Samstag, 21. April 2012

Noctambule III - Seltsame Gedankenspiele

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Bellinda hastete ihrem Mann eilig die Treppen hinauf hinterher und da er einfach in ihr Zimmer marschierte, folgte sie ihm und schloss mit Nachdruck die Tür. Etwas außer Atem ließ sie endlich ihre gerafften Röcke fallen, faltete die Hände vor sich und rang um Geduld und Fassung.
"Würdest du mir bitte jetzt berichten, was um alles in der Welt geschehen ist, Matisse? Und hör bitte auf, wie ein Tiger auf und ab zu rennen, davon wird mir ganz schwindlig!" Matisse bremste seinen Marsch durch das Zimmer und blieb vor dem Fenster stehen.


Er drehte seiner Frau den Rücken zu, die Hände hinter sich gefaltet und blickte starr hinaus. Bellinda kannte diese Stimmung zur Genüge und wartete stumm, ohne sich zu rühren. Sie versuchte, unsichtbar zu sein und ihre Ungeduld zu zügeln, denn wenn sie nun drängen würde, hätte sie das Gegenteil von ihrem Ziel erreicht.
"Ich hatte gestern Abend interessanten Besuch." begann Matisse schließlich, verfiel allerdings wieder in brütendes Schweigen. Bellinda biss sich auf die Lippen, um weiter zu schweigen. Fast auf Zehenspitzen lief sie zu dem breiten Bett, in dem sie so gut geschlafen hatte, und setzte sich auf den Rand, um dort weiter zu warten.
"Ein Sergej Komarov. Russe. Nie gehört, den Namen." erklärte Matisse mehr der Fensterscheibe als seiner Gattin, die lautlos seufzte und mit den Fingern auf ihr Knie trommelte. Da sie damit ein Rascheln ihres Kleides auslöste, hörte sie sofort wieder auf und begann, den Stoff glatt zu streichen. Endlich schien Matisse sich wieder an seine Frau zu erinnern und drehte sich um, sie nachdenklich anstarrend.
"Er ist ein Verehrer Miriams. Irgendein stinkreicher Kaufmann. Er berichtete mir, dass er sie schon seit vielen Monaten kennt und innig liebt." Bellinda fasste sich ein Herz und wagte nun endlich eine Antwort, da er sich ihr zugewandt hatte.
"Aber das ist doch wunderbar! Warum bist du denn dann so erbost?" ereiferte sie sich und ihre Wangen färbten sich rosig. Matisse schnaufte und begann erneut mit seiner Wanderung.
"Er versicherte mir, dass sie ihn ebenfalls liebt! Unsittliches Ding! Mein Gott, Bellinda, starr mich nicht so entgeistert an! Was denkst du denn, was die beiden da getrieben haben?" Bellinda begriff und schnappte nach Luft. Ihre Hände pressten sich gegen ihr Herz und sie blinzelte entsetzt.
"Hat.. hat er das denn etwa so gesagt?" hauchte sie peinlich berührt. Matisse marschierte in langen Schritten durch das Zimmer, machte dabei aber eine abwertende Handbewegung.
"Das musste er gar nicht! Im Gegenteil! Er sprach ganz begeistert von ihren Vorzügen. Ich kann mir das denken, Belllinda! Wann spricht ein Mann denn von einer tiefen Beziehung, wenn er nicht DAS meint?" Bellinda musste nachdenken und sackte konzentriert in sich zusammen. Sie verstand die Gedanken ihres Mannes nicht und versuchte, sich einen Reim zu machen.
"Vielleicht sagte er das, weil er Russe ist? Vielleicht meinen die das da ganz anders! Du kannst sie doch nicht so beschimpfen, Matisse! Sie ist doch unsere Nichte! Das arme Ding!" Sie zuckte erschreckt zusammen, als ihr Mann sich auf den Absätzen zu ihr herumdrehte und sie mit zornrotem Gesicht ansah.
"Natürlich kann ich das! Nichts als Ärger beschert sie mir! Ihretwegen muss ich im Haus dieser Schreckschraube wohnen, ihretwegen muss ich mich mit fremden Angelegenheiten beschäftigen und mit Lechaivre herumärgern und ihretwegen habe ich nun auch noch mein Gesicht verloren!" fauchte er. Bellinda starrte ihn fassungslos an.
"Matisse! Ich muss doch sehr bitten!" mutig rief sie ihn zur Ordnung und tatsächlich, er stieß schnaubend die Luft aus und nahm seinen Weg wieder auf. "Würdest du mir bitte erklären, warum du dann ihrer Heirat mit dem Russen zugestimmt hast, wo du doch meinst, dass Lechaivre viel besser ist?" fragte Bellinda verzweifelt. Matisse rollte mit den Augen.
"Es ist mir ja sogar recht, wenn sie den Kerl nimmt! Er wird sie mit in seine Heimat nehmen, versicherte er mir, wo sie ein feudales Leben führen kann. Damit sind wir sie hier immerhin los. Ich bin irgendwie davon überzeugt, dass er das Landgut mit Kusshand als Mitgift nehmen wird. Ich versprach ihm, zu veranlassen, dass die Gewinne aus der Bewirtschaftung auf ein Konto fließen werden, das er für sie verwaltet. Dann bin ich den Kram auch endlich los. Überhaupt kann er gerne alle Papiere haben und sich um den ganzen Erbmist kümmern. Schließlich ist er dann für sie verantwortlich." Bellinda versuchte irritiert, ihm zu folgen, auch wenn sie sich kaum genug konzentrieren konnte, um alles auf Anhieb zu verstehen.
"Und was erzürnt dich dann so?" fragte sie zaghaft.
Matisse blieb stehen und musterte seine Frau nachdenklich. Er begriff, dass er sie mit seiner Stimmung überforderte und wurde sanfter.
"Es ist sehr demütigend, am Abend zuvor seine Meinung bezüglich Lechaivre erfolgreich verteidigt zu haben, um einen Tag später alles rückgängig zu machen. Ich habe Lechaivre den Sachverhalt erklärt. Er wusste auch nichts von diesem Russen und beugt sich nun sehr zähneknirschend der Tatsache, dass sie tatsächlich keinerlei Gefühle für ihn hegt. Er hatte sich ja sowieso schon beschwert, dass sie ihn abweist. Nun sagte ich ihm, dass ich mich dem zarten Glück der Beiden nicht in den Weg stellen will, nachdem ich gestern erst davon erfuhr. Das war ein äußerst unschönes Gespräch. Wie stehe ich denn da als Onkel und Vormund, wenn ich nicht einmal etwas von diesem.. diesem.. tête a tête wusste?" er zuckte mit den Schultern, doch nun bildeten sich unschöne Zornflecken auf Bellindas Wangen.
"Verstehe ich dich richtig, dass du gerade mit voller Absicht den Ruf deiner Nichte befleckt hast, um deine schlechte Laune auszuleben?" quiekte sie mit wegbrechender Stimme. Matisse zuckte die Schultern, völlig unbeeindruckt von dem frisch gewonnenen Mut seiner Frau.
"Natürlich!" bestätigte er seiner Gemahlin. Bellinda brauchte einige Minuten, um den Gedanken sickern zu lassen. Schweigen breitete sich im Raum aus. Matisse betrachtete seine Frau interessiert, da sie äußerst selten ihre Selbstbeherrschung verlor, was sie um so langweiliger für ihn machte. Nun hatte sie scheinbar sehr damit zu kämpfen, die Fasson zu wahren und ihn nicht anzuschreien.
"Es wäre durchaus angebracht gewesen, diese Strategie vorher mit mir abzusprechen, Monsieur Bellier! So hätte ich Miriam in unserem geplanten Gespräch von deinem Sinneswandel berichten können, sie hätte sich dankbar gezeigt und ein gutes Verhältnis zu dir bewahrt. Und wenn sie so reicht wird, wie du sagst, hätte sie uns vielleicht sogar gern ein wenig unter die Arme greifen wollen! Zudem wäre es ein Akt der Fairness und Höflichkeit mir gegenüber gewesen!" Bellinda holte tief Luft und starrte ihren Mann ungehalten an. "Bitte verlass mein Zimmer, Matisse! Ich möchte die Zofe und den Butler rufen, um packen zu lassen!" verlangte sie nun hoheitsvoll.
Matisse deutete eine knappe Verbeugung an und verließ das Zimmer seiner Frau durch die Zwischentür. Er blieb gedankenverloren. Noch immer verstand er nicht, warum er einfach den Worten Komarovs geglaubt hatte und ohne Rücksprache mit Miriam einfach zu Lechaivre marschiert war.
Erst auf dem Heimweg hatte er plötzlich wieder das Gefühl, klar denken zu können, doch da war bereits nichts mehr rückgängig zu machen. Es war, als sei eine schwere Last von seinen Schultern gefallen, doch verstand er nun überhaupt nicht, warum er so kopflos losgerannt war. Er hatte seinen Zorn über seine eigene Ratlosigkeit an Miriam ausgelassen, doch weiter gebracht hatte ihn das nicht. Kopfschüttelnd warf er sich in seinem Zimmer in den Sessel und brütete vor sich hin.

1 Kommentar:

  1. Matisse ist und bleibt ein Trottel.

    Er ist einer, wenn er nicht unter der mentalen Kontrolle eines Vampirs steht und eben jene ändert daran auch nichts.

    Sergej hatte also kein Wort von Sex, den man damals wohl noch nicht so genannt hat, gesagt und Matisse erzählt genau das bei Lechaivre?

    Das war wohl sicherlich nicht Sergejs Intention, als er Matisse aufgesucht hat. Nun hat Miriam also einen ruinierten Ruf und es ist irgendwie unklar, wie Lechaivre reagieren wird.
    Ich glaube allerdings, dass sein vornehmliches Interesse dem Titel und sicher auch dem ein und anderen Franc aus Miriams Vermögen galt und weniger ihrer Unschuld. Da ist doch sicher noch was im Busch.

    Und Matisse kommt nun also wieder zu Sinnen und fragt sich, was er da eigentlich gemacht hat. Ich würde sagen: Er hat seine Ehe ruiniert. Denn unabhängig von Bellindas Gefühlen Miriam gegenüber, verbindet sie schon, dass sie beide Frauen sind und Bellinda scheint die Sache erheblich kritischer zu bewerten, als selbst Matisse es rückwirkend tut.

    Welche Saat wurde da gesäht?

    Liebe Grüße
    Joe

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