Freitag, 8. Juni 2012

Noctambule III: Ein beschwerlicher Weg

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

"Was?!" Miriam erstarrte. "Aber du kannst doch nicht hier ein Baby bekommen! Nicht jetzt!" stammelte sie verwirrt. Anyas kurzes Lachen klang leicht hysterisch.
"Erklär das mal dem Kind!" jappste sie und wischte sich über die feuchte Stirn.
"Aber du bist doch noch gar nicht so weit! Du hast gesagt, in einem Monat!" Miriams Stimme war fast ein wenig vorwurfsvoll, doch sie erntete nur ein Schulterzucken.
"Dann hab ich mich wohl verzählt." kam von Anya lapidar.


"Nein. Nein, das geht jetzt nicht! Du hast dich sicher nur überanstrengt. Komm, wir machen einfach eine Pause." schlug Miriam fast verzweifelt vor. Aber Anya war schon wieder dabei, sich hochzustemmen.
"Unfug! Wir gehen weiter. Du hast doch selbst erzählt, was deine Amme gesagt hat. Das dauert noch." Miriam wirkte überhaupt nicht überzeugt, aber sie wusste auch keinen besseren Ausweg und so erhob sie sich und betrachtete Anya noch einmal skeptisch.
"Bist du denn wirklich sicher?" vergewisserte sie sich noch einmal. Anya nickte überzeugt.
"Ohja. Mir geht es blendend. Als wäre nichts gewesen." versicherte sie ihrer Freundin mit einem zaghaften Lächeln. Seufzend wandte Miriam sich um und ging erneut voraus, was Anya sichtlich erleichterte.
Sie hatte mehr Angst, als sie zugeben wollte. Vor wenigen Stunden noch hatte sie sich auf die Geburt gefreut. Doch da war sie noch davon ausgegangen, dass Armand dabei sein würde und sie in Sicherheit war. Nun würde sie ein Kind ohne Vater gebären müssen und wusste nicht einmal, was während der Geburt zu tun war. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu und ganz unbemerkt von Miriam rollten einige Tränen über Anyas Wangen. Tränen der Angst und der Trauer.
Der Gang wurde enger und niedriger und schließlich sogar der Boden uneben, bis Miriam schließlich stoppte und die Kerze nach oben hielt.
"Ich weiß nicht warum, aber da oben geht es weiter. Ob der Boden abgesackt ist?" meinte sie fragend über die Schulter. Anya riss sich zusammen und wischte hastig die Tränen weg, hinterließ aber mit ihren lehmigen Händen eine breite Schmutzspur im Gesicht. Als sie Miriams Hinweis folgte, erkannte sie im schummrigen Licht eine Menge Erdbrocken und Steine, die wie eine kleine Gerölllawine wirkten. Knapp zwei Meter über ihnen war eine kleine, runde Öffnung, hinter der ein Gang zu liegen schien.
"Also irgendwas ist auf jeden Fall eingestürzt." Meinte Anya seufzend und versuchte, die Decke über dem Geröllhaufen zu erkennen. Aber im schwachen Licht der Kerze erkannte sie nur einige herunterhängende Wurzeln. Miriam nickte und reichte Anya die Kerze.
"Halt mal. Ich versuche, durchzuklettern." beschloss sie und kletterte das Geröll hinauf. Natürlich war es zu locker und so versank sie im Boden und schob etliche Brocken lose, die Anya vor die Füße kullerten. Trotzdem schaffte sie es, sich am Boden der Öffnung festzuhalten und hindurchzuziehen. Strampelnd und ächzend schob sie sich hindurch, dann erschien ihr Kopf wieder und sie lächelte Anya ermutigend zu.
"Hier geht es ganz normal weiter. Aber wir werden krabbeln müssen." erklärte sie zuversichtlich und streckte den Arm aus, um Anya die Kerze abzunehmen. Viel war von der Kerze inzwischen nicht übrig, aber der kostbare Stummel würde noch mindestens eine halbe Stunde reichen, bevor eine neue Kerze angezündet werden musste und so steckte sie den Stummel fest in den Boden hinter sich und reichte Anya die Hand, um ihr zu helfen.
"Ich passe da nicht durch." zweifelte Anya zögernd.
"Unsinn! Komm schon!" Miriam war offensichtlich nicht bereit, es nicht wenigstens zu versuchen. Sie wedelte auffordernd mit der Hand und schließlich griff Anya danach und begann, hinauf zu klettern. Ihr Oberkörper passte mühelos durch die Öffnung, aber schon entstand ein mächtiger Druck an ihrem Bauch und sie stöhnte auf. Ihre Beine strampelten auf der Suche nach Widerstand, an dem sie sich abstoßen konnte und Miriam zog verbissen an ihrer Hand.
"Warte.. warte mal!" keuchte Anya schließlich und blieb atemlos liegen.
"Was ist? Komm, du schaffst das!" feuerte Miriam sie an, ließ aber die Hand ihrer Freundin los. Anya drehte sich leicht, bis sie halb auf dem Rücken lag und ließ den Kopf auf den Boden fallen. Ihre kurzen Haare waren inzwischen schmutzig und verschwitzt, aber das war ihr egal. Sie musste nur kurz einmal die Augen schließen und durchschnaufen, dann würde es wieder weiter gehen.
Aber schon kam die nächste Schmerzwelle. Miriam hatte ihr erzählt, dass die ersten Wehen nur leicht sein würden. Doch das hier war nicht leicht. Heftige, wellenartige Schmerzen durchzogen ihren Unterleib und zu gerne hätte Anya nun die Beine angezogen und sich zusammengekrümmt. Wie im Krampf zog sich in ihr alles zusammen und die wellenartige Kontraktion ihrer Muskeln zerrte schmerzhaft an ihrem Rückrat.
Panik überkam sie. Wenn sie jetzt Geburtswehen bekam, würde sie doch das Kind gar nicht halten können. Sie hatte keine Ahnung, wie lange so eine Geburt dauern würde und sie wusste schon gar nicht, wie sie ablaufen würde.
Ängstlich begann sie erneut zu hecheln und stöhnte immer wieder. Sie spürte die tröstende Hand von Miriam streichelnd auf der verschwitzten Stirn und hörte die gemurmelten Worte, achtete aber nicht auf sie.
'Noch nicht. Warte noch ein bisschen, Kleines! BITTE!' Wie eine Antwort ließen die Schmerzen auf einmal wieder nach. Erleichtert öffnete Anya die Augen und starrte an die Decke über sich, die sie mit ausgestrecktem Arm erreichen konnte. Auch Miriam war erleichtert, gönnte Anya aber noch eine Verschnaufpause, bis sie von sich aus wieder begann, sich durch die Öffnung zu quetschen.
"Ich fühle mich so fett!" ächzte Anya und stemmte sich mit den Händen an der Öffnung ab. Stöhnend schob und zerrte sie sich durch die Öffnung und rollte schließlich erschöpft auf den Rücken. Galgenhumor meldete sich und verzog Anyas Lippen zu einem verschmitzten Lächeln.
"Wenn am Ausgang kein gemütliches Bett steht, kriegst du Ärger, Miriam." meinte sie und raffte sich wieder auf. Miriam stand die Erleichterung im Gesicht geschrieben. So konnte sie auch leicht kichern über Anyas Worte, aber sie blieb unruhig.
"Ich weiß nicht, ob es klug ist, weiter zu gehen." meinte sie unsicher. Anya schnalzte ungeduldig mit der Zunge.
"Tust du auch nicht! Du wirst weiter krabbeln. Und zwar sofort!" erklärte sie und gab Miriams Schulter einen kleinen Stoß.

1 Kommentar:

  1. zwei frauen ohne ahnung von einer geburt. Allein! Fern jeder Hilfe. Und die eine dient der anderen als nahrung.

    Irgen habe ich meine zweifel, dass das gut ausgehen kann.

    Anya wird ihre ersten wehen in der Aufregung einfach verpasst haben. Und womöglich gibt dies einfach eine besonders zügige geburt.

    Und all das ohne armand.

    Anya hat schon viel erleiden müssen, aber dies wird eine ihrer dunkelsten stunden.

    Ich hoffe so sehr, dass das gut geht. Aber hoffnung habe ich wenig.

    LG
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.