Montag, 27. September 2010

Noctambule: Unheimliche Begegnung

Dies ist das erste Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisher veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Paris 1748



Die Dunkelheit war sehr früh hereingebrochen. Schwarze Wolken hatten den Himmel schon am frühen Abend verdunkelt, ein dumpfes Grollen aus diesen Wolken verkündete ein unheilvolles Gewitter, das sich offenbar nicht entscheiden konnte, wann es endlich ausbricht und als Vorboten nur einen heftigen Schauer geschickt hatte.

Anya hastete über das nass glänzende Kopfsteinpflaster und zog ihr Tuch fester über ihren Kopf. Immer wieder raffte sie ihre Röcke, um den kleinen Pfützen auszuweichen. Sie wollte nur noch schnell nach Hause und schimpfte innerlich mit ihrer Herrin, die sie bei diesem Wetter zur Schneiderin geschickt hatte. Hin und wieder warf sie einen furchtsamen Blick zum Himmel. Blitze zuckten durch die Wolken, das folgende Grollen rollte durch die Straßen und durchdrang ihren zierlichen Körper.
Die Straßen waren leer gefegt. Ab und zu schlug noch ein Fensterladen zu, die Bürger verbarrikadierten sich. Eine lähmende Stille lag über der Stadt. Anya bebte ängstlich. Sie hasste Gewitter, sie verabscheute den metallischen Geschmack der knisternden Gewitternacht und sie fröstelte.
Nicht einmal die Nachwächter gingen ihrer Arbeit nach. Die Laternen blieben aus – sie würden eh von dem nahenden Unwetter gelöscht werden – und die Nacht hüllte die Straßen in düstere Schatten. Nur wenige Fenster warfen mattes Licht auf die Mitte der Straße, aber dieses Licht schien die Schatten in den Nischen nur noch zu vertiefen.


Mit gesenktem Kopf hastete sie weiter. Nur noch ein paar Blöcke, dann hatte sie es endlich geschafft. Hoffnungsvoll hob sie den Blick. Wenn sie sich beeilte, schaffte sie es noch. Ein greller Blitz blendete sie, es krachte sofort danach, aber Anya zuckte nicht nur deshalb erschrocken zur Seite. Hatte da nicht eben ein blasses, schmales Gesicht aus dem Schatten aufgeleuchtet? Sie wich auf die andere Straßenseite aus, raffte die Röcke weiter und lief schneller.
Angstvoll blickte sie über die Schulter auf die leere Straße zurück. Erleichterung breitete sich aus. Sie musste sich getäuscht haben und ihre Nerven spielten ihr bösartige Streiche. Wahrscheinlich hatte sich nur ihr eigenes Gesicht in einer Scheibe gespiegelt, durch das Licht des Blitzes viel bleicher gewirkt und sie deshalb so erschreckt. Nur die Ruhe und einfach nach Hause, versuchte sie sich zu beruhigen.

Umso mehr traf sie der Schock, als sie ihren Blick wieder nach vorne richtete. Mitten auf der Straße stand er. Er war groß.. sehr groß! Vielleicht unterstrich der bodenlange Mantel die Größe noch. Im zuckenden Licht des nächsten Blitzes erkannte sie, dass er keine Kapuze trug, sondern seine langen, glatten Haare auf die Schultern fielen.
Sein blasses Gesicht war schmal, seine Lippen wirkten in diesem Licht dunkel und voll, beinahe sinnlich.
Am meisten verwirrten sie diese Augen. Wunderschön geformte Augen, unendlich dichte Wimpern, die Pupillen schwarz wie die Nacht selbst und für einen Moment glaubte sie wahrlich, ein Glimmen darin gesehen zu haben. Mit einer geschmeidigen, weichen Bewegung neigte er den Kopf.
Er schien sie mit seinen Augen zu lähmen. Diese winzige Kopfbewegung vermittelte ihr das Gefühl, als überlege er, mit seiner Beute zu spielen wie eine Katze.

Mit einem Aufschrei riss sie sich von seinem Blick los und warf sich herum. Nun rannte sie so schnell sie konnte in die entgegen gesetzte Richtung. Wie war das möglich? Eben noch war dieses Gesicht hinter ihr gewesen! Wie hatte er sie überholt? Ihr Tuch rutschte bei ihrem panischen Rennen von ihren blonden Haaren herunter, sie kümmerte sich nicht darum.
Hastig bog sie um eine Ecke und schrie erneut. Wieder stand er vor ihr, wieder mitten auf der Straße, diesmal den Kopf gesenkt und doch bohrten sich seine Augen in ihre. Ein feines Lächeln lag in seinen Mundwinkeln.
Anyas Herz schien bersten zu wollen. Erneut drehte sie sich um und rannte.
Ihre Lunge begann zu brennen, Schluchzer pressten sich heraus. Sie achtete nicht mehr auf Pfützen und ihr nasser Rock wurde schwerer. Donner verfolgte sie mit rollendem Grollen. Sie wagte es schon nicht mehr, sich nach ihm umzusehen, aus Angst, dass er dann plötzlich wieder vor ihr stand. Aber er war nicht zu sehen. Hatte sie ihn tatsächlich abgeschüttelt?

Ein weiterer Blitz zeigte ihn ihr. Er lehnte an einem Laternenpfosten und betrachtete sie mit einem verspielt hungrigen Lächeln. Seine Arme lagen verschränkt über seiner Brust, seine Beine waren bequem übereinander geschlagen, als würde er schon seit Stunden auf sie warten. Er war weder atemlos noch wirkte er in irgendeiner Weise aufgeregt. Im Gegenteil, sein Lächeln vermittelte ihr vielmehr, dass er mehr wusste als sie, dass er sich ihrer sicher war und sie ihm nicht würde entkommen können.

Wieder schlug sie einen Haken. Ihr verängstigtes Schluchzen schüttelte sie und brachte sie immer öfter zum Stolpern. Das nasse Kopfsteinpflaster war uneben und rutschig. Vereinzelte Regentropfen fielen kalt auf ihr Gesicht und kündigten an, dass der richtige Gewittersturm kurz bevor stand. Das Unheil braute sich zusammen und Anya spürte es in allen Knochen. Tiefer und beängstigender als bei jedem anderen Bewohner dieser Stadt. Verzweifelt wimmernd bog sie in eine andere Straße und erkannte die Sackgasse. Und sie wusste es schon, bevor sie sich umwandte.

3 Kommentare:

  1. Hallo KayGee,
    Ich bin schon eine Weile in dem Blog und es gefällt mir sehr !

    Ganz ehrlich gesagt habe ich mich lange nicht an dein Buch heran getraut. Ich habe zwar vereinzelt Kapitel und Kommentare gelesen aber mich nie so richtig getrau.
    Warum?
    Ich habe unter anderem gelesen das es in diesem Buch auch um SM gehen soll.
    Gerade in diesem Thema kenne ich mich nicht gut aus und ich wusste nicht ob ich es lesen sollte.
    Jetzt um es auf den Punkt zu bringen.
    Ich habe mich dafür entschieden dein Buch zu lesen und freue mich darauf hier zu kommentieren.
    Das erste Kapitel ist sehr schön geschrieben.
    Es geht gleich zur Sache das gefällt mir. Hoffentlich bleibt es so spannend.
    Liebe Grüße H.B.

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    1. Hallo H.B.

      Erst einmal freue ich mich, dass du dem Blog so treu bist. Ich lese deine Kommentare ja jedesmal auch bei Joe und ich mag es sehr, dass du nicht stumm mitliest, sondern auch deine Meinung dazu sagst.

      Natürlich bin ich auch sehr gespannt, ob dir meine drei Bücher durchgehend gefallen oder du doch abspringst, weil dich das Thema eben doch nicht erreicht. In letzterem Fall wäre ich nicht böse, ich würde es aber doch auch gern von dir erfahren.
      Ich wünsche dir sehr viel Spaß und hoffe, du bleibst am Ball.

      Liebe Grüße
      Kay

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  2. Liebe KayGee,
    Ich habe jetz schon eine Weile gelesen um bin jetz beim Kapitel " die stunden des Stolzes"
    Es gefällt mir von Kapitel zu Kapitel besser.
    Ich hoffe es gefällt mir weiter so gut !
    Liebe Grüße
    H.B.

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