Samstag, 2. Juni 2012

Noctambule III - Rückblick: Dämonen im Berg

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Krainberg (Österreich) 1580

Armands muskulöser Rücken glänzte im Licht der Fackel durch die feine Schicht aus Schweiß. Brust, Arme und Gesicht waren nicht weniger verschwitzt, doch hatte er immer wieder die kitzelnden Schweißtropfen weggewischt und damit eine schmierige Schicht aus Schweiß und Staub verteilt. Seine langen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden aber die Haarspitzen klebten auf den Schulterblättern.



Atemlos legte er eine Pause ein und hockte sich auf einen Felsvorsprung an der gegenüberliegenden Seite des Ganges. Hier war es gut, denn hier konnte er den Luftzug spüren, der durch den langen Gang vom Eingang bis zu dem Loch in der Decke führte. Die frische Luft tat ihm gut und kühlte seinen Körper ein wenig ab. 

In den vergangenen sechs Jahren hatte er gelernt, dass er seine massiven Kräfte, welche die eines Menschen weit überstiegen, hier gut austoben konnte. Doch hatte er auch gelernt, sie zu dosieren. Und er hatte zum ersten Mal seit vielen hundert Jahren endlich wieder einmal so etwas wie Muskelkater verspürt.
Die unterirdische Mine wieder zu finden, hatte sich als sehr einfach herausgestellt. Zwar hatte die Natur an den Rändern des senkrechten Einstiegs hohes Gras wachsen lassen, das sich im Laufe der Zeit über den Eingang gelegt und Boden für frisches Gras geboten hatte, aber Armand kannte die Stelle nun zur Genüge, um beinahe blind hierher zu finden. Immerhin zeigte ihm das Wachstum um den Einstieg herum, dass niemand sonst hierher gefunden hatte.
Von dem Lohn aus seiner Arbeit im Tal hatte er sich genug Werkzeug kaufen können, um hier oben an die Arbeit gehen zu können. Im Licht einer Fackel war er durch die natürliche Höhle geklettert, um festzustellen, welchen Weg die Silberader gezogen hatte und feststellen dürfen, dass ihm fürs Erste erspart blieb, Stollen graben zu müssen. 


Als Einzelner eine Mine abzubauen erwies sich als zeitraubend. Er kam nicht sehr weit, doch niemand drängte ihn zur Eile. Wenn er genug von alldem haben würde, wäre jederzeit die Möglichkeit gegeben, alles stehen und liegen zu lassen, um später einmal zurückzukehren und weiter zu machen. Tatsächlich war er nach drei Jahren der absoluten Einsamkeit für ein halbes Jahr wieder losgezogen, doch gefallen hatte ihm das nicht. Er kehrte zurück, zivilisationsmüder denn je und vergrub sich wieder in seiner Mine.
Seit seiner ersten Ankunft begannen sich bald die ersten Gerüchte zu verbreiten. Der Südhang des Tals war verflucht, denn Jäger und Bergmänner kehrten oftmals nie wieder zurück ohne je gefunden zu werden. Zwischenzeitlich hatte man einen Bären oder ein Rudel Wölfe für die Schuldigen gehalten und Jagdtrupps ausgesandt, doch die kehrten immer wieder unverrichteter Dinge zurück. Um nicht allzu sehr als Versager dazustehen, spannen genau diese Männer neue Märchen von unheimlichen Lauten, schleichenden Schatten und nächtlichen Schreien, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen.


Armand war das nur Recht und wenn er auf Streifzug war und dabei eine größere Reisegruppe antraf, erschreckte er sie gerne durch schauriges Geheul, das die Gruppe hastig packen und mitten in der Nacht weiterziehen ließ. Das schützte die Gruppe allerdings in den seltensten Fällen davor, ein oder zwei Männer zu verlieren. Und so ergänzte man die Legenden bald um huschende Schatten, grausige Fratzen, blutdurstige Teufel und für den störrischen Nachwuchs natürlich noch um Kinder fressende Bergtrolle.
Erst im dritten Jahr seines Aufenthaltes erfuhr er, dass man in seinem Seitental hin und wieder auch gespenstisch hallende Schläge hörte. Diese rhythmischen Schläge schrieb man hastig Dämonen zu, die in den Bergen gefangen waren und versuchten, herauszukommen. Die Klöster und Kirchen freuten sich darüber, denn von nun an spendeten die Menschen ängstlich wesentlich mehr als vorher, um Gott davon zu überzeugen, die Dämonen noch ein bisschen gefangen zu halten und nicht so schnell wieder ein neues Erdbeben zu schicken, das sie womöglich befreien könnte.
Wenn er genug davon hatte, das Erz aus den Wänden zu schlagen und stickige Luft zu atmen, zerkleinerte Armand die Erzklumpen, um möglichst viel Silber bereits abzutrennen und dadurch weniger Erzschlacke zu erhalten. Das war mühsam und langweilig. Mehr als einmal verletzte sich Armand dabei Finger oder Hand, weil er den Fehler beging, Kraft mit Genauigkeit zu ersetzen.
Alle paar Wochen schleppte Armand mühsam seine abgebauten Erzbrocken zu dem Quellbach, der einige hundert Meter entfernt von ihm aus dem Berg sprudelte. Dort hatte er sich nach Rascals Anleitungen einen kleinen Ofen gebaut, den er mit Holz befeuerte, das er im Wald fällte. Nacht für Nacht trieb er dort das Silber aus dem Erz ab, achtsam darum bemüht, den Ofen über den Tag brennen zu lassen, damit er nachts sofort wieder weitermachen konnte.
Mit der Zeit hatte er sich etliche Silberbarren gegossen. Die Neugier hatte ihn ins Tal getrieben, wo er einen Silberhändler aus dem Bett warf und von ihm ein Gutachten verlangte. Sein Silber hatte eine begeisternde Reinheit und Armand erhielt die Motivation, um so kraftvoller weiter zu machen.
Jetzt, nach sechs Jahren der Einsamkeit, wurde Armand wieder unruhig. Tief durchatmend öffnete er die Augen und betrachtete die Wand gegenüber, die im Licht der Fackel ein unruhiges Glitzern von sich gab. Armand lächelte. Er würde bald seine Werkzeuge vom Bach holen und hier verstauen, damit er mit etlichen Barren bestückt die nächste Stadt ansteuern konnte. Es würde Villach sein. 

Er begann sich darauf zu freuen, wieder auf Wanderschaft zu gehen. Wie immer, wenn er einen Entschluss gefasst hatte, beschäftigte er sich von jetzt an mit den neuen Plänen. In seinem Gesicht war der grimmige, verbitterte Ausdruck verschwunden. Es hatte einem kleinen Lächeln Platz gemacht. Armand hatte zu sich zurück gefunden.

1 Kommentar:

  1. ARGH!

    Spanendste Stelle ever und jetzt: Rükblick.. Na toll.

    Aber spannd ists auch hier.

    Armand als Einsiedler, der die vielen Schatten seiner Vergangenheit im Berg bekämpft.

    Nach sechs Jahren im Berg, weiß man sicherlich mehr über sich selbst, als man je wissen wollte. Aber Armand scheint es gut getan zu haben. Und obendrei scheint er ja nun bereits über ein recht stattliches Vermögen zu verfügen.

    Mal sehen, was die Geschichte in Villach schreibt.

    Liebe Grüße
    Joe

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