Freitag, 10. Dezember 2010

Adventskalender 10 - Weihnachten auf Arramoa

Dies ist das 10. Kapitel meiner Adventsgeschichte. Ein Inhaltsverzeichnis findet ihr hier: Adventskalender

Dr. Steiner sprach inzwischen sechs Sprachen gut genug um sich mit seinen Patienten zu verständigen. Doch hier stieß er an seine Grenzen. Speziell mit einigen von den Kindern konnte er kein Wort wechseln. Zum Glück war aber immer jemand zur Stelle, der Französisch sprach. Eine ältere Frau aus der Gruppe hatte die Rolle der Arzthelferin und Dolmetscherin übernommen. Immer wieder desinfizierte er sich gründlichst seine Hände. 25 Menschen hatte er heute schon in einem Nebenraum des Bauernhofes untersucht. Dort hatten ihm Frank und Mersad ein Bett als Untersuchungsliege freigeräumt. Für's Erste mussten diese improvisierten Verhältnisse genügen.

Diejenigen der Flüchtlinge, die er untersucht hatte markierte er mit einer weißen gut verträglichen Farbe, die wenigstens ein paar Tage sichtbar sein würde. Er malte ihnen ein deutliches X auf den Oberarm. Das erinnerte ihn zwar an KZ-Methoden und es passte ihm eigentlich gar nicht. Doch er konnte die Leute einfach nicht auseinanderhalten. Selbst wenn sie ihre Pässe vorlegten. Und ein junger Mann mit Schmerzen im Bein hatte sich von ihm bereits dreimal die Tagesdosis Schmerzmittel abgeholt, bis er ihm auf die Schliche kam. Das Risiko jemanden zu vergiften war zu groß. Die Kennzeichnung musste sein.

Er leuchtete dem kleinen Mädchen mit dem roten Kleid in den Rachen. Sie ließ die Untersuchung offensichtlich nur widerwillig über sich ergehen. Mit der Frau die zum Übersetzen da war sprach sie abwechselnd Portugiesisch und eine andere Sprache, die Dr. Steiner noch nie gehört hatte. Zwar verstand der Arzt kaum ein Wort doch war zu hören, dass sie sich offensichtlich lautstark über die Untersuchung beschwerte. Dafür reichten auch seine Menschenkenntnis aus, wiewohl er auch das ein und andere portugiesische Schimpfwort zu identifizieren glaubte. Speziell, als er die Blutprobe entnommen hatte, waren eine ganze Menge davon gefallen.

Er nickte und lies von ihr ab. Die Mandeln waren nicht betroffen, aber sie hatte eine dicke Hefepilzinfektion im Mund. Und natürlich war sie abgemagert. Er seufzte und nickte der Frau zu, dass er mit der Untersuchung fertig wäre und sie jetzt noch ein Medikament bekäme. Er reichte der Frau eine Vitamintablette und etwas gegen die Pilzinfektion und markierte die kleine mit der weißen Farbe und der Nummer, damit er sich merken konnte, wer welches Medikament bekommen hatte. Die Frau ging rabiat zu Werke. Offensichtlich wollte die Kleine die Dinge nicht schlucken. Kurzerhand zwang die Frau mit kräftigen Fingern den Kiefer auseinander und warf die Tabletten hinein, drückte die Lippen wieder zusammen und hielt ihr die Nase zu.

Mit Augenrollen quittierte der Arzt diese Behandlung. Aber ihm fiel auch keine andere Methode ein das Mädchen dazu zu bringen die Medikamente zu nehmen. Mit Kindern von der Insel konnte er normalerweise in mindestens einer Sprache sprechen und ihnen begreiflich machen, warum das nun sein musste. Doch Portugiesisch sprach er nicht und auch keine andere der Sprachen, die das Mädchen beherrschte. Sie weigerte sich ein paar Sekunden. Dann zuckte ihre Kehle und die Tabletten waren verschwunden. Tapfer verdrückte sie ein paar Tränchen und wand sich auf dem Schoß der Alten. "Sie kann gehen.", nickte der Arzt. Schneller als man gucken konnte rannte das Mädchen aus dem Zimmer und huschte davon.

Er überließ es der Alten ihm den nächsten Patienten zu bringen und telefonierte mit dem Laborhelfer, der schon den ganzen Tag Blutproben prüfte. Die Ergebnisse waren durchweg nicht sonderlich erbaulich. Aber zumindest schwerere Krankheiten waren bisher nicht aufgetaucht. Aber immer wieder schüttelten sie beiden den Kopf darüber, dass diese Menschen überhaupt noch lebten.


Das rote Blinklicht an den Gebäuden kündigte den Hubschrauber an. Frank und Mersad gingen schon zum Landeplatz und als das Knattern in Hörweite kam, tauchten am Platz tatsächlich elf der Flüchtlinge auf. Der Kapitän des kleinen Bootes hatte sich exakt an die Vorgabe gehalten und zehn Männer mitgebracht. Langsam schwebte der Hubschrauber hinein und stellte sich auf den Platz und die Rotorblätter wurden langsamer, bis sie schließlich stehenblieben. Die beiden Bauern hatten Mühe, die Männer so lange zurückzuhalten. Viele wollten einfach schon losrennen, wobei sie sich fragten, ob sie die Sachen aus dem Hubschrauber herausholen wollten oder ob sie hinein wollten um von der Insel wegzukommen. Endlich öffnete sich die Klappe. "Hallo zusammen!", rief Jimmy laut gegen das noch rauschende Triebwerk. "Wir brauchen auf jeden Fall einen Gabelstapler.

1 Kommentar:

  1. Aus und vobei mit dem beschaulichen Leben auf Arramoa. Jetzt heißt es tatsächlich richtig ochsen, damit alle versorgt sind. Eigentlich könnten einige Mädchen dabei helfen, finde ich.

    Bin mal gespannt, ob die Flüchtlinge den Hubschrauber entern wollen. Wäre unlustig in jeder Beziehung.

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