, eh? Das macht ihn natürlich teurer als frischen Fisch, weil du noch Zutaten dafür benötigst. Was meinst du, würdest du mir alle verkaufen?" Joscelins kurze Verunsicherung schwenkte um in helle Freude. Alle Fische auf einmal zu verkaufen und dann auch noch einige Sous nach Hause zu bringen, das war der absolute Höhenflug. Die Münzen, die in der Hand des Pfarrers lagen, ließen sie sofort eifrig nicken.
"Das ist nur ein bisschen mehr als frischer Fisch kostet. Darf ich dir einen Rat geben?" Wieder nickte Joscelin schnell. "Du solltest dir eine Lizenz für den Markt beschaffen, sonst kannst du ins Gefängnis wandern. Und wenn du Erfolg beim Verkaufen haben möchtest, dann überlege dir ein Rezept, das hier keiner anbietet." Das Mädchen nickte konzentriert und steckte schnell die Münzen in ihre Tasche. Der Fisch wechselte seinen Besitzer und Joscelin knickste vor ihm.
"Werde ich tun, danke sehr Euer Ehren." Der Priester lachte auf und fuhr ihr über den Schopf.
"Ich bin kein Richter, junge Dame. Es reicht, wenn du Hochwürden sagst. Nun lauf nach Hause und sage deiner Mutter, dass ich mich über ein fleißiges, braves Mädchen gefreut habe." Joscelin knickste noch einmal und verließ so schnell sie konnte den Markt.
Immer wieder fühlte sie auf dem Heimweg nach den Münzen. Es war ihr erster Verdienst, der sie nicht ekelte oder ihr weh getan hatte. Sie schwebte vor Stolz und Hochgefühl und hüpfte den ganzen Weg fröhlich herum.
Dass ihr Heimweg beobachtet wurde, hatte sie nicht bemerkt.

1 Kommentar:

  1. Ahhh!!! Wer folgt der kleinen Joscelin denn jetzt da?

    Wenn es einer unserer schon bekannten ist, kann es ja eigentlich nur George sein. Denn weder Armand noch Sergej wissen schließlich von ihr. Und wenn der Bastard sich jetzt weit genug erholt hat, dann wird das eine fiese Angelegenheit.

    Anya hegt viel Sympathie für Joselin und wird sie nicht leichtfertig opfern. George könnte das Skrupellos ausnutzen.

    Und das, wo Joscelin gerade anfängt etwas Erfolg zu haben. Ich frage mich, was der kleine Pfarrer gesagt hätte, wenn Joscelin wahrheitsgemäß geantwortet hätte: "Ich gehe nicht zu meiner Mama, sondern zu einer Vampirin, mit der ich zusammen wohne. :D

    Liebe Grüße
    Joe

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