Freitag, 1. Juni 2012

Noctambule III: Pass auf unser Kind auf!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

"Vertrödeln wir keine wertvolle Zeit!" befahl Armand und zog bereits den Kopf ein, um sich an der Kellertür nicht die Stirn zu stoßen. Folgsam folgten ihm die anderen nach unten, wo die Männer bereits eine Kerze entzündet hatten.
Anya blickte sich im Keller um und erkannte die zusammengerollten Seile, mit denen Armand sie so kunstvoll gefesselt hatte. Hier hatten beide tiefste Lust erlebt, doch nun überlagerten Angst und Trennungsschmerz jeden Gedanken an Erinnerungen. Armand griff zu einem kleinen Beutel, den er Miriam umhängte.


"Hier sind Ersatzkerzen drin. Geht vorsichtig damit um. Wenn sie ausgeht, seid ihr im Dunklen." erklärte er, zufrieden Miriams folgsames Nicken registrierend. In ihren Augen stand Beklemmung und Furcht und ihre Hand klammerte sich noch immer an Sergejs Hand.
Armand griff in seinen Gürtel und zog ein Messer mitsamt Scheide heraus. Schweigend bedeutete er Anya, die Arme zu heben und befestigte die lederne Scheide an Anyas Hose. Während er prüfte, ob das Messer die richtige Position hatte und fest verankert war, sah er Anya tief in die Augen.
Sie erwiderte stumm seinen Blick, ohne sich von dem ruckartigen Zerren Armands beirren zu lassen. Sie wusste, dass jeder weitere Überredungsversuch nun zwecklos war, doch in ihren Augen stand Angst und so eine tiefe Sehnsucht, dass Armand fürchtete, diesem Blick nicht mehr lange Stand zu halten.
Ihre blauen Augen wirkten größer als sonst und die blaue Iris noch heller als üblich, was durch die vor Angst vergrößerte Pupille nur noch verstärkt wurde. Armand konnte nicht anders, als seine große Hand an ihre Wange zu legen und zu genießen, wie sie instinktiv ihr Gesicht in seine Handfläche schmiegte.
Ihre kleine Hand drückte seine an ihre Wange und er konnte ihr tiefes Durchatmen hören.
"Pass auf dich auf, kleine Anya. Und schütze unser Kind. Ich weiß, wie stark du bist." raunte er dicht an ihrem freien Ohr und hauchte einen sanften Kuss darauf. Anyas Nicken konnte er nur an seiner Hand spüren. Er war froh, dass sie ihren Satz unterdrückte, er möge auch auf sich aufpassen. Das hatte er sowieso vor und er hatte Angst vor dem Zittern, dass in ihrer Stimme liegen musste. Stattdessen hob sie ihr Gesicht zu ihm und öffnete die Lippen leicht. Er verstand die Aufforderung, beugte sich noch einmal herunter und küsste sie intensiv.
Sergej war noch damit beschäftigt, einen dicken Umschlag aus seiner Jacke zu ziehen. Den drückte er Miriam in die Hand und sah sie ernst an.
"Darin sind deine Urkunden für die Muschelzucht und dein Landhaus. Aber auch meine Urkunden und Geld für euch. Und ein Schreiben von mir, in dem ich dich ermächtige, frei über mein Vermögen zu verfügen und meinen Besitz zu verwalten oder zu verkaufen. Pass gut darauf auf. Wenn ich nicht zurückkomme, wirst du es brauchen." Miriams Augen füllten sich mit Tränen und ihre Lippen zitterten.
"Sag doch nicht so etwas!" flüsterte sie ängstlich. Sergej zog sie noch einmal in seine Arme und presste sie an sich.
"Ist doch nur sicherheitshalber. Ich werde dich schon wiederfinden." Auch er küsste Miriam noch einmal, dann lösten sich beide Paare beinahe gleichzeitig voneinander. Armand schob Anya zum Eingang und drückte ihr die brennende Kerze in die Hand, während Sergej Miriam einen Wasserschlauch umhängte.
"Schlagt euch zu Miriams Landgut durch. Weder Sergej noch ich wissen genau wo es liegt. Das ist gut so, denn so können die da draußen nicht in uns lesen. Aber wir werden es irgendwann finden." befahl Armand. Anya nickte stumm und gehorchte der drängenden Hand Armands, den Gang zu betreten. Sie musste sich bücken und hielt die Kerze am ausgestreckten Arm, denn die Flamme blendete sie in der plötzlichen Dunkelheit. Sie hörte Miriam hinter sich und machte einige Schritte, bevor sie anhielt und sich noch einmal umdrehte.
Aber die Männer sahen ihnen nicht hinterher. Das Geräusch des schweren Weinregals, das nun über den Boden geschoben wurde, dröhnte rumpelnd in dem schmalen Gang. Die beiden Frauen sahen zu, wie der helle Spalt immer schmaler wurde, bevor er mit einem lauten Schlag völlig verschwand. Das schwere Regal stand wieder vor dem Eingang und sie konnten hören, wie die Freunde hastig etliche Falschen wieder hinein sortierten.

Anya fröstelte und blickte Miriam an. Sie konnte das heftige Herzklopfen ebenso deutlich hören, wie das Rauschen ihres Blutes. Aber sie verspürte keine Gier danach. Die Angst war viel zu groß. Pure Angst und Verzweiflung. Mit dem Schließen des Gangs schien die Trennung von Armand irgendwie endgültig zu sein. Er war fort und sie wusste nicht, ob sie ihn jemals wiedersehen würde.

1 Kommentar:

  1. Eine unglaublich rührende Abschiedsszene.
    Ich hoffe nur, dass sie alle sich wiedersehen werden.

    Ich bin ja weiterhin der Meinung, dass sie einen Fehler machen, sich zu trennen. Sie könnten sich zu viert sicherlich besser durchschlagen.

    Aber warten wir es ab.

    Bemerkenswert finde ich noch, dass Sergej seiner Miriam bereits eine Vollmacht ausgestellt ha. Das beeindruckt mich nun doch sehr. Er hat scheinbar grenzenloses Vertrauen in sie.

    Nun gilt es auf die nächste Nacht zu warten und zu hoffen, dass sie den Männern etwas entgegensetzen können.

    Eine Vermutung habe ich noch. Fabrizio will die "Brut" mit stumpf und Stiel ausrotten. Das bedeutet, er wird auf keinen Fall halt machen, bevor er auch Anya hat. Um diese zu finden, braucht er aber wiederum Armand. Mir scheint es könnte durchaus sein, dass man Gefangene macht.

    *nägelkau*

    Liebe Grüße
    Joe

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