Samstag, 18. Dezember 2010

Noctambule: Rückblick - Rote Venus

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Toulouse 1238

Georges innerer Frieden war beinahe wieder hergestellt. Er verließ das kleine Hinterzimmer der Spelunke mit den Taschen voller Geld. Die Glücksträhne war wieder bei ihm und sein Konto füllte sich. Mit leichter Verbitterung dachte er an seinen Vater, der ihn vor nicht allzu langer Zeit verstoßen hatte.
Der Grund waren nicht nur die Spielschulden, die sich angehäuft hatten, sondern Georges gesamter Lebenswandel. Sogar der so heiß begehrte und schwer zu erhaltende Studienplatz in Oxford war verloren gegangen durch seine Respektlosigkeit, Arroganz und Unzuverlässigkeit.


"Spielschulden sind Ehrenschulden! Es ist eine Schande, dass ein Squire.. dass MEIN Sohn seine Schulden nicht begleicht!" hatte sein Vater gedonnert. Mit einem für Georges Verhältnisse recht knauserigen Geldbeutel hatte der alte Squire seinen Sohn aus dem Haus geworfen, nachdem er zähneknirschend die Schulden beglichen hatte.
George schnippste ein winziges Staubkörnchen von seiner tadellosen Kleidung. Er würde seinem Vater schon noch beweisen, dass er etwas taugte. Er war eben anders als der Rest dieser verstaubten Gesellschaft. Obwohl er gerade begann festzustellen, dass hier in Toulouse die Menschen nicht anders waren als im heimatlichen London.

Gut gelaunt zupfte er seinen Kragen zurecht und zog den wärmenden Umhang enger, denn die Nacht war kühl. Beschwingt schritt er aus Richtung Hotel. Jetzt konnte sein Leben beginnen. Er würde sich ein Haus mieten, ein hübsches Mädchen aus guten – und vor allem reichen - Hause angeln und in Vermögen einheiraten.
Die Aussichten dafür schätzte er hoch ein. Er sah fantastisch aus mit seinen blonden Haaren und den strahlenden blauen Augen. Er legte äußerst großen Wert auf modische Kleidung und er beherrschte perfekt die Benimmregeln, die in den wichtigen Kreisen so ernst genommen wurden. Nicht, dass er Wert auf diesen Firlefanz legte, aber es brachte ihn weiter. Er musste nur aufpassen, dass seine Glückssträhne nicht wieder abriss.

"So gut gelaunt?" Die samtige, ein wenig schnurrend klingende helle Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er blinzelte kurz überrascht, als traue er seinen Augen nicht. An der Wand gelehnt räkelte sich mit lasziven Bewegungen der Traum aller Männer.
Im flackernden Licht der Öllaternen schienen die roten Locken zu brennen und die großen Augen grün zu funkeln wie Smaragde. Georges Schritte wurden langsamer und endeten direkt vor ihr. Noch einmal blinzelte er.
Diese Frau trug doch tatsächlich Hosen! Unglaublich und vor allen Dingen hoch erregend! Selbst die verdorbensten Huren hatte er nur in verwegenen Kleidern gesehen oder nackt. Niemals in der Öffentlichkeit in Hosen. Er konnte seinen Blick kaum losreißen von den schlanken Hüften.
"Ohja. Äußerst gut gelaunt. Und jetzt sogar noch besser gelaunt bei dieser wunderschönen Gesellschaft." Er deutete galant eine Verbeugung an und sah erfreut das zauberhafte Lächeln in dem herzförmigen Gesicht. Kurz sah George sich um. Die Gasse war still und relativ dunkel. Er konnte sich nicht vorstellen, was sie hier tat.
Es wirkte beinahe, als hätte sie auf ihn gewartet. Aber das konnte natürlich nicht sein. Wenn sie Kundschaft suchte, war sie hier eigentlich an der völlig falschen Adresse. George beschloss, herauszufinden, was dieses göttliche Geschöpf hier suchte und bot ihr elegant seinen Arm an.

"Vielleicht möchtet Ihr mich ein Stückchen begleiten, Mademoiselle? Eine so schöne Dame darf nicht ohne Schutz sein. Mein Name ist George Squire, stets zu Euren Diensten." Er glaubte zu träumen, als die feurige Schönheit ihre kleine Hand auf seinen Arm legte. Eine Gänsehaut überflutete ihn wellenartig.
"George." raunte ihre Stimme an seinem Ohr. Oder war es in seinem Kopf? Berauschend und fremdartig war dieses Wesen auf jeden Fall. "Nenn mich einfach Adaliz, George." Sie schenkte ihm einen koketten Blick durch ihre dichten Wimpern und wieder lag dieses feine Lächeln auf ihren Lippen.
George schluckte. Keine Frage, diese Frau hatte nur eines im Sinn und er wäre der Letzte, der die Gelegenheit nicht beim Schopf ergreifen würde. Und auch wenn noch gar kein Preis ausgehandelt worden war hatte er längst beschlossen, dass diese Venus jeden Preis wert war.

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