Donnerstag, 22. September 2011

Noctambule II: Die Tage vergehen

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Es war klug, Lechaivre aus dem Weg zu gehen, doch leider blieb Sergent Bolard nichts anderes übrig, als immer wieder das Büro aufzusuchen und Meldung zu machen. Insgeheim fluchte der Sergent mächtig über den arroganten Schnösel, der noch nicht einmal in seinem Leben eine Uniform getragen hatte. Was sollte das überhaupt, dass der Adel die Führung einer Garde entschied, einen karrieresüchtigen Modegeck einsetzte und nicht erfahrene, treue Soldaten so weit nach oben beförderte?

Doch alles Hadern schützte ihn nicht davor, sich den Zornausbrüchen seines Vorgesetzten zu stellen. Seit sechs Tagen suchten seine Männer die Stadt ab und hatten bereits mehrfach das Hafenviertel durchkämmt.
Es war schier unmöglich, jedes Haus zu durchsuchen und auch nicht Rechtens. Die Kriminalität in eben genau diesem Stadtteil war hoch genug, um die Bewohner insgesamt gegen sich zu haben. Man hielt größtenteils zusammen und der Sergent hatte sich inzwischen darauf verlegt, den Menschen klar zu machen, dass sie alle in Gefahr schwebten, wenn man diesen Schwerverbrecher nicht endlich fasste.
Dennoch schien es hunderte von Schlupflöchern zu geben, die er abwechselnd aufzusuchen schien. Die Überwachung des Hauses blieb ebenso erfolglos wie die Durchsuchung der Lagerhäuser und Hausruinen, deren Abriss längst überfällig war.
Noch nie hatte sich der Sergent so intensiv mit einem einzigen Viertel beschäftigt. Er war betroffen davon, wie viele Obdachlose es gab, die in alten Gebäuden Unterschlupf fanden und dort einfach in Ruhe gelassen werden wollten.
Gerade heute hatte er eine junge Frau und deren kleine Schwester in einem alten Lagerhaus erwischt. Die Frau war von umwerfender Schönheit gewesen, doch offenbar so krank, dass das kleine Mädchen fast weinend darum gebettelt hatte, man möge sie doch einfach übersehen und vergessen, da sie genug andere Sorgen hätten. Er hatte nicht widerstehen können und seine Leute abgezogen, denn schließlich gehörte das auch nicht zu seinem aktuellen Fall.

Aber er bekam das Bild der jungen Schönheit nicht mehr aus dem Kopf. In einem Moment der Ruhe hatte er einen Boten beauftragt, einige Lebensmittel und zwei Decken zu dem Lagerhaus zu bringen und nahm sich vor, sie in seiner Freizeit einmal zu besuchen. Doch im Moment war an Freizeit nicht zu denken.
Die Skizzen, die man von diesem Squire angefertigt hatte, waren bereits abgegriffen und mussten erneuert werden. Seine Männer befragten immer wieder die Menschen, aber offenbar hatte niemand mehr jemanden gesehen, der zumindest Ähnlichkeiten mit dem Bild hatte.
Er ließ Ärzte und Heiler nach Schussverletzungen befragen, sogar Hebammen und Kräuterfrauen, doch auch dort war niemand mit dieser Beschreibung aufgetaucht.

Man hätte meinen können, dass der Gesuchte die Stadt verlassen hatte. Dagegen sprachen allerdings die neuen Meldungen von Toden und Verletzten. In der Nähe einer Kapelle hatte man einen Toten mit völlig zerfetztem Hals aufgefunden.
Die Blutlache, in der er gelegen hatte, war seltsamerweise viel zu klein für die Mengen, die ein Mensch normalerweise bei so einer Verletzung verlieren musste und der Tote wirkte fast blutleer. Eine Vermutung war, dass das Blut bereits in der lockeren Erde versickert war oder im Laufe der verregneten Nacht einfach fortgewaschen.
Eine Mutter vermisste ihre Tochter, konnte aber nicht mehr sagen, wann sie sie das letzte Mal gesehen hatte. Sie wollte auch nicht damit herausrücken, wo das Mädchen sich in der Regel aufgehalten hatte und zeigte eine solche Hysterie, dass sie schon wieder unglaubwürdig wurde. Laut Bericht vermutete der Mann, der mit ihr gesprochen hatte, dass die Frau eher froh war, einen Esser losgeworden zu sein und nur der Form halber nun den Aufstand inszenierte.
Dafür wurden vier Fälle bekannt, in denen Menschen schwer verletzt worden waren. In allen Fällen waren Hals oder Arme tief verwundet und wiesen auf Bisse hin.
Jeder der vier Männer war von alleine wieder aufgewacht, orientierungslos herumgeirrt und keiner konnte sich daran erinnern, was geschehen war. Zwei sprachen sogar davon, dass sie keinerlei Schmerzen empfunden hatten, wussten aber sonst weder wer oder was sie überfallen hatte und warum. Da allen ihre Barmittel fehlten, musste man von Raubüberfällen ausgehen, was ein wildes Tier ausschloss.
Alle vier Männer schienen wieder gesund zu werden und ihre Verletzungen verheilten allesamt beängstigend schnell. Doch auch zwei Tage nach ihren Überfällen konnten sich die beiden ersten Fälle nicht mehr erinnern.

Lechaivre brütete über einem Stadtplan und versuchte ein Muster in den Überfällen zu erkennen. Aber die Orte lagen so breit zerstreut in der Stadt, dass man verzweifeln konnte. Er war geneigt, den Beteuerungen von der kleinen Comtesse zu glauben, dass dieser Armand Sartous tatsächlich unschuldig war, auch wenn dieser verschwunden blieb.
Stattdessen wurde George Squire der Hauptverdächtige und Lechaivre brauchte unbedingt eine Erfolgsmeldung.
Frustriert fiel er nach hinten in seinen Sessel und rieb sich sein Kinn. Wenn der Bursche nicht mehr in der Stadt zu finden war, musste man den Kreis eben größer ziehen. Er würde den Sergent beauftragen, die Vororte abzuklappern und auch die Bauernhöfe der Umgebung. Er würde den Kerl entweder schnappen oder zu seinem Notplan greifen müssen, irgendeinen kleinen Gauner zu beschuldigen. So oder so, er würde seinen Erfolg schon noch bekommen!

1 Kommentar:

  1. Tagelang irren also die Soldaten durch die Stadt und finden nichts.

    Aber hatte ich nicht gesagt: Das Abschneiden der Haare wird also noch sein Gutes haben :) Und Armand wird sicherlich mit Freuden warten, bis sie wieder gewachsen sind :)

    Und George jagt also weiter im Hafenviertel. Anders sind die vollkommen zerfetzten Leichen nicht zu erklären. Aber wo hält er sich versteckt? Und was ist Anyas Masterplan? Wo will sie hin? Sie kann doch unmöglich planen, den Rest ihres Daseins in dieser Scheune zu verbringen?

    Und Armand findet sie also auch nicht? :( Ach so ein Mist...

    Liebe Grüße
    Joe

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