Montag, 6. Dezember 2010

Noctambule: Gefährliches Geplänkel

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule


Das alte Theater war gut besucht. Nachdem Armand Anya aus der Kutsche geholfen hatte, führte er sie die Stufen zum Eingang hinauf und reichte einem der vielen livrierten Diener die Karten. Sie erhielten Einlass, Anya wurde der Umhang mit vollendeter Höflichkeit abgenommen und Armand ließ ihr Zeit, den überwältigenden Anblick des Entrees zu betrachten.

Schwere Kronleuchter hingen von den Decken herunter und reflektierten glitzernd das Licht hunderter Kerzen. Das Stimmengewirr in diesen hohen Hallen war ohrenbetäubend. Hier schien sich heute Abend die ganze hohe Schicht der feinen Herrschaften zu versammeln. Schmuckbehängte Damen und Herren brachten sich mit Champagner in Stimmung, der von Lakaien auf Tabletts durch die Reihen getragen wurde.
Auch Armand nahm zwei Gläser entgegen und reichte Anya eines davon.
"Auf einen schönen, erregenden Abend." raunte er ihr zu, was sie wieder erröten ließ und hob das Gas, um es sanft klingend an ihres zu stoßen. Sie blickte beim Trinken in seine Augen und für einen Moment lang verschwand die Umgebung in einem gedämpften Nebel, als sie in seinem Blick versank.

Anya erblickte beim Umsehen im ersten Moment eigentlich nur gepuderte, hoch aufgetürmte Perücken. Noch nie hatte sie diese Welt betreten dürfen und nun befand sie sich mitten unter den hohen Herrschaften, die mit gezierten Bewegungen und gekünsteltem Lachen ihren Reichtum durch Schmuck und kostbare Kleidung zur Schau stellten.
Ihr Blick fiel auf Armand, der so sehr aus dieser Menge heraus stach. War ihm das denn nicht bewusst? Zwar war er nicht der einzige mit ungepudertem Haar, aber seine Größe alleine ließ ihn schon auffallen.
Außerdem umgab ihn eine ungewöhnliche Aura. Scheinbar unantastbar stand er in dieser Menge und mit angehaltenem Atem erkannte Anya erst jetzt, dass er ihretwegen möglicherweise sogar hungrig unter seiner Beute stand und sie nicht anrühren durfte, wenn er Anya nicht gefährden wollte.

In diesem Moment neigte er den Kopf mit einem Schmunzeln zu ihr herunter.
"Ich nehme selten an solchen Vergnügen teil, aber dann bevorzuge ich meist ein spätes Auftauchen, um dieser scheinheiligen Menge nicht begegnen zu müssen.
Aber heute sollst du alles genießen." raunte er und hob amüsiert eine Braue. "Außerdem genieße ich den Gedanken, dass du in dieser Menge stehst und versuchst, diesen kleinen Kerl in deinem entzückenden Hinterteil zu ignorieren."
Anya wurde dunkelrot. Sie versuchte es tatsächlich, aber seine Worte schienen das Gefühl erneut zu wecken und sogar zu verstärken. Sein dunkles Lachen war mehr in ihrem Kopf zu hören als durch ihre Ohren. Verlegen senkte sie den Blick und öffnete den Fächer, um ihr Gesicht dahinter zu verstecken und sich Luft zuzufächeln.

"Aaaaahh… mein lieber Monsieur Sartous! Ihr seht mich entzückt!" Anya blinzelte geblendet. Der ältere Mann wirkte grotesk. Sein Rock, der einen kugelrunden, enormen Bauch umhüllte, war aus blendend weißer Seide, silbern bestickt mit goldenen Knöpfen. Die Beinkleider lagen haut eng um die lächerlich dünnen Beine und die weißen Schuhe mit den silbernen Schnallen waren so spitz, dass er nur trippeln konnte. Am lächerlichsten war aber wohl die dicke, weiße Schminke in seinem runden Gesicht, die so dick aufgetragen war, dass kaum eine Falte des alten Gesichtes zu erkennen war.
Armand wendete sich dem Grüßenden zu und machte eine elegante Verbeugung.
"Ich hoffe inständig, dass Euch Euere neue Bleibe behagt, M'sieur?" säuselte der Unbekannte. Eine ältere Dame und eine junge Frau folgten dem alten Geck und kicherten verlegen hinter ihren Fächern. Anya konnte kaum mehr als teure Kleidung und geschminkte Gesichter erkennen.
"Anya, darf ich dir den Comte de Moureaux vorstellen? Comte, dies ist Mademoiselle Sanisoise." Armands formvollendetes Benehmen beeindruckte Anya und verstärkte ihre Angst, sich in diesen Kreisen nicht perfekt benehmen zu können. Nun stand sie auch noch altem Adel gegenüber und wusste nicht, wie tief ein Knicks angemessen wäre. So sank sie lieber tiefer als nötig und keuchte dabei leise, denn erneut spürte sie den Plug in sich. Beim Hochkommen entdeckte sie das amüsiert wissende Schmunzeln Armands und senkte den Blick.
"Sehr erfreut, M'sieur Le Comte." murmelte sie scheu.
"Welch ein natürlicher Sonnenschein mir da entgegenstrahlt!" flötete der Comte und blickte neugierig zu Armand. "Mademoiselle Sanisoise? Der Name ist mir leider unbekannt. Sie ist Eure…" er wedelte fragend mit dem Fächer. "…Nichte?" Armands Schmunzeln blieb unverändert, aber seine Augen lagen mit ruhigem Ernst im Gesicht des ungeduldigen Comtes, der offensichtlich auf einer gesellschaftsfähigen Beziehungsdeutung bestand.

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