Samstag, 31. Juli 2010

Stolz

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Nachdem sie drei Mal tief Luft geholt hatte, unterbrach Maricruz das Schweigen. "Wenn du zu Hause genauso Nutzlos bist, wie hier, dann würde ich keinen Gedanken daran verschwenden nach Hause zu gehen."

Sie hatte aus den wenigen Sätzen versucht die Geschichte des Mädchens abzuleiten. Joe hatte zwar, bevor Nadja angekommen war einige Andeutungen gemacht. Aber konkretes wusste sie eigentlich nicht. Schon, was sie sich zusammenreimen konnte, fand sie wenig schön.

Nadja sah sie verblüfft an. Sie hatte nur krampfhaft überlegt, wie sie alles wieder ins Reine bringen könnte. Wie sie zu ihrer Mama kommen könnte und helfen. Aber dieser etwas simple Gedankengang überraschte sie jetzt doch. Und noch mehr nagte an ihr, dass sie für sich zugeben musste, dass Maricruz recht hatte.

"Das stimmt vielleicht.", näherte sie sich vorsichtig an. Ein Warnlämpchen in ihr ging an. Hatte Joe die Frau als Botin für irgendwelche genauen Instruktionen benutzt? "Master Joe ist ein sehr netter Mann. Er ist nicht immer ganz geschickt. Aber er ist großzügig und er wird helfen. Reden Sie mit ihm!", bat Maricruz weiter. Das Gespräch war ihr höchst unangenehm. Ohne Fakten zu kennen stocherte sie im Dunklen und versuchte dem armen Mädchen zu helfen.

"Aber das kann ich nicht annehmen. Nicht hier gehört mir. Das Auto nicht, das Zimmer nicht und auch die Schule für die ich so fleißig lerne könnte ich mir eigentlich nicht leisten!", maulte Nadja. Ihr behagte nicht Joe zu bitten ihr zu helfen. Ihr Stolz machte sich als fieses Drücken im Hals bemerkbar. Und er ließ sich einfach nicht herunterschlucken. Maricruz zuckte die Schultern. "Wenn man Hilfe bekommen kann, kann man sie auch annehmen. Das ist nicht unanständig. Und Master Joe kann sicher helfen. Es ist keine Schande Hilfe zu nehmen, wenn man sie braucht."

Sie stand auf. Sie hatte genug gesagt. Wenn Nadja jetzt nicht bereit war mit Joe zu reden, dann wusste sie auch nicht weiter. Nadja sah sie etwas verloren an. "Aber es fühlt sich nicht gut an.", warf sie schlussendlich noch ein. "Aber gar nichts zu tun und schlimme Briefe zu bekommen fühlt sich auch nicht gut an!", gab Maricruz mit bestechender Härte zurück. "Master Joe sitzt im Wohnzimmer und ist sehr unglücklich. Reden Sie mit ihm." Sie machte eine kurze Pause. "Bitte.", fügte sie dann noch an.

Nadja presste die Lippen aufeinander. Wieder hatte die Köchin recht. Selbst wenn sie jetzt nach Hause wollte und alles wieder gerade biegen, was sich verschoben hatte, müsste sie zuvor Joe um ein Ticket bitten. Und ihn um das Ticket zu bitten, ihn zu verlassen und einen Kerl zu heiraten welchen sie nicht liebte, kam ihr sogar hirnrissig vor. Zum ersten Mal bekam sie die totale Abhängigkeit zu spüren. Auf Arramoa war all das nicht so schlimm gewesen. Dort war sie eine von vielen, die auszuhalten Thorsten Stahl sich entschlossen hatte. Aber hier war nur sie. Und wenn sie etwas wollte, dann musste sie nicht irgendeinen Angestellten um etwas bitten sondern Joe direkt. Sie schluckte einmal sehr feste, dann nickte sie. "Ich gehe zu ihm. Aber erst wasche ich mich nochmal.", quoll das letzte bisschen Trotz aus ihr hervor. "Dann mache ich nun weiter Essen.", verkündete Maricruz und verließ das Zimmer.

Nadja saß bedröppelt auf dem Bett. Sollte sie wirklich Joe um Hilfe bitten, oder einfach darauf vertrauen, dass Mama sich schon selbst helfen würde, wie sie im Brief geschrieben hatte?

1 Kommentar:

  1. Stolz kann einem schon manchmal im Wege stehen.
    Sie hätte zwei Möglichkeiten:
    Sie könnte zu Joe gehen und ihn einfach um Hilfe bitten. Sie könnte aber auch zu Joe gehen, die Schule abblasen, irgendeinen Hilfsjob annehmen und versuchen, Joe nicht allzusehr auf der Tasche zu liegen. Letzteres würde Joe zwar sicher nicht zulassen, aber sie hätte ihr Gesicht gewahrt.

    Ich finds gut, dass ihr endlich mal auffällt, in welcher Situation sie steckt. Das dürfte ihren Eifer, sich anzustrengen und eine gute Ausbildung zu nutzen, noch zusätzlich anspornen

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