Freitag, 20. April 2012

Noctambule III - Bruch der Familienbande

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Belinda Bellier hatte schon seit vielen Jahren aufgehört, von inniger Liebe zu ihrem Ehegemahl zu träumen. Sie war damals artig in die arrangierte Ehe gegangen und hatte sich der Aufgabe gewidmet, ihre Pflichten als Mutter und Ehefrau zu erfüllen.
Dass sie Zeit ihres Lebens auf dem Land leben würde war etwas, mit dem sie sich bald hatte abfinden müssen. Rasch hatte sie erkannt, dass ihr Ehemann das Stadtleben aus gutem Grund verabscheute. Er besaß weder den Ehrgeiz noch die Fähigkeiten, in einem ehrbaren Beruf in der Stadt zu einem Vermögen zu gelangen.


Ihre Töchter hatte sie zu braven Frauen erzogen, die nun ihrerseits ihre Pflichten erfüllten, wie es ihnen zustand. Sie führten gute Ehen und bald würde sie das erste Enkelkind in den Armen halten können. Bellinda wünschte sich nun einfach nur noch Ruhe und endlich die Muße, um sich um ihren geliebten Kräutergarten zu kümmern.
Traurigerweise war diese Leidenschaft das Einzige, was sie mit ihrer ehrgeizigen Schwägerin Annabelle de Moureaux verbunden hatte. Nicht einmal die Tatsache, dass beide Schwägerinnen keine Söhne hatten gebären können hatte geholfen, einander näher zu kommen.
Auch Bellinda war wie ihr Ehemann davon überzeugt, dass besonders die Mädchen mit Strenge und unter wachsamer Aufsicht erzogen werden mussten, doch ihre Schwägerin hatte nur abgewunken und gelacht.
"Ihr lebt hinter dem Mond, meine liebe Bellinda! Gerade auf dem Land dürftet ihr ruhig etwas entspannter sein! Meine kleine Miriam ist ein Wildfang, aber sie wird eine Frau mit Charakter und sie weiß was sie will! Das ist mir viel wichtiger als sie zu einer langweiligen Betschwester zu erziehen!" Oh wie sehr hatte dieser Satz geschmerzt. Und auch heute noch saß er in ihrem Gedächtnis wie ein giftiger Stachel. Und nun musste ausgerechnet der träge Matisse die Verantwortung für diesen Wildfang tragen. Miriam hatte sogar gewagt, massiven Widerstand zu äußern!
Sie hatte bereits geschlafen, als ihr Ehemann nach oben gekommen war. Auch am nächsten Morgen hatte er nachdenklich und geistesabwesend gewirkt und nun hatte er sich aufgerafft, um den Verlobten seines Mündels aufzusuchen, um einige Ungereimtheiten zu klären. Doch wie auch immer das Gespräch ausging, Bellinda war fest entschlossen, einmal das Gespräch von Frau zu Frau mit Miriam zu suchen.
So wartete sie bis in den Nachmittag ab, bis Madame Duprés sich endlich zu einem kleinen Schläfchen zurück zog. Bellinda legte ihr Stickzeug beiseite und betrachtete den Rücken des Mädchens, das stumm an den hohen Fenstern des Salons stand und in den Garten starrte.
"Setz dich zu mir, Kind. Wir können uns doch ein wenig unterhalten." meinte sie sanft und klopfte neben sich auf das Sofa.
"Worüber möchtest du dich unterhalten, Tante Bellinda? Ich habe kein großes Interesse an Stickmustern." Miriams gemurmelte Abfuhr ließ Bellinda zusammenzucken. Es fiel ihr schwer, die tadelnden Wort ob dieser Respektlosigkeit herunter zu schlucken und ihre Stimme sanft klingen zu lassen.
Dieses Mädchen hatte es einfach nicht gelernt, sich angemessen zu benehmen und sie – Bellinda – würde es ihr in der kurzen Zeit nicht mehr beibringen können.
"Ich auch nicht. Ich finde es langweilig. Aber ich kann dabei sehr gut nachdenken, weißt du. Und du gibst mir viel Anlass zum Nachdenken." meinte sie nun. Miriam wandte sich zu ihr um und betrachtete sie traurig.
"Ich wusste nicht, dass dich mein Schicksal interessiert. Ich dachte immer, du magst mich nicht besonders." Bellinda seufzte bei dem Klang der traurigen Stimme ihrer Nichte und schüttelte den Kopf.
"Wie kannst du das nur denken? Ach, Kindchen! Du hast doch nur noch uns! Nun setz dich schon zu mir." Erleichtert sah sie, dass Miriam nachgab und sich neben sie setzte, wenn auch etwas steif. Daher griff sie nach der Hand des Mädchens und lächelte gütig.
"Du musst nicht traurig sein. Dein Onkel versucht doch nur, für dich das Beste zu finden! Er sorgt sich um deine Zukunft und du kannst nun mal nicht ewig hier leben, so ganz alleine und ohne Schutz." Miriam ließ reglos zu, dass ihre Hand gehalten wurde, schüttelte aber nun den Kopf.
"Ich bin ja nicht alleine! Und ich will nicht den Schutz dieses.. dieses.. Laffen!" murrte sie nun starrköpfig. Bellinda tätschelte die Hand ihrer Nichte begütigend.
"Wir Frauen brauchen den Schutz des Mannes, Kind. In der Ehe finden wir genug Aufgaben, die wir zu erfüllen haben. Hat deine liebe Mama denn nicht mit dir darüber gesprochen? Ich kenne keine Frau, die völlig verliebt in eine Ehe ging. Es ist eine unserer Pflichten, aber du ahnst noch gar nicht, welch ein Glück es bedeutet, Kinder groß zu ziehen!" Bellinda nickte bestätigend zu ihren Worten, musste aber betroffen feststellen, dass Miriam nun schnaubend aufsprang und herumzulaufen begann.
"Ich will keine Kinder mit diesem widerlichen Kerl! Mein Gott, Tante Bellinda, ihr wollt mich zwingen, einen Mann zu heiraten, der mich ekelt? Und du willst mir jetzt auch noch weis machen, mich zu mögen?" Miriam war laut geworden und stand nun zornbebend vor ihrer verblüfften Tante.
"Aber Miriam! Wie kannst du nur so reden?" Die beiden Frauen starrten sich an, die eine wutentbrannt, die andere völlig verwirrt und hilflos. Gerade holte Miriam Luft, um sich den ganzen Zorn von der Seele zu reden, als sich die Tür öffnete und Matisse erschien. Er erfasste die Situation sofort und schloss die Tür mit energischem Druck.
"Du kannst aufhören, dich aufzuregen und zu benehmen wie eine unerzogene Furie, Mademoiselle!" erklärte er schneidend. Bellinda konnte den Mund immer noch nicht schließen, aber ihr Blick lag nun verständnislos auf ihrem Gemahl, der ihr nur knapp zunickte.
"Bellinda, wir reisen heute ab! Sei so gut und sorge dafür, dass unsere Koffer gepackt werden. Und du, meine liebe Nichte…" er wandte sich der sprachlosen Miriam zu. "Du hast gewonnen. Letzte Nacht erfuhr ich durch Monsieur Komarov von deiner ungeheuerlichen Dreistigkeit, sich über meine Entscheidungen hinwegzusetzen und in aller Heimlichkeit das Leben einer Hafendirne zu führen!" donnerte er. Bellinda entfuhr ein Quietschen, Miriam starrte ihren Onkel mit tiefer Feindseligkeit an und schwieg.
"Ich habe die Verlobung mit Lechaivre soeben aufgelöst, da ich ihm nicht mehr in die Augen sehen kann. Deine Tante und ich werden nach Hause fahren, wo ich deine Angelegenheiten so weit regeln werde, dass du bis zu deiner Volljährigkeit versorgt bist. Wie das zu schaffen ist, weiß ich leider noch nicht. Dieser Russe scheint geneigt zu sein, sich auf eine Ehe mit dir einzulassen. Meinen Segen dazu kann ich dir nicht geben, aber ich werde mich nicht weigern. Dein Verhalten hat mich zutiefst beschämt, Mademoiselle la Comtesse. Mehr habe ich dir nicht zu sagen!"

1 Kommentar:

  1. Tja Miriam. Nun hast du also deinen Willen, aber hast du ach gewonnen?

    Im Prinzip war Matisse' Plan ja gerade dabei aufzugehen. Belinda sprach ein ehrliches Gespräch unter Frauen mit Miriam. Das war allerdings insofern zum Scheitern verurteilt, dass die beiden ja völlig verschiedene Ansichten haben von dem, was eine Frau so zu leisten hat.

    Und ich bin überrascht, dass Sergej dermaßen ehrlich gegenüber Matisse war. Ich hätte, mit seinen Fähigkeiten, das wohl anders angestellt. Und ich frage mich auch, was er Lechaivre nun erzählt hat, um die Verlobung zu lösen. Stoff dafür dürfte er nun genug gehabt haben.

    Liebe Grüße
    Joe

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