Dienstag, 13. September 2011

Noctambule II: Das Pech des Sergents

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

"Stehen bleiben!" brüllte einer der Männer in den Flur, während seine Kollegen ihn hinein drängten. Die Männer stürmten durch den Flur, doch gleichzeitig zerbarst die Fensterscheibe, die der Sergent beobachtet hatte. Der Vorhang flatterte durch das gebrochene Glas und eine Gestalt fiel auf die Straße, wo sie abrollte. Noch bevor die Person sich aufraffen konnte, waren seine drei Männer bei ihr.

Bolard traute seinen Augen nicht. Drei Männer warfen sich auf den Kerl, der gerade auf allen Vieren war, doch flogen zwei von ihnen Sekunden später in hohem Bogen durch die Luft. Er musste ausweichen, um nicht von einem seiner Männer zu Boden gerissen zu werden und konnte sehen, dass der Flüchtling nur mit einem Arm um sich schlug, während der andere kraftlos herabhing.
Dennoch schien er unglaubliche Kraft zu haben. Er blockte den Hieb des Soldaten ab und holte kraftvoll aus. Bolard entschied sich für sein Gewehr und riss es in den Anschlag, wobei er verblüfft die Geschwindigkeit der Bewegungen des Mannes registrierte und glaubte, ein wütendes Fauchen zu hören, das kein normaler Mensch ausstoßen konnte.
"Keine Bewegung oder ich schieße!" brüllte Bolard überfordert während seine zwei Männer sich stöhnend aufrappelten und ebenfalls nach den Gewehren griffen. Zwei Männer stürmten aus dem Haus heraus, nachdem sie die Flucht mitbekommen hatten und rannten Bolard beinahe vor die Mündung.
Der Kopf des Gejagten ruckte zu Bolard herum und die Beine des Sergents wurden plötzlich weich, denn er starrte in ein wütend aufgerissenes Raubtiergebiss. Ohne nachzudenken drückte er ab und warf das nutzlose Gewehr zur Seite, um sein Rapier zu ziehen. Zwei weitere Schüsse folgten von seinen Männern, die sofort nach ihm abgedrückt hatten.

Die Rauchwolken, die die Schüsse ausgelöst hatte, verhinderten klare Sicht, die sowieso in der Dunkelheit eingeschränkt war, doch seine Männer schienen suchend ihre Läufe zu bewegen. Sie hatten das Ziel aus den Augen verloren. Niemand hatte die Bewegung des Mannes wirklich verfolgen können.
Als der Rauch sich legte, war die Straße leer bis auf Bolard und seine Leute. Die Anwohner hatten sich in ihren Häusern verkrochen und würden sich hüten, aus dem Fenster zu sehen. Der letzte niedergeschlagene Soldat rappelte sich hoch und die beiden letzten Soldaten im Haus stolperten hastig heraus. Drei Männer stürmten zur Verfolgung die Straße hinunter und verschwanden schnell aus dem Blickfeld.

Fluchend ließ Bolard sein Rapier sinken und verstaute es wieder. Sein fragender Blick zu seinen Männern ließ sie stramm stehen.
"Das Haus ist leer, Sergent! Aber eines der hinteren Fenster war geöffnet und vermutlich ist sein Komplize über die Dächer geflohen, denn der Hinterhof hat keinen Ausgang zur Straße." berichtete sein Caporal.
"Scheiße!" fluchte Bolard unwirsch und drängte sich in das Haus, um sich selbst ein Bild zu machen. Die Katastrophe war perfekt. Er würde ein mehr als unangenehmes Gespräch mit Lechaivre führen müssen, wenn seine Leute den Mann nicht fanden.
"Ausschwärmen. Der Mann ist verletzt, er kann nicht weit kommen!" befahl er knapp.
Das Hausinnere wirkte auf den Sergent nicht ungewöhnlich. Der einfache Holzfußboden war nicht gerade sauber oder gepflegt, sondern ausgetrocknet und rissig. Die Wände hatten kaum Putz oder Anstriche, was in armen Verhältnissen keineswegs ungewöhnlich war. Allerdings war erstaunlich wenig Mobiliar vorhanden und die eigentliche Kochstelle kalt und offenbar seit langem ungenutzt.
Bolard entdeckte ein zerwühltes Bett und einen weit aufgerissenen Schrank, aus dem einige Kleidungsstücke herausgefallen waren. Grübelnd betrachtete er die Sachen, offenbar ausschließlich Männerkleidung und keineswegs grobes, billiges Material, sondern eher feine Stoffe eines wohlhabenden Mannes.
Schuhe konnte er keine finden. Dafür entdeckte er im Nebenraum eine Schüssel mit blutigem Wasser. Irgendjemand hatte sich verletzt und die Wunde scheinbar ausgewaschen. Die Schüssel war nun - wohl bei der hastigen Flucht - umgeworfen und zur Hälfte ausgelaufen. Das war ein interessanter Hinweis und passte zu dem scheinbaren Kampf, den er hinter den Vorhängen zu sehen geglaubt hatte. Andererseits wäre kaum die Zeit gewesen, die Wunde zu reinigen. Es musste eine ältere Verletzung sein. Noch ein Rätsel, das Bolard überforderte. Er würde es einfach Lechaivre berichten.
In diesem Raum war auch das offene Fenster zum Hinterhof. Er beugte sich weit hinaus, um den Hof zu betrachten. Viel zu viele Stellen lagen in tiefer Dunkelheit. Die drei umstehenden Häuser schienen den Hof als Müllabladeplatz zu benutzen. Kisten und Fässer standen herum, noch viel mehr Tonnen, die überquollen von Müll und Unrat.

Bolard versuchte, die Fassade des Hauses zu betrachten und lehnte sich noch weiter hinaus. Die Fluchtmöglichkeiten waren zu verschieden. Ein geschickter Kletterer hätte durchaus nach oben kommen können, aber es wäre auch möglich, durch eines der Nachbarfenster zu entkommen. Hier hielten doch alle zusammen, gerade wenn es gegen die Vertreter des Gesetzes ging.
Seufzend zog er sich wieder ins Haus zurück und trat frustriert gegen das Tischchen mit der Schüssel, die daraufhin umkippte und eine rötliche Lache auf dem Boden verteilte.
Das Wohnzimmer zeugte deutlich von einem Kampf. Diverse Blutflecken begannen auf dem Boden zu trocknen und das Feuer im Kamin war herunter gebrannt und knisterte nur noch leicht.
"Kamin löschen und das Haus verriegeln. Es wird ab sofort rund um die Uhr bewacht!" befahl er grimmig und stapfte aus dem Haus.
Einer seiner Männer war bereits atemlos zurückgekehrt und schüttelte nur den Kopf. Die anderen Beiden würden wahrscheinlich ebenso wenig Erfolg haben. Sein Höhenflug war zu Ende. So gut das alles begonnen hatte, so sehr war alles aus dem Ruder gelaufen. Während er den Heimweg antrat grübelte er versunken über die Fehler nach, die ihm unterlaufen waren. Aber das nutzte nun auch nichts mehr. Sie hatten den Mann entkommen lassen. Morgen würde die Suche von neuem los gehen.

1 Kommentar:

  1. Und ein weiteres Haus in Marseille wird mal wieder rund um die Uhr bewacht.

    Lechaivre wird nicht gefallen, was passiert ist. Aber offensichtlich konnte Anya mit der kleinen Joscelin entkommen. Und wenn sie sich jetzt schnell ein Opfer sucht, dann dürfte sie auch rasch zu Kräften kommen.

    Wohin wird sie jetzt gehen? Bitte zurück zu Armand! Bitte Anya, sei nicht dumm!

    Und George? Er ist schwer angeschlagen. Ob er sich in einer Nacht erholen kann von dem was passiert ist? Ich denke, er wird, wie Armand mit seinem Bein auch, einen Tag länger brauchen um wirklich fit zu werden.

    Das heisst, man muss ihn nächste Nacht jagen! Jagen und kriegen. :)

    Aber ich muss gestehen, ich hätte nicht gedacht, dass ein derart angeschlagener George immer noch in der Lage ist gegen die Soldaten derart zu bestehen.

    Gut für ihn.

    Mal sehen, wie lange.

    Liebe Grüße
    Joe

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