Freitag, 9. September 2011

Noctambule II: Das wirst du nur einmal erleben

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Joscelin wischte sich angewidert die Hand ab und rannte los.
"Ja, lauf nur, du kleine Schlampe!" rief der Kerl ihr hinterher und lachte noch, als sie um die Ecke lief. Erst am Stadtbrunnen machte sie Halt und tauchte beide Hände in das kalte Wasser, um sie wieder sauber zu bekommen.
Sie rubbelte und spülte, aber selbst als die Hände schon eiskalt und aufgeweicht waren hatte sie immer noch dieses warme, klebrige Gefühl an der rechten Hand. Resigniert trocknete sie ihre Hände an ihrem schmutzigen Rock ab und hockte sich auf die Stufen vor dem Brunnen.
In der Tasche ihres Rockes klimperten die Münzen, die sie für diesen kleinen Dienst bekommen hatte. Maman könnte sich zur Abwechslung mal darüber freuen, aber sicher gäbe es wieder nur Ärger, weil es nicht mehr war. Sie würde noch einmal los ziehen müssen.

Joscelin hatte keine große Angst, zu dieser späten Stunde noch auf den Straßen zu sein. Es war schon weit nach Mitternacht und für sie die beste Zeit. Sie hatte die Arbeit ihrer Mutter übernommen, die sie vor dreizehn Jahren auf die Welt gebracht hatte und die ihr immer wieder vorwarf, dass sie daran schuld war, weil es ihnen so schlecht ging. Joscelin verstand das zwar nicht ganz, aber die Tatsache, dass es ihr, Maman und ihrer kleinen Schwester so schlecht ging, war nicht zu leugnen.
"Hab dich nicht so! Sieh zu, dass die Kerle dafür gut zahlen und tu was sie sagen! Es ist doch nur dein Körper!" pflegte Maman immer zu sagen.
Sie blickte an sich herunter. Ihr dünner Körper hatte noch gar nicht viel von einer Frau. Maman lachte sie immer aus oder schimpfte darüber. Maman musste früher eine echte Wucht gewesen sein. Sie hatte richtig pralle Brüste, nicht so flach und zurückgeblieben wie ihre eigenen. Joscelin schämte sich dafür, aber sie konnte es nicht ändern. Aber sie hatte ein paar kleine Kissen genäht, die sie immer in ihren Ausschnitt stopfte und das gefiel den Männern.
Die meisten waren betrunken genug, den Unterschied gar nicht zu merken. Viele grabschten auch lieber an ihren Po herum als an ihren Brüsten. Es störte sich auch niemand an der schmuddeligen Kleidung. Oft musste sie sich nicht ausziehen. Meistens reichte es, den Rock zu heben oder sie brauchte sowieso nur ihre Hand wie eben.
Joscelin mochte ihre Arbeit nicht. Sie hatte es auch als Hilfe in einer Wäscherei versucht, bei einer Schneiderin und bei einem Glasbläser versucht, aber war schnell an ihre körperlichen Grenzen geraten. Entweder war sie zu schwach oder zu klein oder sie hatte kein Talent wie bei der Schneiderin. Das mit den Männern war das leichte Geld, sagte Maman immer, weil es ja nur der Körper war. Es tat zwar immer wieder mal weh, aber das hörte auch wieder auf und dafür hatten sie mehr zu essen.

Es war nicht so, dass Joscelin hungerte. Irgendwo gab es immer etwas zu stehlen, sei es nun Ware auf dem Markt oder Geld aus den Hosentaschen der Männer. Sie träumte davon, irgendwann einmal dem Mann ihrer Träume zu begegnen.
Von ihrem Traummann hatte sie klare Vorstellungen. Groß und stark musste er sein, er durfte keinen Vollbart haben und nicht stinken. Sicher war er ein Seemann, sonst würde er ja nicht im Hafen sein, aber vielleicht gehörte ihm ja sogar das Schiff selbst.

Diese Träume erlaubte sie sich hin und wieder, aber jetzt musste sie diese Gedanken verscheuchen und sich einen neuen Kunden suchen. Sie erhob sich, schüttelte ihre Röcke zurecht und ordnete sie ein bisschen. Hübsch machen wollte sie das nicht nennen, denn ihre Kleidung war alt, abgetragen und unmodern. Um wenigstens halbwegs anständig herumzulaufen, trug sie zwei Röcke übereinander, nur waren sie beide zu kurz und zeigten ihre Beine bis zu den Knöcheln.
Sie schlenderte über die Straße und betrachtete einen Mann abschätzend aus der Ferne, als das leise "Pst!" aus einer dunklen Nische sie ablenkte. Von der Seite angeflüstert zu werden, war nichts Seltenes. Manche Kerle hatten Angst, von ihren Frauen erwischt zu werden und versteckten sich lieber. Joscelin versuchte zu erkennen, wer dort stand, nahm aber nur einen großen Umriss wahr, auf den sie nun zuging.
Erst als sie direkt bei ihm war, konnte sie ihn genauer erkennen und war überrascht. Der Mann sah umwerfend gut aus und hatte ein unheimlich schönes Gesicht, zwar etwas zu blass, aber dennoch schön. Auch seine war Kleidung gepflegt und sauber, er trug sogar ein Halstuch. Joscelin setzte ein gewinnendes Lächeln auf und sah fragend zu ihm auf. Er legte den Kopf schief und strich mit einem Finger sanft ihre Wange entlang, bis er unter ihr Kinn wanderte und ihr Gesicht weiter zu ihm anhob.
"Du bist genau die Richtige für mich, meine Kleine. Wie heißt du denn?" Joscelin war von der warmen Stimme sofort betört. Blinzelnd blickte sie in dieses seltsam bleiche Gesicht und lächelte breiter.
"Joscelin, M'sieur!" erklärte sie und wollte gerade ihre Preise nennen, als sich sein Finger auf ihre Lippen legte.
"Ein schöner Name. Auf dich wartet etwas, was du nur einmal im Leben genießen kannst." raunte er und musterte ihren Hals. Das Mädchen schwankte zwischen Unbehagen und Neugier. Eigentlich wollte sie gar nichts Ungewöhnliches erleben. In ihren Augen kannte sie eh alles, was mit Sex zu tun hatte, aber dieser Kerl war so ganz anders als alle anderen Männer. Er hatte eine Ausstrahlung, der sie sich nicht entziehen konnte.
"Was denn?" fragte sie nun gegen ihren Willen. Der Mann beugte sich zu ihr herunter.
"Ich nehme dich mit und bringe dich zu einer schönen Frau." flüsterte er nun in ihr Ohr. Joscelin hielt die Luft an, stieß sie aber nach einer Weile mit aufgeblähten Wangen wieder aus und schüttelte den Kopf.
"Nein, das will ich nicht. Da müsst ihr ne andre suchen, M'sieur." entschied sie und wollte sich zum Gehen wenden. Aber seine Hand legte sich schwer auf ihre Schulter und drückte sie an die Hauswand. Er beugte sich zu ihr herunter und sein Gesicht lächelte nun gar nicht mehr. In Joscelin wuchs die Angst plötzlich wie eine erstickende Schlingpflanze.
"Ich habe dich nicht gefragt, ob du das willst!" raunte er in ihr Ohr. Sie begann zu zittern und schielte an ihm vorbei nach einer Gelegenheit, sich wegzuducken und loszurennen. Aber als hätte er ihre Gedanken gelesen, wurde der Griff an ihrer Schulter schmerzhaft fest.
"Das kostet aber …" Der Mann schüttelte den Kopf.
"Du irrst dich schon wieder. Das kostet gar nichts." Sein Gesicht war nun dicht vor ihrem. Für das Mädchen hatte er plötzlich jede Attraktivität verloren. Als er nun zu lächeln begann, riss sie die Augen weiter und weiter auf. Ein entsetztes Stöhnen entfuhr ihr, als sie die schrecklich spitzen und langen Eckzähne erkannte und die Fratze vor ihr verschwamm.
Joscelin holte Luft zu einem langen, gellenden Schrei, doch bevor er zu hören war schlug seine freie Hand hart in ihr Gesicht und ihr Kopf knallte gegen die Hauswand. Erlösende Dunkelheit empfing sie und so merkte sie nicht mehr, dass der Stoff ihres Rockes zerriss und er mit dem Streifen ihre Hände fesselte, bevor er Nachschub abriss und sie damit knebelte.

1 Kommentar:

  1. 13 Jahre? Schmales Ding? Und das soll das Futter für Anya sein? Sicherlich hat ein Kind, im Verhältnis zu einem Erwachsenen mehr Blut, als man dem Gewicht nach vermuten würde - Dennoch, Anya muss für Zwei essen. Sie bräuchte einen Seemann von 100 Kilogramm.

    Doch irgendwie erscheint mir, dass dies von George kühlste Berechnung ist. Aber auf ihn wartet ja zu Hause eine angenehme Überraschung. >:-)

    Aber irgendwie bringt mich das wieder auf den merkwürdigen Gedanken, wie ein Vampir wohl die Auswahl seiner Opfer rechtfertigt. Manch einer mag vielleicht sagen: Keine Frauen, zumindest keine schwangeren, und keine Kinder. Dennoch entzieht man vielleicht mit dem Aussaugen eines Mannes, einer ganzen Schar von Kindern und einer schwangeren Frau die Nahrungsgrundlage und gibt sie der Armut oder dem Hungertod preis.

    Wenn ich nicht vermuten würde, dass George mehr mit Joscelin vorhat, als sie Anya zum Fraß vorzuwerfen, würde ich dementsprechend fast sagen, das ginge in Ordnung. - Aus der Sich eines Vampirs wohlgemerkt.

    Liebe Grüße
    Joe

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