Dienstag, 12. Juni 2012

Noctambule III - Rückblick: Die Suche nach einem Haus

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Wieder einmal entdeckte Armand den Vorteil, einen Mensch bei sich zu haben, der sich tagsüber ungezwungen unter den Bewohnern bewegen konnte. Während der Wanderung hatte Armand beiden Frauen einige Brocken des flandrischen Dialekts beigebracht. Mehr konnte er selbst nicht, doch es reichte zur Verständigung aus.
In einer Kleinstadt ein Haus zu finden, war oft sehr schwer, denn wer glücklicher Besitzer eines Hauses war, gab diesen Besitz nie gerne ab. In der Vergangenheit hatte Armand festgestellt, dass nur überhöhte Preisvorschläge die Gier der Besitzer weckte, was Armand schließlich dazu veranlasst hatte, den hilflosen Mensch erst soweit zu beeinflussen, dass er das Haus auf Armand überschrieb und anschließend plötzlich vom Erdboden verschwand.



Diesmal schickten sie Agnes voraus, um sich in der Stadt nach einer passenden Unterkunft umzusehen. Sie band sich das klassische Kopftuch einer Zofe um und wurde von der besorgten Brid schon einen Tag vorher immer wieder gemahnt, vorsichtig zu sein. Weder Brid noch Agnes trauten den Männern besonders. Allerdings trauten sie ihnen durchaus gemeine Dinge zu, denen Agnes hilflos ausgeliefert wäre. Und so machte Brid ihren Schützling schon unsicher, bevor es überhaupt losging.


Während Armand und Brid sich über Tag im Wald verkrochen, marschierte Agnes zu Fuß die letzte Strecke in die idyllische kleine Stadt hinein. Es herrschte buntes Treiben auf dem Marktplatz. Händler boten lautstark ihre Ware feil, Käufer versuchten ebenso lautstark zu handeln. Agnes zwängte sich durch die vielen Menschen und lächelte kopfschüttelnd, wenn ihr Obst oder Gemüse angeboten wurde. Zu verstehen war die Sprache recht gut für Agnes, da in Flandern ein Dialekt gesprochen wurde, der dem Deutschen ähnelte. Aber ihre Unsicherheit wuchs, je mehr sie hörte und je schneller die Menschen sprachen. Wie sollte sie sich hier verständigen?
"Goedendag mejuffrouw! Kann ik je helpen?" Agnes fuhr herum und schaute in die freundlichen Augen eines älteren Mannes, der mit einem Stoffballen unter dem Arm neben ihr stand. Agnes errötete verlegen und zuckte mit den Schultern.
"Verzeihung." murmelte sie unbewusst auf deutsch und biss sich sofort auf die Zunge. Sie hatte doch geübt! Aber plötzlich schien alles vergessen zu sein. Aber der alte Mann lachte amüsiert.
"Ah, sie ist eine Duitse!" Er schien sich über seine Erkenntnis zu freuen und da Agnes zu verstehen glaubte, nickte sie hastig, unendlich erleichtert darüber, dass er offenbar ihre Sprache beherrschte.
"Ja. Ich spreche Eure Sprache nicht gut." entschuldigte sich Agnes erneut. Der Mann legte eine Hand auf ihren Arm und lächelte besänftigend.
"Das ist nicht schlimm. Wir alle hier können gut duits. Wir sind Nachbarn, du verstehst?" Agnes lächelte zaghaft. Seine Art zu sprechen fand sie niedlich und seine Hilfsbereitschaft entspannte sie sichtlich.
"Ich suche eine Unterkunft für meine Herrschaft." berichtete sie nun eifrig. Sofort legte der Fremde die Stirn in Falten und rieb sich das Kinn.
"Ja, wir haben ein Gasthaus. Es ist aber nicht so schön. Aber gutes Essen haben sie." schlug er vor. Agnes schüttelte den Kopf.
"Nein, ein Gasthaus ist nicht gut." erklärte sie nachdenklich und löste damit zu ihrer Verblüffung erneutes Gelächter aus.
"Nicht gut? Jouffrouw, was erwartest du denn? Sollen wir ihnen ein Haus bauen?" Er lachte erneut und bog sich dabei, die freie Hand auf seinen massigen Bauch legend, als müsse er ihn stützen. Agnes nickte und schüttelte sofort den Kopf.
"Nicht bauen. Aber ein Haus wäre gut!" erklärte sie bestimmt. Wieder lachte er, doch nachdem er sich beruhigt hatte, schüttelte er den Kopf.
"Nej, das geht nicht. Sie müssen schon ins Gasthaus." bestimmte er. Agnes seufzte und ließ den Kopf hängen. Der Händler tätschelte ihre Schulter tröstend.
"So schlimm ist es nicht. Geh nur dort die Gasse hinunter und du findest es sofort. Es heißt Gouden Hert." Agnes bedankte sich mit einem artigen Knick und zog weiter. Zwar glaubte sie nicht, dass Armand und Brid mit einem Gasthaus einverstanden wären, doch ansehen konnte sie es sich ja einmal. 

Der goldene Hirsch auf dem Schild über der Tür war bereits von weitem zu sehen. Agnes blieb stehen und schürzte die Lippen. Es war keine schlechte Unterkunft für ein armes Mädchen vom Land wie Agnes. Doch nun war sie sicher, dass dies nicht das Richtige für ihre Freunde war. Der Größe nach konnte dieser Gasthof höchstens fünf Zimmer haben und ein Blick durch die Fenster des Schankraums zeigte ihr schmuddelige Tische, die einmal gehörig geschrubbt werden müssten und einen mürrischen Gastwirt, der sich gerade einsam einen Humpen Bier einschenkte.
Agnes kehrte um und beschloss entmutigt, die Stadt zu besichtigen. Vielleicht fand sie ein leerstehendes Haus, auch wenn sie stark daran zweifelte. Von dem Geld, das Brid ihr mitgegeben hatte, erlaubte sich Agnes ein Brot, Schinken und einen Apfel zu kaufen, denn ihr kleiner Vorrat an Proviant war seit gestern aufgebraucht. Hungrig aß sie den Apfel und schlenderte durch die kleinen Gassen.
Schneller als sie erwartet hatte, erreichte sie offene Felder und folgte dem Weg um die Stadt herum. Als sie auf einem kleinen Hügel ein Häuschen entdeckte, jauchzte sie freudig auf.
Es war aus groben Feldsteinen gebaut und das alte Dach hatte bereits Moos und Gras angesetzt. Die Vorderfront zeigte zwei Fenster mit blauen Fensterläden, die einladend offen standen, um die Sonne hinein zu lassen. Perfekt, fand Agnes. Die Fensterläden würden Armand und Brid tagsüber schützen.
Eine hohe, sehr alte Birke neigte sich leicht neben dem Haus und warf zarte Schatten. Mit frischer Kraft schritt Agnes auf das Haus zu und blieb schließlich einige Meter vor der Tür stehen. Besser konnte es gar nicht sein! Es lag etwas abseits und hatte genau die richtige Größe.
"Ist jemand zu Hause?" rief sie vorsichtig und wartete auf eine Antwort. Da niemand reagierte, begann Agnes das Haus zu umrunden. Als sie die Rückseite erreichte, sank ihr Herz in die Knie, denn eine junge Frau hatte gerade ein Laken auf eine Wäscheleine gehängt und stemmte nun ächzend die Hände in ihren Rücken, den hochschwangeren Bauch dabei weit nach vorne drückend.

1 Kommentar:

  1. Tjaa - praktisch ist so ein Mensch schon für einen Vampir.

    Amüsant, dass sie ihr so wenig zutrauen. Die übersteigerten eigenen Fähigkeiten lassen sie ja geradezu arrogant erscheinen. Sicherlich ist Agnes eine fast erwachsene Frau, welche sich doch wohl bei Tageslicht durch eine Stadt bewegen kann. Auch wenn es gefährliche Zeiten sind. :)

    Tja - und nun hat sie also ein Haus gefunden, welches geradezu ideal wäre. Aber diese Bewohnerin wird Armand zumindest nicht vom Erdboden verschwinden lassen. Und es steht ja durchaus zu vermuten, dass diese Schwangerschaft von jemand verursacht worden ist, der auch dor wohnt.

    Ich bin gespannt, was für ein Arrangement hier gefunden wird.

    LG
    Joe

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