Mittwoch, 6. Juni 2012

Noctamnule III: Wohlverdiente Rache

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Die Sonne schob sich stetig über den Horizont und ließ den leichten Bodennebel, der mit den ersten wärmenden Strahlen aufkam, wie glitzernde Watte erscheinen. Einige kleine Wolken verteilten sich noch über dem Himmel, doch der Nachthimmel verfärbte sich zunehmend in ein sattes Blau und verkündete einen herrlichen Frühlingstag.
Der feuchte Boden verströmte den samtigen Geruch von Moos und Erde und vermischte sich mit der salzigen Luft, die von der Küste ins Inland getrieben wurde.
Während die meisten Bauern bereits auf die Felder gingen herrschte auf diesem einen Bauernhof tiefe Stille. Kein Hahn krähte und kein Vieh brüllte danach, gemolken zu werden.


Die beiden Männer, die im Haus vor dem noch glimmenden Kamin in den Sesseln lümmelten, schwiegen beharrlich und starrten vor sich hin. Schlafen konnte keiner so richtig, beide waren in Gedanken bei den zwei Frauen, die sich hoffentlich erfolgreich durch die Gänge des Erdstalls in die Freiheit kämpften.
Auch als Armand schließlich aufstand und vorsichtig durch die Vorhänge nach draußen sah, um das Wetter einzuschätzen, kam kein Gespräch auf. Sergejs Augen folgten ihm, aber als Armand sich stumm wieder abwendete, war das für Sergej Aussage genug. Eine Veränderung hätte er mit Sicherheit weitergegeben, also schien sich draußen nichts verändert zu haben.
Das war einerseits gut, denn die Sonne zwang die Sanghieri in ihr Versteck und verschaffte den flüchtenden Frauen somit mehr Zeit. Andererseits zehrte die lange Wartezeit an den Nerven, denn auch wenn sie müde waren, konnte keiner der Männer ein Auge zumachen.
Gegen Mittag begannen Wolken aufzukommen. Erst zaghaft und nur am Horizont, doch der Wind hatte gedreht und würde die Wolken bald her treiben.
Am Nachmittag schien über dem Hof noch immer die Sonne, doch die Wolkenfront hatte sich nahe heran geschoben und das tiefe Grau schien ein heftiges Gewitter zu versprechen. Immer wieder stand einer der Freunde auf, um vorsichtig aus dem Schatten heraus die Wolken zu beobachten.

In der Scheune auf der anderen Seite des Hofs wechselten sich sechs Männer mit der Wache ab und versuchten, den Tag schlafend zu überwinden. Nur Fabrizio wurde immer wieder wach und trat an das leicht geöffnete Scheunentor. Auch er beobachtete die Wolkenfront und hoffte inständig, sie möge schneller herüber ziehen. In der kurzen Zeit, die er Armand und Sergej gegeben hatte, um sie zu erkennen, war ihm klar geworden, dass keine weiteren Vampire im Haus zu sein schienen.
Dass er Anya noch immer nicht wahrnehmen konnte, beschäftigte ihn. Auch Unreine waren aufspürbar, wie man ja an Armand sah, doch diese kleine Schlampe hatte eine Fähigkeit, die er nicht verstand.
Kein Vampir konnte ununterbrochen darauf achten, seine mentalen Kräfte zu beherrschen. In Krisenzeiten konnte man sich wohl zwei, drei Tage lang verbergen, doch kostete das auch Energie und die entspannte Gelöstheit, die er bei Armand und Sergej festgestellt hatte, hätte auch bei Anya sein müssen.
Entweder war sie also fähiger als alle anderen oder – und das gefiel ihm wesentlich besser – sie war gar nicht fähig, ihre Kräfte zu entwickeln.
Wie auch immer, sie würde nicht mehr lange genug leben, um daran zu arbeiten. Fabrizios Zorn betraf zwar in allererster Linie Armand, doch da die Gruppe zusammenhalten würde, mussten eben alle dran glauben.
Zwei Männer, eine schwangere und daher schwache Frau und ein Menschenweib, das waren im Grunde keine ernst zu nehmenden Gegner. Doch hatte auch Fabrizio den Kampf Armands gegen George gesehen und beeindruckt feststellen müssen, dass Armand trotz seiner Größe wendig, schnell und erfahren war.
Immer wieder überlegte er, wie er nun an Stelle von Armand handeln würde und war sicher, dass auch er die Nacht abwarten würde, um aus dem Haus zu fliehen. Deshalb würde er bei Einbruch der Dämmerung seine Männer um das Haus herum verteilen.

Fabrizio legte keinen großen Wert auf einen Kampf in dem engen, kleinen Haus. Dort wären die Gegner im Vorteil. Er musste sie heraustreiben und das würde am Besten mit einem netten kleinen Feuerchen funktionieren.
Ein böses Lächeln glitt über Fabrizios Gesicht, das seine Zähne freilegte. Die Ehre der Sanghieri würde bald wiederhergestellt sein und seine Schwester hätte endlich ihre wohlverdiente Rache.

1 Kommentar:

  1. Langes Leben bringt doch nur langen Hass mit sich. Jedenfalls für Fabrizio stimmt das.

    Ich hoffe den beiden Mädels im "Keller" geht es gut und sie finden einen Weg nach draußen. Was ich mir auch vorstellen könnte ist, dass Anya Miriam in Sicherheit bringt und dann versuchen könnte mit einer Überraschung von hinten das Kampfgeschehen zu wenden. Allerdings ist sie selbts ja im Kampf wenig tauglich. Und wird auch keine bevorzugte Behandlung erfahren.

    Aber ob da alle Vampire so denken wie Fabrizio? Oder gibt es welche, die noch Anstand gegenüber einer schwangeren haben?

    Und die beiden Kerle im Haus sollten mehr tun, als sich anzuschweigen. Sie sollten das Haus verbarrikadieren. Je länger der Kampf mit den Sanghieri dauert, desto mehr Vorsprung haben die Damen. Und als alter Stratege sollte man wissen, dass man im Haus grundsätzlich in der überlegenen Position ist.
    Löschgerät bereitstellen, Waffen und Knüppel organisieren, Fallen stellen... Herumsitzen nutzt niemand!
    Faules resigniertes Pack.

    Trotzdem viel Glück im Kampf.

    Liebe Grüße
    Joe

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