Montag, 25. Juni 2012

Noctambule III: Müde

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Armand versuchte verzweifelt, in einen erholsamen Schlaf zu sinken, doch die Umstände ließen es einfach nicht zu. Die Verletzung in seinem Rücken schmerzte höllisch und er konnte spüren, wie sein Körper sich anstrengte, um diese Wunde zu bekämpfen. Die Art der Fesselung ließ kaum eine Bewegung zu, sodass er seinen Rücken nicht entlasten konnte, ohne von dem Seil um seinen Hals halbwegs erdrosselt zu werden.


Es kostete ihn enorme Anstrengung, die aufrechte Haltung nicht zu verlieren. Doch damit nicht genug, machte ihm auch die Hitze der beiden Brände zu schaffen. Beide Häuser brannten lichterloh. Auch der einsetzende Regen konnte die Flammen nicht bändigen, es schien fast, als würden die Regentropfen schon verdampfen, ehe sie den Flammen zu nahm kommen konnten. Noch immer flogen Funken durch die Luft und so manche von ihnen versengten Haare, Kleidung und Haut.
Wenn der Wind sich etwas drehte, husteten beide Männer verzweifelt, weil der Rauch sich in der Mitte des Hofs wirbelnd sammelte, ehe er abzog. Ungeschützt waren sie auf diese Weise dem Qualm, dem Regen und der Hitze ausgesetzt. Beiden Männern hingen die Haare tropfend im Gesicht, die Kleidung klebte an den Körpern und während die Hitze sie zum schwitzen brachte, kühlte der nasse Boden unter ihnen unangenehm. Da nun auch die Steine der Mauer die Hitze speicherten, gab es daher von allen Seiten Wärme.
Armand versuchte, nicht an Anya zu denken. Doch immer wieder kehrten seine Gedanken zu ihr zurück und lösten tiefe Sorge und Sehnsucht aus. Er würde nicht dabei sein, wenn die Wehen einsetzen würden und vielleicht nicht einmal mehr erleben, wie sein Kind heran wuchs. Unzählige Frauen waren in seinem Leben aufgetaucht und auch wieder verschwunden, doch nur wenige von ihnen hatten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Außer Anya hatte keine von ihnen so tiefe Gefühle ausgelöst und ihm so intensive Sicherheit gegeben.
Immer wieder ertappte er sich dabei, zu ergründen, worauf diese Sicherheit beruhte. Wenn er in ihrer Nähe war, sah er es als seine größte Aufgabe an, diese Frau glücklich zu machen und vor allen Gefahren zu schützen. Ihre kleine, zierliche Figur suggerierte ihm immer wieder absolute Hilflosigkeit obwohl er sehr genau um ihre Fähigkeiten und ihre innere Stärke wusste. Doch sobald er nicht bei ihr war, fühlte er sich unsicher und unruhig.
Er würde es sich nie verzeihen, wenn ihr durch sein Versagen etwas zustoßen würde und nun hatte er genau aus diesem Bestreben heraus die falsche Entscheidung getroffen und sie sich selbst überlassen.
In diesem Augenblick wusste er nicht, wie er das rückgängig machen konnte. Seine Verletzung lähmte und schwächte ihn genug, um sich nicht einmal selbst helfen zu können. Fabrizio würde ihn bei seiner Rückkehr erbarmungslos töten, daran hatte er keinerlei Zweifel. Doch trotz tiefster Konzentration schaffte er es nicht, die Zeit zu nutzen und sich zu erholen.
Er wusste nicht, wie lange er in diesem Halbschlaf voller Gedanken gewesen war ehe ihm bewusst wurde, dass sein Freund neben ihm ächzend und hustend herum rumorte. Er konnte seinen Kopf nicht weit genug drehen, um ihn zu beobachten, daher räusperte er sich mehrere Male, ehe er reden konnte.
"Was treibst du da eigentlich?" Sergej stieß einen Fluch aus.
"Ich dachte schon, du bist tot!" krächzte er nun erleichtert. Armand grinste müde.
"Noch nicht ganz. Aber ich arbeite offenbar daran." erwiderte er freudlos. Sergej fluchte erneut.
"Was machst du??" wiederholte Armand seine Frage.
"Was wohl? Ich versuche, mich zu befreien!" Sergej hustete und würgte, während er verbissen weiter wühlte. Mit dieser Antwort war Armand nicht gedient und er runzelte die Stirn.
"Aha? Und klappts?" Sergej hustete und würgte. Es dauerte eine Weile, ehe er wieder antworten konnte.
"Nein, verdammt!" Armand schloss die Augen wieder und versuchte, sich zu entspannen. Sein Kopf lehnte an der kleinen Mauer und die Regentropfen klatschten in sein Gesicht. Durstig öffnete er den Mund, um etwas Wasser aufzufangen. Das Gewitter war etwas weiter gezogen und hing nun direkt über dem Waldstück, das er schon so oft mit Anya durchquert hatte, um in Marseille zu jagen. Wo sie wohl nun war? Ob sie sich in diesem Wald versteckte? Hatten die Frauen überhaupt den Ausgang erreicht?
Armand lächelte leicht. Irgendwie interessierte ihn Sergejs Kampf mit seinen Fesseln nicht mehr. Der Schmerz ließ endlich nach, bald würde er ganz aufhören. Darüber freute er sich plötzlich. Dann könnte er endlich schlafen und müsste nicht mehr nachdenken. Je mehr die Schmerzen nachließen, desto weniger störte Armand der Regen oder die Hitze. Sein Gesicht entspannte sich, während er darauf wartete, endlich einschlafen zu können.

1 Kommentar:

  1. Bei der Überschrift hate ich ein wenig gehofft, es ginge nun bei Anya und ihrem neugeborenen weiter, wo sich nun alle in einen erholsamen Schlaf kuscheln.

    Doch das ist schlimm! Nicht nur, dass Armands Verletzung ihn mehr mitnimmt, als ursprünglich vermutet, sondern auch scheint er seinen Lebenswillen zu verlieren.

    Jetzt müsste er Anya lesen und bemerken können und feststellen, dass er einen gesunden Sohn hat. Das müsste ihn beflügeln!

    LG
    Joe

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